Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Lifjord – Bada-Bing und Thixotropie

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin mag Serien, die jenseits von 66° 33′ 55″ nördlicher Breite stattfinden. Wenn bei uns die Moderatorin im Radio am Morgen flötet: „36 Grad. Das ist ein SSSupersssommer!“, dann bekommt sie wenigstens am Bildschirm kalte Füße. Deshalb war der norwegische Serien-Klassiker „Lifjord“ für sie ein Muss. Und darum geht’s:

Gespannt wartet die Party auf die Landung des Hubschraubers. Er soll die Vertreter einer chinesischen Firma in das norwegische Nest Lifjord bringen, wo eine von der Insolvenz bedrohte Firma auf neue Investoren hofft. Der Bürgermeister und die Geschäftsführerin Eva lächeln den Besuchern entgegen. Doch als sie den letzten aus der Maschine steigenden Ankömmling erkennt, gefriert ihr Blick: Es ist Aksel, der Mann, den sie für den Mörder ihrer Tochter hält. Er war nach der Tat vor 20 Jahren freigesprochen worden, hatte seine Heimat verlassen, sich in Asien eine Karriere aufgebaut und kehrt nun als Investor zurück. Das ist die Konstellation der norwegischen Serie „Lifjord – Der Freispruch“.

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Kaamosmasennus – Le jour ne se lève plus – Bitume Prods 2023

Von Matthias Bosenick (23.08.2023)

So ein Winter in Finnland ist für uns Mitteleuropäer kaum zu imaginieren: Sind wir schon bei dezemberlichen Tageslichtzeiten von nur acht Stunden von Winterdepressionen bedroht, wie soll es einem dann weiter nördlich sein, womöglich jenseits des Polarkreises, wo sich die Sonne gar nicht über den Horizont wagt! Auf „Le jour ne se lève plus“ („Der Tag erhebt sich nicht mehr“) findet sich Julien J. Neuville unter seinem neuen Alias Kaamosmasennus („Jahreszeitliche Depresssion“) genau in diese Situation ein und vertont einen Winterspaziergang in Finnland, mit allem, was dazugehört, Schwermut und Lobpreisung, und zwar als variantenreich ausformulierten Funeral Doom Metal, wie passend. Vier Tracks in 40 Minuten, die wahrhaftig eine dunkle, winterliche, melancholische Atmosphäre verbreiten. Auf diesem Spaziergang begleitet man den Musiker mit deutlich mehr Bereitschaft als zu „Le voyage nocturne“, Neuvilles Drogentrip durch Mexiko, den er kürzlich als Salaman Isku wiederveröffentlichte: Beides zwar geile Alben, aber Kaamosmasennus klingt weniger schädlich für den Körper.

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Spear Of Destiny – Ghost Population – Easterstone 2022/2023

Von Matthias Bosenick (22.08.2023)

Kirk Brandon macht einfach verlässlich gute Musik, egal, mit welchem Projekt, ob Theatre Of Hate, Dead Men Walking oder Spear Of Destiny. Von letzterer Band gibt’s aktuell mit „Ghost Population“ eine neue LP, mit Rockmusik, melancholisch und kraftvoll, sehr melodisch und gesanglich inbrünstig, der Mann hat aber auch eine unverwechselbare, ausdrucksstarke hohe Stimme. Man kann es nicht weniger lieben als jedes andere Stück Musik, an dem Brandon beteiligt ist. Und so recht musikalisch voneinander trennen kann man seine Projekte auch nicht, aber das macht nichts, man bekommt immer Qualitätsmusik aus dem Londoner Postpunk-Waverock-Umfeld. Er hat ja auch immer versierte Leute mit dabei.

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Rouge Brulé – Rouge Brulé – db2fluctuation 2023

Von Matthias Bosenick (18.08.2023)

Angekündigt als vielversprechender neuer Act auf dem gemeinsamen Label von Daniel Bressanutti und Dirk Bergen, den beiden Mit-Gründern der belgischen EBM-Erfinder Front 242, ignorierte der Rezensent das Debüt des anonymen Projektes Rouge Brulé, man muss ja hauszuhalten lernen und die Bude ist doch schon so vollgestopft, Allessammler hin oder her. Doch schützt Alter bekanntlich vor Torheit nicht: Einige Wochen nach der Veröffentlichung offenbart der fast 70jährige Bressanutti, dass er selbst es war, der das Doppel-Album einspielte und fast zwei Monate nach dem 1. April veröffentlichte, der Scherzbold. So viel Platz ist dann natürlich noch im Regal, zu Recht: Dieses Mal kombiniert der Experimentator den Jazz in seinen dystopischen Ambient. Hatten wir noch nicht von ihm.

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Gov’t Mule – Peace … Like A River – Fantasy Records 2023

Von Guido Dörheide (17.08.2023)

Seit ich weiß, dass man nutzloses Wissen auch unter dem nom de plume „Fun Facts“ an egal wen (m/w/d) verbreiten kann, macht es mir noch mehr Spaß. Oesdann, gemmas o: „Government Mule“ heißt nicht etwa „Regierungs-Maultier“ oder „Regierungs-Maulesel“ (BTW nutzloses Wissen: Die/Der Erste, die/der mir den Unterschied zwischen Maultier und Maulesel (m/w/d) meldet und mir an Eides Statt versichert, bei der Suche nach der Antwort NICHT gegoogelt zu haben, bekommt zwei Flaschen Bier seiner Wahl aus einer braunschweigischen Kraftbierbrauerei seiner Wahl von mir frei Haus geliefert, muss also selber nur das Bier bezahlen), sondern, wie es meine liebe Großtante Anita aus Bochum, bevor sie im letzten Jahr verstarb, immer formulierte: „Diecken Poppo.“

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Dor – In Circle – Drown Within/Toten Schwan Records 2023

Von Matthias Bosenick (17.08.2023)

Wer auf „In Circle“ dem zur Band herangereiften Ein-Mann-Projekt Dor ein konkretes Genre zuweisen zu können meint, fliegt raus. Auf Francesco Fiorettis dritter Veröffentlichung als Dor klingt seine Heimat Italien zwar an, aber nicht über das hedonistisch-sonnige, sondern vielmehr über das komplex-klassische, versetzt mit dunkler Melancholie, gruftiger Folklore, sakralen Melodien, rituellen Gesängen, fettem Jazz und mittelalterlichem Drama. Fioretti und seinem Ensemble gelingt es, diese ganzen Ingredienzen überaus stimmig zusammenzuführen und daraus eine einzigartige Musik zu generieren. Ohne gute Laune, und auch das ist genau richtig.

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Lacrimosa-Action: „Gangs Of London”

Von Onkel Rosebud

Zuweilen etwas unappetitliche Gewalt im Stream macht meiner Freundin nichts aus, auch wenn sie mit Mozart unterlegt ist, zu mindestens solange es nicht das Konzert in A-Dur KV 622 für Klarinette und Orchester ist. Aber die Serie „Gangs Of London“ war ihr dann doch zu heftig, um zwei Folgen nacheinander vor dem Einschlafen zu sehen. Denn sie ist ein garstigster Meilenstein der Brutalität, eine Schlachtemetz-Orgie, ein grimmiger Folterkeller an Unterhaltung, aber brillant inszeniert, mit ausgesprochen ausgefeilten Kampf-Choreographien. Die Handlung ist eigentlich nicht wichtig. Ein Gangster-Epos wie 4Blockx, nur dreimal potenziert, und Spielort ist London, das neue Gotham. Viel geredet wird eh nicht. Dafür gibt es eine weltrekordverdächtige Anzahl an WtF-Momenten.

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Dead Mammals – II – Trepanation/Forbidden Place/P.O.G.O. 2023

Von Matthias Bosenick (16.08.2023)

Man fühlt sich sofort in die sich bei den Achtzigern bedienenden Neunziger zurückversetzt, als es noch möglich war, mit Lärm, Aggressionen und ungewöhnlichen Songstrukturen für positive Aufmerksamkeit und eine nicht geringe Gefolgschaft zu sorgen: Die Dead Mammals aus dem Vereinigten Königreich beherrschen auch auf ihrem Album „II“ (könnte das zweite sein, hm?) das Laut-Leise-Schema, kombinieren monotone Rhythmen mit zerschredderten Gitarren und brüllen dazu herum. Und das als Duo!

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Araf – Bathrah – Antibody 2023

Von Matthias Bosenick (15.08.2023)

Der Sound der EP „Bathrah“ ist nahe dem frühen Wave, also synthetische Drums und introvertiert gegniedelte Gitarre, aber da es das ja schon seit 40 Jahren gibt, das Duo Araf da aber trotzdem etwas Eigenes draus stricken will, kombiniert es diese Musik mit der aus dem Nahen Osten und Westarabien. Othman Cherradi (alias Prophän, Marokko) und Joseph Jadam (alias Maltash, Libanon) halten den Gesang der vier Stücke ihrer in Brüssel aufgenommenen EP auf Arabisch, der Musik dazu gelingt der Spagat zwischen früher und heute, zwischen Europa und Arabien, zwischen Gothic und Folklore, ohne dass irgendetwas davon merkwürdig wirkt. Aber dafür angenehm deprimierend.

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Neil Young – Chrome Dreams – Reprise Records 2023

Von Guido Dörheide (12.08.2023)

Aurora Borealis. The icy sky at night. Ohne Scheiß: Erst durch Neil Young weiß ich, dass Marlon Brandos Nachname sich nicht „Brandow“ (gelegen in Brandenburg?) ausspricht, sondern „Brändoh“. Und durch ihn – und nicht durch den 1995er Diseney-Film oder durch das Ikke-Hüftgold-Remake von AnnenMayKantereits eigentlich nicht zu beanstandenden Song aus [dem Jahr] 2016, den ich auf zahlreichen Silberhochzeiten meiner Jahrgangsgenossen über mich ergehen lassen musste (und ich verstehe immer noch nicht, warum auch immer „Kling Klang“ von Keimzeit in diesem Zusammenhang gespielt wird, eigentlich doch auch ein tolles Lied – scheißegal, ich lasse das Lasso drinne und schreibe einfach mal weiter, was mir so einfällt.) Also Wurscht: Marlon Brando, Pocahontas and me. So soll es sein für alle Zeit. Und dieser Song war für mich immer verknüpft mit Neil Youngs 1979er Album „Rust Never Sleeps“. Und das war für mich DAS bahnbrechende Young-Album: Die erste Hälfte akustisch mit „My My, Hey Hey“ und die zweite Seite elektrisch mit „Hey Hey, My My“ – jawiegeiel, und die restlichen Songs waren auch Weltklasse.

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