Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Nachbarlärm

Von Onkel Rosebud

Missliebige Geräusche sind sehr häufig ein Grund für Zwist. Das gilt auch für meine Freundin. Unserer innerstädtischen Wohnsituation geschuldet, mussten wir im Haus gegenüber eine zeitlang einen adoleszenten Jungspund ertragen, dem es in der Morgenstunde regelmäßig eine Freude war, bei geöffnetem Fenster sein Lieblingslied abzuspielen. Und zwar mehrfach hintereinander und mit der vollen Ömme, die seine Klangerzeugungskonfiguration hergab. Er machte wohl eine Phase durch, in der weniger adoleszente deutschsprachige Barden, die zu griffigen Gitarrenakkorden gutturale Laute in Reimform abstießen, den Soundtrack seines Frühaufsteher-Lebens begleiteten. Da er den weniger dezenten Versuchen verbaler Kommunikation meiner Freundin, wie „Hier kommt nicht gleich nur Alex“ oder „Du hast mich eben nicht gefragt“ unaufgeschlossen gegenüberstand, musste erst ein klärendes Gespräch mit der Hausverwaltung her, um seine nachbarschaftlich-unfreundliche 6-Uhr-Start-in-den-Tag-Routine zu beenden.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: If You Tolerate This Your Children Will Be Next

Von Onkel Rosebud

Der Song steht im Guinness-Buch der Rekorde als Nummer-Eins-Single mit dem längsten Titel ohne Klammern. Das wußte meine Freundin nicht, aber dafür hat sie ja mich. Der Name des Liedes stammt von einem republikanischen Propagandaplakat aus dem Spanischen Bürgerkrieg der 1930 Jahre, das in englischer Sprache verfasst war und das Foto eines von den Nationalisten getöteten Kindes vor einem Himmel voller Bomber zeigte, mit der titelgebenden Warnung am unteren Rand. Erstmals vorgetragen wurde der sehr dufte Song von der walisischen Formation Manic Street Preachers im August 1998. Damals schon ohne Richey Edwards, dem Gitarristen, denn er verschwand 1995 über Nacht. Bis heute ist unklar, was tatsächlich mit dem Musiker geschah. Sein Verschwinden bleibt eine der bewegendsten, mysteriösesten und ungelösten Episoden in der jüngeren Geschichte der Popmusik. Über den vermissten Rockstar wurden jede Menge Bücher geschrieben. Meine Sekundärliteratur für diesen Text ist das empfehlenswerte Buch „Withdrawn Traces: Searching For The Truth About Richey Manic“ von Sara Hawys Roberts.

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Was meine Freundin gerne … – die Jubiläumskolumne: Behind the Scenes of Onkel Rosebud

Von Onkel Rosebud

Das ist mein 144. Text für „KrautNick – Hier kriegen Sie was gelernt“. Ich feiere das, denn die 144 ist meine Lieblingszahl, nicht die Lieblingsziffer, wohlgemerkt. Runde Zahlen kann ja jeder zelebrieren. Warum das so ist, gehört nicht hierher. Das weiß nur meine Freundin und das soll bitte so bleiben. Am 7. September 2022 erschienen hier meine ersten beiden Texte (über die TV-Serien „Shtisel“ und „Justify“). Damit setzte ich meine Karriere als Kolumnist mit der Rubrik „Was meine Freundin gerne hört“ fort, die in den 1990er Jahren für eine blaue Mensapost begann und die eine Dekade andauerte. Für KrautNick hat meine Freundin sehen und dann sogar lesen dazu gelernt. Seitdem haue ich fast Woche für Woche einen Beitrag raus und finde es beachtlich, dass ich bisher so lange durchgehalten habe und dass die Serie absehbar nicht abreißen wird. Deshalb möchte ich kurz darlegen, wie und warum ich das mache.

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne Bonusfolge: Ich möchte lieber nicht – Bartleby, der Schreiber

Von Onkel Rosebud

Bei allem, was die Weltliteratur so hergibt, findet meine Freundin neben Kafkas Verwandlung die Geschichte „Bartleby, der Schreiber“ von Herman Melville am abgefahrensten.

Die Handlung geht so: Ein namenloser New Yorker Anwalt in den 1850ern erzählt die Geschichte seines überaus seltsamen Schreibers Bartleby. Zuerst stellt er sich selbst, seine Kanzlei, die Angestellten namens „Puter“, „Beißzange“ und „Pfeffernuß“ mit ihren Eigenheiten vor. Eines Tages erscheint ein junger Mann in der Kanzlei: Bartleby, „sauber, erbarmungswürdig, achtbar und einsam“. Anfangs kopiert dieser Tag und Nacht mit stillem Fleiß und einsiedlerischer Ausdauer. Doch dann beginnt er, die Arbeit ohne Angabe eines Grundes mit den Worten „Ich möchte lieber nicht“ zu verweigern: Bartlebys passiver Widerstand löst in der Runde Rätselraten aus. Wie kann man mit ihm umgehen? Puter meint, gutes Bier könne helfen. Alle diskutieren darüber, während sich Bartleby hinter seinem Wandschirm einrichtet. Der Erzähler versucht, von Bartleby etwas über dessen Leben zu erfahren, um seine Motivation zu verstehen. Aber Bartleby „möchte lieber nicht“ mehr seine Arbeit machen.

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: Prädikat Pädagogisch nicht wertvoll: Alfons Zitterbacke

Von Onkel Rosebud

Alfons Zitterbacke ist die populärste Kinderbuchfigur der DDR. Erfunden wurde sie von Gerhard Holtz-Baumert, einem systemtreuen SED-Funktionär, in den 60er Jahren. Mehrere Bücher erzählen humorvolle, aber auch nachdenkliche Geschichten aus dem Leben eines aufmüpfigen Jungen. So jedenfalls hatte ich die Kindheitserinnerung verklärt abgespeichert. Für diesen Text habe ich noch mal „Alfons Zitterbacke: Geschichten eines Pechvogels“ aus dem Bücherregal meiner Freundin gefischt und war entsetzt.

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: Ich immer sprechen hübsch.

Von Onkel Rosebud

Ich möchte mich festlegen. Der lustigste Satz, den ich je in einem Buch gelesen habe, steht in einer Kurzgeschichte von David Sedaris und lautet: „Sie sehen aus, als könnte ich einen Drink gebrauchen.“ So lautet jedenfalls die Übersetzung aus dem Amerikanischen, wie es immer so heißt. Rätselhaft erscheint mir in dem Zusammenhang die Frage, sprechen Amerikaner nicht mehr oder weniger Englisch? Anyway, die Übersetzung ist von großen Harry Rowohlt. Im Original ist der Satz aber ganz genau so lustig: „You look like I need a drink.“

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: Walter Moers, Sie alte Berghutze.

Von Onkel Rosebud

Wenn meine Freundin nur ein Buch auf eine einsame Insel mitnehmen dürfte, dann wäre das „Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär, Untertitel: Die halben Lebenserinnerungen eines Seebären, mit zahlreichen Illustrationen und unter Benutzung des Lexikons der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller“ (Penguin-Verlag). Von Walter Moers aus Mönchengladbach. Ja genau, der Comic-Zeichner des kleinen Arschlochs und Adolfs, der Nazisau.

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: The World According to meine Freundin

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin hat, bevor sie ein neues Buch anfängt, die Angewohnheit, zuerst den letzten Satz zu lesen. Sie ist der Meinung, dass erste Sätze bestenfalls in die Geschichte verführen, aber generell überschätzt werden, weil man den zweiten sowieso auch liest. Die Kunst einer Schriftstellerei besteht darin, mit Anstand einen Abgang aus einem Text zu machen. Ein wirklich gutes Buch kann nicht einfach so irgendwie aufhören. Mit dem letzten Satz wird der Erzählung die Seele eingehaucht. Ich habe mich zwar daran gewöhnt, finde es allerdings nach wie vor irritierend und frage sie dann immer, warum sie sich spoilert? Meine Freundin antwortet, dass mein Einwand Quatsch sei, weil die wesentliche Handlungselemente unmöglich in einem letzten Satz zusammenfasst werden können und weder Genuss am vollständigen Werk oder Spannung verderben. Ich lasse die Widerworte dazu stecken und stelle mir vor, wie gern sie, wenn sie „Mehr kann darüber nicht gesagt werden.“ liest, 1386 Seiten nach hinten blättert, um J.R.R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“ zu starten.

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: Ich und mein Staubsauger-Freund

Von OnkelRosebud

„Ich und mein Staubsauger“, was für ein genialer Name, war eine unabhängige Zeitschrift in Westberlin, erschien erstmals im September 1986 als billig fotokopiertes „Fanzine“ und hielt 25 Ausgaben durch. Bemerkenswert daran war, dass es die ersten literarischen Schritte von Max Goldt (*1958) dokumentiert, der sich damit für die Satirezeitschrift „Titanic“ empfahl. Zwischen 1989 und 1998 veröffentlichte er dort Kolumnen unter anderem unter dem Titel „Aus Onkel Max’ Kulturtagebuch“ und „Informationen für Erwachsene“. Dabei spielte es kaum eine Rolle, worüber Herr Goldt jeweils schrieb, das „Wie“ war entscheidend und zu jener Zeit einzigartig in Sachen Wortwitz und Sprachstil. Wenn irgendwas das Etikett „Kult“ verdient, dann diese 108 Texte.

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