Von Matthias Bosenick (25.09.2023)
Die Musik-Artwork-Schere klafft weit auseinander, der Titel bildet das bindende Element: Scheint man es laut Cover mit etwas kunstvoll Gruseligem zu tun zu haben, ist die Musik ein hyperaktiver Power-Prog-Pop – „Soft Hell“ also, da haben Closure In Moscow schon Recht. Selbst in entschleunigten Passagen wirbelt das Quintett aus Melbourne ADHS-mäßig herum, rührt flächendeckend Elemente aus Radio-R’n’B, Teenage-Indierock und verschachtelten Progbaukästen zusammen – und lässt den Sänger mit der ungnädig hohen Stimme die schönen Passagen nur mit Schmerzen hörbar machen.
Fallende Blätter (Kuolleet lehdet) – Aki Kaurismäki – SF 2023
Von Matthias Bosenick (21.09.2023)
Wenn man sagt, Aki Kaurismäki habe mit „Fallende Blätter“ eine Liebeskomödie gedreht, trifft das im Vergleich mit den bisherigen Kaurismäki-Filmen sehr zu, dürfte aber Leuten, die gerne Liebeskomödien gucken, zu deprimierend sein – weil hier sowohl der Anteil Liebe als auch der Anteil Komödie im finnischen Kontext zu betrachten sind. Also alles wortkarg und melancholisch, aber mit einem bitterbösen Humor, unvorhersehbarer Handlung, wunderschönen Bildern und passend eingesetzten finnischen Schlagern. Ein typischer Kaurismäki mithin, mit erweitertem Spektrum.
Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Eine unerwartete Hoffnung: Andor rettet das Star-Wars-Merchandise
Von Onkel Rosebud
Diese Folge der Kolumne müsste eigentlich heißen, was unser Sohn gerne sieht. Er ist mit den ersten sechs Filmen des Star-Wars-Universums aufgewachsen, hat Karten und Figuren gesammelt, um in der Kindheit seinen Status durch Tauschen derselben im Freundeskreis zu manifestieren. Später wurde er bitter in seinem Fandom von den letzten drei Filmen der Saga entschleunigt. Trotzdem hält sein guilty pleasure für dieses Format an und er hat sich durch die Fortsetzungen „The Mandalorian“, „The Book Of Boba Fett“ und „Kenobi“ gequält. Da ich dafür eine gewisse Verantwortung fühlte, dass es so weit kommen musste, habe ich mit ihm gelitten.
WeiterlesenNew Model Army and Sinfonia Leipzig – Sinfonia – Ear Music/Edel/Attack Attack 2023
Von Guido Dörheide (20.09.2023)
HINWEIS: Hier geht es nur um die CD „Sinfonia“ und nicht um die DVD. Begeistert von der Musik habe ich nicht gewartet, bis ich das Bildmaterial gesichtet habe, sondern komplett begeistert und enthemmt gleich mal losgeschrieben. Alsdann, gehen wir es an:
New Model Army. NMA. Oder einfach nur „Army“, wie Schulfreund Martin sie damals nannte. Wie lange finde ich die schon toll? Nun, seit 1989, seit ich mir „Thunder And Consolation“ auf der Klassenfahrt nach Würzburg in der 10. Klasse des Humboldt-Gymnasiums kaufte – auf einen Tipp meiner Klassenkameradin Silke hin, die ich sinngemäß fragte, ob Army nur so ein Modetrend oder eine feste Größe auf dem Weg der Bildung eines erwachsenengerechten Musikgeschmackes sei – und Silke (die mir kurze Zeit später, als ich von Vinyl auf CD umstieg, meine komplette Toten-Hosen- und Ärzte-Sammlung abkaufte, danke nochmal dafür; die indizierten Ärzte-Alben hatte die Mutter meines Freundes Klaus für mich bei Salzmann in Braunschweig erstanden) meinte, Army könnte ich unbesehen kaufen, von denen wäre immerhin „51st State“. Danke, Silke, denn New Model Army begleiten mich seitdem durch mein Leben und ich feiere diese Band, als gäbe es kein Morgen.
WeiterlesenTobi Morare – Urban Heat – Separated Beats 2023
Von Matthias Bosenick (20.09.2023)
Soundtüftler Tobi Morare kategorisiert seine neue EP „Urban Heat“ als Hip Hop, womit er grundsätzlich selbstredend richtig liegt, doch ist sein Horizont weiter als das, weshalb er in der knappen Viertelstunde Musik noch ganz viele andere Sounds der Neunziger unterbringt, Kruder-&-Dorfmeister-Downbeat oder Reggae etwa. Seine samplebasierten Tracks kommen ohne Stimme aus und eignen sich bestens dazu, in der brütenden Sommerhitze mit dem heruntergekurbelten Fenster durch die Stadt zu juckeln. Chillig am Strand lümmeln mit einem farbenfrohen Getränk in der Hand geht auch. Und der Kopf beginnt sofort zu nicken.
The Arch – Sanctuary Rat – Dryland Records 2023
Von Matthias Bosenick (19.09.2023)
„Babsi ist tot“, behauptete die Band The Arch 1986 auf ihrer Debüt-12“ „As Quiet As“, und wer die Band nun in den Grufticlubs als One-Hit-Wonder abtut, übersieht den zweiten Hit „Ribdancer“ aus dem Jahr 1990 – und den Umstand, dass die Belgier seitdem kontinuierlich Alben herausbringen, wenn auch in gebührlichem Abstand. „Sanctuary Rat“ ist das siebte Album in 27 Jahren, und darauf eint das Quartett die Elemente, die es berühmt machten, aber transferiert in die Gegenwart: elektronische Sounds, darin eingebettete E-Gitarren, dramatischen männlichen Gesang, zudem eine Musik, die so ähnlich auch in den Neunzigern hätte erstellt werden können, also eher retro erscheint, was insofern nicht schlimm ist, als dass es sich bei The Arch nicht um Newcomer handelt, die die Plattensammlung ihrer Eltern plünderten und nachspielen; eine Musik, die gleichzeitig taufrisch produziert ist und klarer klingt, als es in den frühen Neunzigern möglich gewesen wäre.
Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Aussie-Power: Die Newsreader
Von Onkel Rosebud
Die Achtziger gehen immer. Das sieht auch meine Freundin so. Nichts ist so schön verklärt wie die eigene Jugend. Unsere Tochter meinte neulich, dass sie ein klein wenig neidisch darauf ist, dass wir in diesem Jahrzehnt unser „Coming of Age“ hatten. Da wäre der Soundtrack des Lebens um so viel besser gewesen als der Spotify-Algorithmus, der ihr heute das Dasein untermalt.
Wer die Serie „Die Newsreader“ ohne Vorinformationen schaut und die fantastische Hauptdarstellerin Anna Torv nicht schon aus „Fringe“ kennt, wird den Sechsteiler für ein Produkt der Achtzigerjahre halten, so authentisch sind Kameraarbeit, Farbgebung und Requisiten. Gedreht aber wurde er 2021. Folge 1 startet mit einer genauen Datumsangabe: 24. Januar 1986. Die Touristenwerbespots von Paul Hogan für Australien haben Furore gemacht. Sein Spielfilm „Crocodile Dundee“ ist in Vorbereitung. Gerade wurde Hogan zum Australier des Jahres gekürt. Ein Thema für die Sechs-Uhr-Nachrichten. Aber im Schneideraum gibt es Bandsalat. In fünf Minuten beginnt die Sendung. Produktionsassistent Dale Jennings (Sam Reid) mobilisiert ein Team und dreht in aller Eile einen Einspieler, während die Nachrichtensprecher Helen Norville (Torv) und Geoff Walters (Robert Taylor, auch großartig in der Neowesternserie „Longmire“) bereits auf Sendung sind.
WeiterlesenDer Autor und der Comic-Held: Eine Begegnung mit einem Autor und einem Comic-Helden in der Braunschweiger Innenstadt
Von Guido Dörheide (12.09.2023)
Letztes Wochenende war Papa-Tochter-Wochenende. Also bin ich am Sonnabend mit meiner Jüngsten mit dem Fahrzeug in die Schlossattrappe gefahren – die Tochter sollte nicht zu weit zu Fuß gehen müssen, immerhin wollten wir am Nachmittag noch das Magnifest besuchen.
Wir stellten also den Wagen ins zweite Parkdeck (das mit dem gegenüber dem ersten Parkdeck spiegelverkehrten Einbahnstraßen) und gingen erstmal zu Thalia. Töchterchen sollte sich dort eine DVD aussuchen, aber so weit kamen wir nicht: Vor dem Regal mit den Braunschweig-Krimis gab es Tumult. Augenscheinlich waren sich zwei Herren im fortgeschrittenen Alter in die Haare geraten, herrschten sich an, alsbald ergab sich ein Handgemenge.
Das wollten wir uns aus der Nähe ansehen, also pirschten die Tochter und ich uns vorsichtig an den Ort des Geschehens heran. Da stand, mit wirrem Haar und den Revolver im Anschlag, ein Autor und knurrte: „Gib mir mein Buuuuuuch zurrrück!!!“
WeiterlesenWas meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Shakespeare im 21. Jahrhundert: Succession
Von Onkel Rosebud
Meine Freundin pflegt einen sehr entspannten Umgang mit Geld. Aber klar ist auch ihr schon mal in den Sinn gekommen, sich über dessen Beschaffung gern in Zukunft keine Gedanken mehr machen zu müssen. Also einfach reich sein und alle Probleme mit Kohle, Schotter, Mäusen, Kies, Asche, Kröten, Ocken, Penunzen, Piepen, Moneten, Zaster, Moos und Radatten zu lösen. Natürlich ist das so einfach nicht. Geld verdirbt bekanntlich den Charakter. Damit sind wir beim Thema dieses Aufsatzes und willkommen beim „Wir schwimmen in der Scheiße“-Komitee, bei der Familie Roy, die nicht nur reich, sondern stinkreich ist.
WeiterlesenWas meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Fremdschäm-Komödien
Von Onkel Rosebud
Meine Freundin lässt manchmal eine unangenehm boshafte Menschenkenntnis durchblicken. Wahrscheinlich färben die dominanten Charaktereigenschaften von Paaren über die Jahre aufeinander ab. Heheh! Als sie mir neulich sinngemäß erklärte, dass Wahrheit in Beziehungen meistens ganz wenig mit Fakten zu tun hat, sondern eine Art gefühlte Wahrheit sei, hielt ich ihr vor, dass das Bernd Stromberg in der gleichnamigen Serie vor mehr als 10 Jahren auch schon so gesehen hat – unter satirischen Gesichtspunkten. „Lirumlarum, Pipapo“ antwortete sie, ich würde mit meinem popkulturellen Blödsinn-Wissen nur ablenken vom eigentlichen Problem.
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