Schneider Collaborations – Sechs, sieben Veröffentlichungen – Schneider 2023

Von Matthias Bosenick (30.11.2023)

Lediglich sechs Platten bringt der hyperaktive Zauberschlagzeuger Jörg A. Schneider im Oktember heraus, doch während dies eine Niederschrift erfährt, verschickt er schon die siebte. Seine Improvisations-Kollaborateure sind dieses Mal Gitarrist Thomas Kranefeld, Gitarrist N, Gitarrist Mikel Vega, Gitarrist Barley Rantilla, zum zweiten Mal Gitarrist Michel Kristof sowie unter dem Alias The Nude Spur abermals Thomas Kranefeld. In Zustellung befindet sich zudem das zweite Album mit dem verräterischen Titel „Dos“ des Projektes Glimmen. Falscher Name eigentlich: Der Mann glimmt nicht, er brennt – wie die Feuer auf den Plattencovern.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Epic-Fails – Musikwünsche an den DJ – Folge 2

Von Onkel Rosebud

Das Buch „plus minus acht. DJ Tage, DJ Nächte“ (Kiepenheuer & Witsch, 2003) des grundsympathischen Oberlippenbarträgers Hans Nieswandt aus Mannheim ist ein Standardwerk der DJ-Techno/House/Disco-Culture der 80er/90er Jahre. Darin gibt es ein Kapitel zum Thema Hörerwünsche, welches ich als genreübergreifender Plattenaufleger auch hätte so schreiben können. Dieser Text ist 20 Jahre später eine Aktualisierung mit meinen Erfahrungen. Ein Remix sozusagen.

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Planète Magnifiée/Fantastic Planet: Hommage à Failure – Bitume Prods 2023

Von Matthias Bosenick (29.11.2023)

So bekommt man den Horizont erweitert: Bei Failure handelt es sich um eine US-Indierockband, die in den Neunzigern einige Alben und Singles herausbrachte, sich auflöste und wie fast alle Indiebands im neuen Jahrtausend einen Neustart absolvierte. Man kann ja nicht alles kennen, obschon einige Failure-Musiker später bei diversen Tool-Projekten aufschlugen, da hilft eine Tribute-Compilation schon weiter: „Planète Magnifiée“ wird zweigeteilt vom französischen Label Bitume Prod herausgegeben. Der erste Teil mit 19 Bands liegt bereits vor: Die darauf enthaltenen Coverversionen wecken zum Teil den Geist des Neunziger-Indierock, wie man ihn seinerzeit auf MTV zu lieben lernte, obwohl viele Songs von nach der Reunion dabei sind, verharren aber nicht bei der schnöden Reproduktion. Die Kompilatoren rekrutierten Beitragende aus den unterschiedlichsten Genres, Stoner, Punk, Doom, Electro-Rock, Noisecore, Synthiepop und natürlich Indierock, und erstellen ein breites Portfolio an unbekannten Bands, die einer auch nicht so bekannten Band huldigen. Auch ohne Kenntnis der Originale ist diese Zusammenstellung eine Erkundung wert.

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Dittsche – das wirklich wahre Leben. Olli Dittrich live in Hannover (Theater am Aegi, 24.11.2023)

Von Guido Dörheide (29.11.2023)

Chefvisite – jetzt auch in Hannover. Seit 2004 verkörpert Olli Dittrich den letzten Universalgelehrten und Hamburger Alltagsphilosophen Dittsche – stets in einen gestreiften Bademantel und ebensolche Latschen („Schumiletten“) gewandet und mit dem bundesdeutschen Pendant zum Billa-Sackerl, gefüllt mit Leergut, bewaffnet. Ich bewundere seine – komplett improvisierten und vom WDR televisierten – Auftritte in Ingos Imbiss, der Eppendorfer Grill-Station, und hätte es mir nie träumen lassen, dieses Original einmal live zu sehen.

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Bruno Karnel – Hic sunt dracones – Bitume Prods 2023

Von Matthias Bosenick (28.11.2023)

Musikalisch eine Hydra, gesanglich jedoch eher ein Grisù: Auf seinem neuen Album „Hic sunt dracones“ erkundet Bruno Karnel die von ihm bislang unerforschten Randgebiete der progressiven Rockmusik, die für eingegroovte Hörer progressiver Musik indes weit weniger unerforscht sind. Mit versierten Gastmusikern setzt Karnel, Musiker aus Meaux zwischen Paris und Reims, seine Visionen um, die er abermals auf Landkarten zwischen ewigem Eis in Skandinavien, der peruanischen Atacama-Wüste und dem historischen Mexico ansiedelt. Seine Musik ist zumeist von einer dominanten Leadgitarre getrieben, lässt auch Streichern und Orgeln Raum und transportiert den Grundlagen entsprechend wechselnde Stimmungen. Den Gesang indes hätte Karnel getrost ebenfalls anderen Leuten überlassen und sich ganz aufs Musizieren verlegen sollen: Seine Stimme ist nicht ganz treffsicher und versetzt dem Hörgenuss einen Stoß zwischen die Schulterblätter. Hic est Sifridus.

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Les Shtauss – No Feeling – Closer Records/Atypeek Music 1989/2023

Von Matthias Bosenick (27.11.2023)

„No Feeling“ ist Doppel-Retro: Im Jahre 2023 gedenkt das Label Atypeek einer Band, die nur sieben Jahre lang existierte und zwischen 1987 und 1989 auf Closer Records eine Musik veröffentlichte, die damals schon aus der Zeit gefallen war. Dafür klingt die heute umso zeitloser, die Compilation könnte als aktuelles Album durchgehen: Rock’n’Roll, dreckig, energetisch, harmonisch, rauh, beseelt. Atmet den Geist von Jerry Lee Lewis ebenso wie den der Cramps, die ja ihrerseits retro sind, pendelt zwischen Garage und Surf und blickt in Richtung gegniedeltem Punk. Auf Vinyl hatte „No Feeling“ der Band aus Nantes sechs, auf CD acht, jetzt im Stream neun Songs, die die (Wieder-)Entdeckung wert sind. Nun gut, einer muss es schreiben: Willkommen bei den Shtauss!

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Guided By Voices – Nowhere To Go But Up – Guided By Voices Inc. 2023

Von Guido Dörheide (26.11.2023)

Mit der brandneuen Kritik zum brandneuen Album „Nowhere To Go But Up“ verfasst der Verfasser dieser Zeilen bereits den dritten Artikel in diesem Jahr, der sich mit einem neuen Album von Guided By Voices beschäftigt (dem insgesamt 39. seit 1987, also GbV-Album, nicht Krautnick-Artikel). Aber ist es wirklich eine Kritik, wenn jemand über eine Band schreibt, von der er noch nie etwas wirklich schlecht fand? Gehen wir bei und finden wir es heraus, vielleicht entpuppt sich das neue Werk ja auch als der größte Scheiß, den Robert Pollard aus Dayton/Ohio in seiner bereits endlosen und nicht enden wollenden Karriere abgeliefert hat. Bei meiner Internetrecherche nach Rezensionen habe ich sogar auf Anhieb eine gefunden, bei der das Album als ziemliche Enttäuschung – vor allem im Vergleich mit dem Vorgänger „Welshpool Frillies“ aus dem Juli dieses Jahres – eingeordnet wurde. O haue ha.

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Soldout – Pull Down – Music-Records 2023

Von Matthias Bosenick (24.11.2023)

Mit „Si vous pensez que vous êtes trop vieux pour faire du Rock … alors vous l’êtes!“ zitieren Souldout, Eigenschreibweise SoldouT, aus Petite-Rosselle in Frankreich den Herrn Lemmy Kilmister, und deshalb rasieren sich die drei bis vier Männer kurzerhand Iros, kleiden sich in Denim und Leder und werfen mit „Pull Down“ ein Heavy-Rock-Debütalbum in den Ring, das das Ohrenmerk eher auf Spielfreude lenkt als auf Innovation, und genau deshalb ist das auch völlig in Ordnung so. Man hört die Einflüsse heraus, etwas unmetallisch gespielte frühe Metallica, etwas dreckigen Rock’n’Roll von Motörhead, den Riffrock von AC/DC, den Bluesrock von Rose Tattoo. „Pull Down“ groovt und rockt, kann man sich live in der Hardrock-Kaschemme um die Ecke bestens vorstellen.

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Simple Minds – New Gold Dream: Live From Paisley Abbey – BMG 2023

Von Matthias Bosenick (23.11.2023)

Welche Aussage ist besser: „Live klingt es exakt wie auf dem Album“ oder „Live ist es komplett anders als das Album“? Das hängt von der Vorlage ab: Wenn Yo La Tengo oder Sonic Youth ihre komplizierten Lärmsounds live werkgenau und verlustfrei reproduziert bekommen, kann man nur staunen. Wenn dies bei The Faint geschieht, glaubt man an Vollplayback. Und der Nutzen, einen Liveauftritt als Konserve zu Hause zu haben? Ist eigentlich nur gegeben, wenn es einen künstlerischen Mehrwehrt zu belauschen gibt. Die Simple Minds reproduzieren „New Gold Dream (81-82-83-84)“, ihren Scheitelpunkt zwischen elektronisch-monotonem Untergrund-Punk und Stadion-Rock, 40 Jahre später in veränderter Besetzung – nur Sänger Jim Kerr und Gitarrist Charles „Charlie“ Burchill sind auf beiden Alben zu hören – und veröffentlichen den Mitschnitt aus der Paisley-Abbey-Kapelle als Tonträger. Der ist acht Sekunden kürzer als das Original, weicht in Details von der Vorlage ab und klingt natürlich abgeklärter als die jugendliche Vorlage.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Epic-Fails – Musikwünsche an den DJ – Folge 1

Von Onkel Rosebud

Wie im Verlauf dieser kolumnistischen Retrospektive einer jahrzehntelangen DJ-Karriere schon das eine oder andere Mal durchsickerte, ist dem Autor Misanthropie nicht ganz fremd. Nun liegen bei mir nicht Bücher von Thomas Jelinek und Elfriede Bernhard auf dem Nachttisch, dafür von Max Goldt oder Peter Stamm. Von Ersterem ist aus dem Buch „Quitten“, Kapitel „Alte Pilze“, Vers „Hyppytyyny Huomiseksi“, überliefert, dass ein DJ maximal herausgefordert und erniedrigt werden kann, wenn man sich bei ihm Billy Joel mit dem Song „Uptown Girl“ wünscht. Ich habe sofort verstanden, was mein großes Vorbild, Onkel Max, bekannt für seine Kolumnen in „Ich und mein Staubsauger“, dann in der „Titanic“ und natürlich als Frontmann der besten NDW-Band der Welt, Foyer des Arts, damit meint: Der Schallplattenunterhalter, der dieses Lied spielt, wird einsam sterben.

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