Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Warum Elbow die besseren Coldplay sind

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin hat die These, dass Coldplay aufgehört haben, Musik zu machen. Lalala „Moon Music“ (Parlophone) Lalala, das zehnte Studioalbum von Chris Martin & Co aus dem Jahr 2024 ist nicht mal Fahrstuhlmusik. Wahrscheinlich muss die Band irgendeinen Label-Knebel-Vertrag erfüllen, um vor allem viel Geld zu verdienen. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Band, die einst im Alternativ-Umfeld mit melancholischen, introspektiven Sounds („Parachutes“ und „A Rush Of Blood To The Head“) begann, sich dann aber mit fröhlich- schnulzigem Pop Richtung Massengeschmack entwickelte. Seitdem ist jede neue Coldplay-Platte wie ein Besuch beim Proktologen: Meine Freundin weiß, dass es weh tun wird, muss aber trotzdem reinhören. Ihrer Meinung nach hat das schleichende Ende der Beliebigkeit des kreativen Outputs der Band mit der Beziehung von Chris Martin zu Gwyneth Paltrow zu tun.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: John Coltrane (1926- 1967)

Von Onkel Rosebud

Unvorstellbar, obwohl schon fast 60 Jahre tot, John Coltrane könnte heute theoretisch noch leben, abseits von Dancefloor-Jazz und Kuschel-Rock, von Easy Listening, Pop-Klassik zum Träumen und Vivaldi für Gestresste. Er könnte noch leben, hundertjährig, in seinem eigenen musikalischen Universum, und trotzdem wie alle demokratisch ereilt von dieser akustischen Kontaminierung des Alltags durch den Ohrenschmaus aus Aufzügen, Kaufhäusern, Wartezimmern, Restaurants: Ein Triumph der Musik und ihrer Ausbreitung im Leben, und zugleich ihre Überführung ins Massengrab der Belanglosigkeit. Was würde er wohl heute dazu sagen?

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Otto Pankrock aus Hagen

Von Onkel Rosebud

Neulich verschlug es meine Freundin aus beruflichen Gründen nach Hagen, dem „Tor zum Sauerland“. Sie beschwerte sich, wie öde es da gewesen sei: Die Fußgängerzone sähe aus wie in Kassel, überhaupt BRD-70er-Jahre-Ästhetik überall. Auf dem Bahnhof zöge es wie Hechtsuppe und das Freizeitangebot bestünde aus einer Tour durch ehemalige Luftschutzeinrichtungen oder ein begehbares Planetenmodell. Hier leben, nein danke, schimpfte sie. Ich konnte sie nicht trösten, wusste aber zu berichten, dass Hagen Ende der Siebziger mal das „Liverpool Deutschlands“ genannt wurde, denn die Stadt war für einen kurzen Augenblick das musikalische Epizentrum der Neuen Deutschen Welle. Die Humpe-Schwestern, Nena, Extrabreit kommen aus Hagen… und natürlich Grobschnitt.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Nachbarlärm

Von Onkel Rosebud

Missliebige Geräusche sind sehr häufig ein Grund für Zwist. Das gilt auch für meine Freundin. Unserer innerstädtischen Wohnsituation geschuldet, mussten wir im Haus gegenüber eine zeitlang einen adoleszenten Jungspund ertragen, dem es in der Morgenstunde regelmäßig eine Freude war, bei geöffnetem Fenster sein Lieblingslied abzuspielen. Und zwar mehrfach hintereinander und mit der vollen Ömme, die seine Klangerzeugungskonfiguration hergab. Er machte wohl eine Phase durch, in der weniger adoleszente deutschsprachige Barden, die zu griffigen Gitarrenakkorden gutturale Laute in Reimform abstießen, den Soundtrack seines Frühaufsteher-Lebens begleiteten. Da er den weniger dezenten Versuchen verbaler Kommunikation meiner Freundin, wie „Hier kommt nicht gleich nur Alex“ oder „Du hast mich eben nicht gefragt“ unaufgeschlossen gegenüberstand, musste erst ein klärendes Gespräch mit der Hausverwaltung her, um seine nachbarschaftlich-unfreundliche 6-Uhr-Start-in-den-Tag-Routine zu beenden.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: If You Tolerate This Your Children Will Be Next

Von Onkel Rosebud

Der Song steht im Guinness-Buch der Rekorde als Nummer-Eins-Single mit dem längsten Titel ohne Klammern. Das wußte meine Freundin nicht, aber dafür hat sie ja mich. Der Name des Liedes stammt von einem republikanischen Propagandaplakat aus dem Spanischen Bürgerkrieg der 1930 Jahre, das in englischer Sprache verfasst war und das Foto eines von den Nationalisten getöteten Kindes vor einem Himmel voller Bomber zeigte, mit der titelgebenden Warnung am unteren Rand. Erstmals vorgetragen wurde der sehr dufte Song von der walisischen Formation Manic Street Preachers im August 1998. Damals schon ohne Richey Edwards, dem Gitarristen, denn er verschwand 1995 über Nacht. Bis heute ist unklar, was tatsächlich mit dem Musiker geschah. Sein Verschwinden bleibt eine der bewegendsten, mysteriösesten und ungelösten Episoden in der jüngeren Geschichte der Popmusik. Über den vermissten Rockstar wurden jede Menge Bücher geschrieben. Meine Sekundärliteratur für diesen Text ist das empfehlenswerte Buch „Withdrawn Traces: Searching For The Truth About Richey Manic“ von Sara Hawys Roberts.

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Was meine Freundin gerne … – die Jubiläumskolumne: Behind the Scenes of Onkel Rosebud

Von Onkel Rosebud

Das ist mein 144. Text für „KrautNick – Hier kriegen Sie was gelernt“. Ich feiere das, denn die 144 ist meine Lieblingszahl, nicht die Lieblingsziffer, wohlgemerkt. Runde Zahlen kann ja jeder zelebrieren. Warum das so ist, gehört nicht hierher. Das weiß nur meine Freundin und das soll bitte so bleiben. Am 7. September 2022 erschienen hier meine ersten beiden Texte (über die TV-Serien „Shtisel“ und „Justify“). Damit setzte ich meine Karriere als Kolumnist mit der Rubrik „Was meine Freundin gerne hört“ fort, die in den 1990er Jahren für eine blaue Mensapost begann und die eine Dekade andauerte. Für KrautNick hat meine Freundin sehen und dann sogar lesen dazu gelernt. Seitdem haue ich fast Woche für Woche einen Beitrag raus und finde es beachtlich, dass ich bisher so lange durchgehalten habe und dass die Serie absehbar nicht abreißen wird. Deshalb möchte ich kurz darlegen, wie und warum ich das mache.

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne Bonusfolge: Ich möchte lieber nicht – Bartleby, der Schreiber

Von Onkel Rosebud

Bei allem, was die Weltliteratur so hergibt, findet meine Freundin neben Kafkas Verwandlung die Geschichte „Bartleby, der Schreiber“ von Herman Melville am abgefahrensten.

Die Handlung geht so: Ein namenloser New Yorker Anwalt in den 1850ern erzählt die Geschichte seines überaus seltsamen Schreibers Bartleby. Zuerst stellt er sich selbst, seine Kanzlei, die Angestellten namens „Puter“, „Beißzange“ und „Pfeffernuß“ mit ihren Eigenheiten vor. Eines Tages erscheint ein junger Mann in der Kanzlei: Bartleby, „sauber, erbarmungswürdig, achtbar und einsam“. Anfangs kopiert dieser Tag und Nacht mit stillem Fleiß und einsiedlerischer Ausdauer. Doch dann beginnt er, die Arbeit ohne Angabe eines Grundes mit den Worten „Ich möchte lieber nicht“ zu verweigern: Bartlebys passiver Widerstand löst in der Runde Rätselraten aus. Wie kann man mit ihm umgehen? Puter meint, gutes Bier könne helfen. Alle diskutieren darüber, während sich Bartleby hinter seinem Wandschirm einrichtet. Der Erzähler versucht, von Bartleby etwas über dessen Leben zu erfahren, um seine Motivation zu verstehen. Aber Bartleby „möchte lieber nicht“ mehr seine Arbeit machen.

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: Prädikat Pädagogisch nicht wertvoll: Alfons Zitterbacke

Von Onkel Rosebud

Alfons Zitterbacke ist die populärste Kinderbuchfigur der DDR. Erfunden wurde sie von Gerhard Holtz-Baumert, einem systemtreuen SED-Funktionär, in den 60er Jahren. Mehrere Bücher erzählen humorvolle, aber auch nachdenkliche Geschichten aus dem Leben eines aufmüpfigen Jungen. So jedenfalls hatte ich die Kindheitserinnerung verklärt abgespeichert. Für diesen Text habe ich noch mal „Alfons Zitterbacke: Geschichten eines Pechvogels“ aus dem Bücherregal meiner Freundin gefischt und war entsetzt.

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: Ich immer sprechen hübsch.

Von Onkel Rosebud

Ich möchte mich festlegen. Der lustigste Satz, den ich je in einem Buch gelesen habe, steht in einer Kurzgeschichte von David Sedaris und lautet: „Sie sehen aus, als könnte ich einen Drink gebrauchen.“ So lautet jedenfalls die Übersetzung aus dem Amerikanischen, wie es immer so heißt. Rätselhaft erscheint mir in dem Zusammenhang die Frage, sprechen Amerikaner nicht mehr oder weniger Englisch? Anyway, die Übersetzung ist von großen Harry Rowohlt. Im Original ist der Satz aber ganz genau so lustig: „You look like I need a drink.“

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: Walter Moers, Sie alte Berghutze.

Von Onkel Rosebud

Wenn meine Freundin nur ein Buch auf eine einsame Insel mitnehmen dürfte, dann wäre das „Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär, Untertitel: Die halben Lebenserinnerungen eines Seebären, mit zahlreichen Illustrationen und unter Benutzung des Lexikons der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller“ (Penguin-Verlag). Von Walter Moers aus Mönchengladbach. Ja genau, der Comic-Zeichner des kleinen Arschlochs und Adolfs, der Nazisau.

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