Zillion – Robin Pront – B/NL 2022

Von Matthias Bosenick (13.11.2023)

Die Ausgangslage: Ein gehänseltes Arschloch macht Arschlochsachen mit anderen Arschlöchern, die ihn dafür ebenfalls arschlochmäßig behandeln. Das Ganze spielt in der Großraumclubszene der späten Neunziger in Antwerpen und lehnt sich locker an der realen Geschichte von Frank Verstraeten und seinem titelgebenden Club „Zillion“ an. Inszeniert Robin Pront zunächst ein kunterbuntes, ultraschnelles Clubding, bricht er es im Rest ausgebremst auf Action und Drama herunter – zu einem Zeitpunkt, als einem die Arschlöcher jedoch eh schon egal sind. Der Film ist etwas fürs Auge, aber nicht für die Ewigkeit.

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The Old Oak – Ken Loach – GB/F/B 2023

Von Matthias Bosenick (12.11.2023)

Die Welt ist Scheiße, und ein extrem negativer Faktor ist die Gemengelage aus Rassismus, Rechtsruck und Neofaschismus, die sich allerorts ungehemmt in die Mitte der Gesellschaft ausbreitet. Die Welt könnte mit Humanismus und Solidarität ein so viel besserer Ort sein, findet auch der 87jährige Ken Loach, der zuverlässige Abbilder sozialer Themen aus linker Perspektive, und lässt ein vergessenes Kohledorf im Nordosten Englands auf die Ankunft syrischer Geflüchteter reagieren. Zentrale Personen sind der Pubwirt TJ und die Syrerin Yara, die eine Dorfgemeinschaft zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen erwirken wollen – und Loach flicht alles ein, was es an Negativität in diesem Kosmos zu berichten gibt. Und potentiell Positivem: „The Old Oak“ ist damit ein Märchen – leider.

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Gondola – Veit Helmer – D/GEO 2023

Von Matthias Bosenick (12.11.2023)

„Gondola“ dürfte ein an wortlosem Einfallsreichtum kaum zu überbietender Film sein: Zwei Seilbahn-Gondeln gondeln über ein 300 Meter tiefes Tal in den Bergen Georgiens. Die beiden isolierten Schaffnerinnen begegnen sich immer in der Mitte und gehen in einen liebevollen Wettstreit um die kreativste Art, die Aufmerksamkeit der jeweils anderen zu erregen. Die aufkeimende Romanze der beiden erfährt einen Dämpfer, als die Fluchtpläne einer der beiden offenbar werden – es erfordert von jener nun also noch mehr Kreativität, die andere von sich zu überzeugen. Alles ohne Worte – und fesselnd und unterhaltsam wie nix. Was auch an den Bildern liegt, mit denen Veit Helmer hier arbeitet, da geben Gondeln in den Wolken einiges vor. Und Helmer macht mehr draus!

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Myrkur – Spine – Relapse Records 2023

Von Matthias Bosenick (10.11.2023)

Weiterentwicklung, so wichtig, um kreativ nicht auszubrennen oder sich grundlos zu wiederholen! Hört man sich durch das Oeuvre von Ammalie Bruuns Alter Ego Myrkur, bekommt man diesen Ansatz mehr als bestätigt: vom Ein-Frau-Black-Metal-Projekt über Kammerchor und Folklore zu – nun: Pop. Ein Zirkelschluss mithin, denn mit ihrer früheren Band Ex Cops machte Bruun bereits Rockpop, aber anders gelagert: Auf „Spine“ schwingen Abba mit, man mag es nicht glauben, und etwas Roxette vielleicht. Und Europe. Sehr schwedisch für eine Dänin! Und doch bei weitem nicht so glitzernd: Ihre Dunkelheit streift Bruun nicht ab, die Abgründe finden einen Platz in dieser schönen Musik, mit der sie ihre Mutterschaft bewältigt. Aber kurios ist die Entwicklung schon, an der auch noch Billy Corgan von den Smashing Pumpkins beteiligt ist. Um es ihrer Gemeinde trotzdem leichter zu machen, bringt sie außerdem auch sämtliche ihrer bisherigen Sounds auf „Spine“ unter, und es passt formidabel.

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Perfect Days – Wim Wenders – J 2023

Von Matthias Bosenick (09.11.2023)

Endlich wieder Filmfest in Braunschweig, auch BIFF genannt! Und endlich auch mal wieder Filme von vertrauten Regisseuren: Den Auftakt macht Wim Wenders mit seinem Zen-Film „Perfect Days“, in dem er einen sympathischen Toilettenreiniger in Tokyo dabei begleitet, wie er beinahe wortlos seinen Alltag verbringt und sich über Kleinigkeiten freut. Bis es einigen Anlass zu abweichenden Gemütslagen gibt. Zwei Stunden Achtsamkeit in Omu mit 60er-70er-Rock-Soundtrack und auch ohne Cinemascope ansehnlichen Bildern.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Analog ist besser.

Von Onkel Rosebud

Neulich im Plattenladen: Der Vinyldealer meines Vertrauens hat gerade, also 11 Uhr an einem Samstagvormittag, den Verkaufsraum der Öffentlichkeit zugängig gemacht. Er redet eigentlich nicht gern viel. Heute hat er aber einen guten Tag, weil er weiß, dass ich gleich fast 400 € ausgeben werde. Ich habe eine Sammelbestellung mit beinahe vergriffenen Ausgaben aufgegeben, für die er sein ganzes Können aufbieten musste, um diese zu besorgen. Und ich zahle in bar. Das lockert die Zunge. Wir fangen munter an zu plaudern und irgendwann erzählt er von Musikern, die in unserer Stadt aufgetreten sind und sich die Zeit zwischen Soundcheck und Auftritt damit vertrieben, in seinem Laden vorbeizuschauen. Weil sein Laden „irgendwie im Lonely Planet angepriesen wird“.

Aber bevor ich ausplaudere, was diverse Helden der Popkultur bei ihm gekauft haben, folgt ein kurzer Exkurs über die schreckhafte Spezies der Vinyl-Connaisseure.

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Synapse – Alter Echoes – Synapse 2023

Von Matthias Bosenick (08.11.2023)

Eine EP mit sechs Pop-Coversongs ist das dritte Lebenszeichen des französischen Prog-Metal-Quintetts Synapse. Die Auswahl der Originale ist dem Metal sehr, sehr fern und schreckt auch vor Kitsch nicht zurück, ebenso wenig in einigen Momenten die Umsetzung. Die indes wartet mit allerlei Prog-Metal-typischen Bestandteilen auf, Gniedelsoli, Blastbeatattacken, opulente Epik, Synthiespielereien und spielerischer Finesse. Synapse spielen die Songs nicht einfach nach, sie komponieren sie um und lassen vertraute Bestandteile bestehen, um den Kontrast zwischen Original und ihrer Version zu erhöhen. An manchen Stellen ist die Stimme zu hoch und klar, ansonsten gibt’s im Sinne der Sache nix zu mäkeln, sofern sie einem liegt.

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Zidrou/Frank Pé – Die Bestie, Teil 2 (La bête 2) – Carlsen 2023

Von Matthias Bosenick (07.11.2023)

Es geht in der Tat so weiter, wie es der Schluss des ersten Teils andeutet: Ein durchgeknallter Wissenschaftler will das noch nicht so bezeichnete Marsupilami, also die dem Buch den Titel „Die Bestie“ gebende Fantasiekreatur, für seinen Ruhm einfangen. Das Autorengespann Zidrou und Frank Pé behält die Melange aus düster, schlüpfrig und kindgerecht weitgehend bei, schiebt aber Action und Herzenswärme dazu und bringt die monströse Lektüre zu einem gelungenen und hell strahlenden Abschluss. Damit ragt der zweite Teil erfreulicherweise über den ersten hinaus, und die Zeichnungen sind abermals ein Weltwunder für sich, das auch ohne den Inhalt zutiefst beeindruckt.

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Joe Casey ist John Maynard – Protomatyr – Live im Hole 44, Berlin, 2. November 2023

Von Onkel Rosebud (04.11.2023)

Neues vom Hauptstadt-Korrespondenten: Ein trüber Donnerstagabend im November nötigte eine kleine, aber feine Reisegruppe, nach Kreuzberg aufzubrechen, denn Protomatyr, eine Post-Punk-Band aus Detroit, hatten sich im Hole 44 angesagt. Die Formation hat seit 2012 sechs Alben und sechzehn Singles mit schlecht gelauntem Gleichmut auf röhrenden Stakkato-Gitarren veröffentlicht und ist live immer eine Bank, wie wir uns schon vor drei Jahren im Lido überzeugen konnten. Vorher noch zum Italiener. Er nimmt nur Bares. Dit is Ballin.

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Misty Route – Without A Trace – Misty Route/Bitume Prods 2021/2023

Von Matthias Bosenick (03.11.2023)

Ins Fach Alternative Metal sortieren sich Misty Route mit ihrem Debüt „Without A Trace“ selbst ein, da treten sofort Assoziationen hervor, irgendwie Neunziger, etwas Grunge, etwas NuMetal, und ja, das stimmt auch, doch überschreiten die Griechen die Grenzen der Gefälligkeit, indem sie auch die progressiv-komplexen Strukturen von beispielsweise Opeth oder Tool hinzuziehen. Das Trio veröffentlichte das in Griechenland aufgenommene und in Schweden von Göran Finnberg gemasterte Album vor zwei Jahren digital, das französische Bitume-Label bringt es jetzt physisch auf den Markt. Die Zeitreise, die man beim Hören antritt, reicht indes weiter zurück als diese zwei Jahre – einiges mag einem vertraut vorkommen, aber nicht in dieser Mixtur, die viele zurückgenommene Passagen mit wuchtigem und unvorhersehbarem Metal durchbricht. Ein wohlgefälliger melancholischer Mix, der es verschmerzen lässt, dass gelegentlich auch die unappetitlichen Metallica der Neunziger durchschimmern.

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