Neil & The Horse – Fu##in’ Up – Reprise Records 2024

Von Guido Dörheide (29.04.2024)

Wäh? Nicht irgendein Horse, sondern „The“ Horse? Und nicht mal mehr verrückt, das Pferd? Ein Blick in die Besetzungsliste schafft Klarheit: Neil & The Horse sind Neil Young, die verbliebenen Crazy-Horse-Mitglieder Billy Talbot und Ralph Molina, Nils Lofgren (der seit 2018 den ausgeschiedenen Frank „Poncho“ Sampedro bei Crazy Horse ersetzt) und Micah Nelson von Promise Of The Real, die ebenfalls schon gemeinsam mit Young musiziert haben. Anstatt die Band also einfach „Molina, Talbot, Lofgren, Nelson & Young“ oder „Nils, Young, the Rest of Crazy Horse & the Son of Willie Nelson“ zu nennen, wählte man „Neil & The Horse“.

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Kari Erlhoff – Rocky Beach Crimes: Tödliche Törtchen (Tante Mathilda ermittelt) – Kosmos 2023

Von Matthias Bosenick (26.04.2024)

Wie nähert man sich diesem Buch: Im Kontext eines Pferdes, das auf dem besten Wege ist, zu Tode geritten zu werden, oder als solitären Cozy-Krimi? Beides ist möglich – und überraschenderweise funktioniert beides auch ganz gut. Bei den „Rocky Beach Crimes“ handelt es sich um die drölfzigste Methode, aus der ursprünglichen Jugendbuchserie „Die drei ???“ noch mehr Geld zu quetschen; dieses Mal, indem man vertraute Nebenfiguren ganz ohne die titelgebenden Juniordetektive in Buchform eigene Fälle lösen lässt. Den Auftakt macht Justus Jonas‘ Tante Mathilda, der die in der Hauptserie für ihre ungewöhnlich brutalen Geschichten bekannte Kari Erlhoff mit „Tödliche Törtchen“ einen Fall auf den Leib schneidert, der der resoluten Altwarenhändlerin erstaunlich gut steht. Und ohne diesen Serien-Kult-Kontext bekommt man einen Krimi, den eine Schrottplatz-Miss-Marple im Rahmen ihrer Möglichkeiten souverän meistert. Untiefen haben diese letalen Backwerke zwar, doch überwiegt hier das Positive. Drei weitere Bücher liegen in diesem Spin-Off bereits vor: Gentleman-Kunstdieb Victor Hugenay, Ex-Kommissar Reynolds und Erzfeind Skinny Norris sind da die Ermittler. Wann Blacky?

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Stefanie de Velasco – Das Gras auf unserer Seite – Kiepenheuer & Witsch 2024

Von Guido Dörheide (25.04.2024)

Mitte März reisen die Liebste und ich mit dem Fahrzeug in die Hauptstadt, um uns die Premierenlesung von Stefanie de Velascos „Das Gras auf unserer Seite“ anzuhören, kostenloses Parken in Sichtweite des Brandenburger Tores sowie Currywurstessen und ein wenig Sehenswürdigkeiten begucken unter den Linden inklusive. Die haben da sogar einen Laden mit Bud-Spencer- und Terrence-Hill-Fanartikeln!

Es ist eine entspannte Fahrt und ein wunderschöner Tag. Zu Letzterem trägt Stefanie de Velasco mit ihrer Lesung sehr bei. Bevor sie damit loslegt, aus Ihrem neuen Roman vorzulesen, erzählt sie dem Publikum, dass es ihr großen Spaß mache, sich fiktive Romanheldinnen auszudenken, bis dann der Moment käme, in dem ihr klar werde, dass sie ja irgendwann aus diesem Buch vorlesen müsse.

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Tremé – David Simon uber alles

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin ist ein Krimi-Serien-Fan, nicht von der Sorte Handlung, in der ein „whodunit“ abgearbeitet wird; sie bevorzugt die realistische Darstellung von Polizeiarbeit und deren Auswirkungen auf die Persönlichkeiten. So kam sie auf Projekte von David Simon. Der startete seine TV-Karriere Anfang der 90er mit dem Buch zur Serie „Homicide: Life On The Street“, die er auch als Produzent begleitete. Aus dem zweiten Buch machte er „The Corner“, die thematisch über die Armut einer Familie und ihre Verstrickung in den Drogenmarkt angelegt ist. Anfang der 2000er erfand er „The Wire“ (fünf Staffeln zwischen 2002 bis 2008), mit das Beste, was es je auf dem TV-Serienmarkt gegeben hat – bis heute in einer Liga mit „Sopranos“, „Breaking Bad“, „Justified“, „Sons Of Anarchy” etc. – und „Game Of Thrones” bis Staffel 6. Muss man gesehen haben.

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Deimos – Insane – Bestial Records/Loud Rage Music 1997/2024

Von Matthias Bosenick (19.04.2024)

Interessant, dass ein typischer Sound der Zeit – also Ende der Neunziger – 27 Jahre später wieder innovativ klingt: Auf ihrem Debüt-Tape „Insane“ brachte die Death-Metal-Band Deimos aus Deva, Siebenbürgen, Rumänien, Synthie-Effekte und Electro-Spielereien unter, reicherte den Genresound mit Experimenten an und scherte sich nix um Grenzen. Seinerzeit lediglich als Kassette erschienen, macht das Label Loud Rage Music diesen Szeneklassiker jetzt erstmals auf CD und digital verfügbar. „Insane“ ist die Entdeckung wert!

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Lol Tolhurst x Budgie x Jacknife Lee – Los Angeles – PIAS 2023/2024

Von Matthias Bosenick (18.04.2024)

Endlich ist das Vinyl draußen! In anderen Darreichungsformen liegt „Los Angeles“ bereits seit Ende November 2023 vor, nun also auch als Doppel-LP. Darauf hört man nicht nur die Musik einer klassischen Supergroup – „Los Angeles“ verhält sich vielmehr wie eine Compilation grandioser Songs verschiedener Genres, weil das verdiente Trio aus den Schlagzeugern Lol Tolhurst und Budgie sowie dem Produzenten Jacknife Lee einen Haufen Gäste aus allen Ecken der Musikgeschichte hinzuzog. Und zwar nicht nur aus dem Kontext von The Cure, Siouxsie And The Banshees oder aktuellen Chartsproduktionen: Auch LCD Soundsystem, Primal Scream und U2 schickten Abgesandte, um dieses Album zu verfeinern. „Los Angeles“ dürfte eines der besten, weil anspruchsvollsten und abwechslungsreichsten Post-Punk-Indie-Pop-Alben seit Ewigkeiten sein.

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Project Pitchfork – Elysium – Trisol 2024

Von Matthias Bosenick (17.04.2024)

Man darf ja noch hoffen, dass Peter Spilles nach Corona-Pandemie und Krankheitsausfall an sein nächstes Album als Project Pitchfork anders herangeht als zuvor, aber nein, „Elysium“, der dritte Teil einer 2018 begonnenen und auch gleich unterbrochenen und wie auch immer strukturierten Trilogie, setzt den Schlager-Weg der einstigen Electro-Darkwave-Helden aus Hamburg fort. Pluspunkt für Spilles ist, dass er Scheubi, seinen Mitstreiter seit 1988 – damals noch als Demoniac Puppets –, vor die Tür setzte, weil jener in der Coronazeit zu schwurbeln begann. Ist doch alles recht billig hier im „Elysium“, auch wenn es teilweise hart herüberkommen will: Melodien und Harmonien mit einigen Clicks am PC zusammengeschoben und drübergekrächzt, bisschen Bummbumm, paar Balladen, dazwischen Meeresrauschen, wie schon 1995 auf „α Ω“. Wann kam das letzte gute Album der Mistgabeln heraus – ist es wirklich schon mehr als 20 Jahre her? Man darf ja noch hoffen.

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Chicano Batman – Notebook Fantasy – ATO Records 2024

Von Matthias Bosenick (16.04.2024)

Das muss man mögen: Eine Mischung aus den Beatles und Air machen Chicano Batman aus Los Angeles, und deren fünftes Album „Notebook Fantasy“ klingt noch schwüler, als es diese Mischung ahnen lässt. Lounge, Tropen, Schlager, Soul, Funk, Kitsch, Cocktailpartys und wattierte Sechziger- und Siebziger-Retroseligkeit bei moderner Produktion – geil gespielt, vielseitig komponiert und arrangiert, begleitet einen das Album in den pastelligen Sonnenuntergang, der Blick hinter der Sonnenbrille stets auf leicht gekleidete Vertreter des bevorzugten Geschlechts gerichtet. Ein klares Puh.

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Meat Beat Manifesto & Merzbow – Extinct – Cold Spring Records 2024

Von Matthias Bosenick (15.04.2024)

Die ersten paar Sekunden des Openers sind noch so, wie man sie sich erhofft: ein Breakbeat der hektisch groovenden Marke Meat Beat Manifesto mit ordentlich Schlagseite. Doch dann schlägt Merzbow zu und macht aus dem ganzen Album, das physisch überdies nur aus zwei Tracks besteht, einen Shred. Experimental Noise, sagt das temporäre Duo dazu, ja, kann man so gelten lassen – „Extinct“ wirft die altbekannte Ignoranz-Floskel „Ist das noch Musik?“ in den Gartenhäcksler. Und danach in die Autopresse. Und danach in den Küchenmixer. Und danach in den Dokumentenvernichter. Und danach auf Onkel Titus‘ Kreissäge. Zwar zieht sich tatsächlich ein Takt durch das Album, aber hörbar ist es nur bedingt. Free Jazz ist dagegen Kinderkarussell, Autechre schöner Radiopop. Haben muss man „Extinct“ als MBM-Sammler natürlich trotzdem.

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Sleepmakeswaves – It’s Here, But I Have No Names For It – Bird’s Robe Records 2024

Von Matthias Bosenick (12.04.2024)

Das ist nicht einfach Postrock, das ist streckenweise Mostrock. „It’s Here, But I Have No Names For It“ bündelt eine Auswahl pandemisch entstandener Demos in ausformuliert, der Titel dazu folgt der Zen-Weisheit, dass man nicht alles benennen können muss. Zwar ordnen sich die größtenteils instrumentalen Australier Sleepmakeswaves grob im Postrock ein, was sie in epischen Tracks mit den typischen hoch flirrenden Gitarren dann auch bestätigen, rühren aber noch andere Zutaten dazu, flotten Punk, komplexen Prog, himmelstürmenden Pop, extremst groovenden Bass, druckvolle Energie, kontemplative Folklore, Synthie-Ambient und vieles mehr. Bleiben sie an einigen Stellen sehr dem Etikett verhaftet, nutzen sie diese als Aufhänger dafür, den Hörenden die Nachbarschubladen schmackhaft zu machen.

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