Die Jagd (Jagten) – Thomas Vinterberg – DK 2012

Von Matthias Bosenick (16.04.2013)

Man fühlt sich von diesem Film unterschwellig manipuliert. Hauptfigur Lucas sowie seine Anta- und Protagonisten agieren auf eine mit dem Mittel der Auslassung versteckte Weise verknappt, reduziert, falsch, so dass sich nur oberflächlich der Eindruck eines sich logisch entwickelnden Plots ergibt. Den Effekt auf den Zuschauer indes reduziert dieser Umstand nur bedingt: Man ist geplättet, wenn man aus dem Kino kommt. Beim Reflektieren jedoch offenbaren sich Lücken in der Authentizität der Ereignisse um den schuldlos des sexuellen Missbrauchs angeprangerten Kindergärtner Lucas (Mads Mikkelsen).

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Frankenweenie – Tim Burton – USA 2012

Von Matthias Bosenick (28.01.2013)

Nach einem Hollywoodfilm („Charlie And The Chocolate Factory“), einem Roman („Alice im Wunderland“), einem Musical („Sweeney Todd“) und einer Fernsehserie („Dark Shadows“) recyclet Tim Burton nun sich selbst. „Frankenweenie“ basiert auf dem gleichnamigen Kurzfilm, den Burton 1984 drehte, noch vor seiner eigentlichen Karriere. Burtons Filme sind zwar in der Regel immer sehenswert, aber solche wie „Sweenie Todd“ und „Dark Shadows“ nur einmal; „Frankenweenie“ in der Neuauflage indes weckt den Wunsch nach Wiederholung. Er hat ein vernünftiges Erzähltempo, geek-erfreuende Filmanspielungen und Hintergrundgags, hanebüchene phantastische Übertreibungen, gewohnt skurrile Charaktere, trotzdem eine plausible Geschichte – und ist, obgleich in Plastilin und 3D, komplett in Schwarzweiß gedreht. Burton scheint all seine Eigenschaften endlich wieder in ein stimmiges Gesamtbild gerüttelt zu haben.

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Django Unchained – Quentin Tarantino – USA 2012

Von Matthias Bosenick (17.01.2013)

Alles rund bei Quentin Tarantino, alte und neue Liebhaber seines skurrilen Humors, seines film- und musikhistorischen Wissens, seiner visuellen Ausdruckskraft, seines Geschichtenerzählens und seiner Dialoge bedient der Regisseur auch in seinem neuesten Genre-Crossover bestens. Dieses Mal mixt der blutrünstige Berserker das 70er-Jahre-Blaxploitation-Kino mit dem Western. Wie schon „Inglorious Basterds“ ist auch „Django Unchained“ erwachsener als die Werke davor; beide Filme eint zudem, dass Tarantino in ihnen historisch und politisch inkorrekt mit menschenverachtenden Systemen aufräumt. Und erneut strickt Tarantino seinen Blutreigen um den wortgewandten Christoph Waltz – allein die Eröffnungssequenz lohnt den Gang ins Kino.

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Beasts Of The Southern Wild – Benh Zeitlin – USA 2012

Von Matthias Bosenick (21.12.2012)

Das ist schon beachtlich: „Beasts Of The Southern Wild“ ist ein Drama ohne Dramaturgie. Mit seinem Langfilmdebüt gelingt es Benh Zeitlin, mit verwackelten Bildern eine dünne Geschichte langweilig zu erzählen. Immerhin: Für die Musik ist er auch verantwortlich, und die, irgendwo zwischen Folk und Jazz ohne spezifische Herkunftszuordnung, ist gut und mit Bedacht eingesetzt. Ansonsten bleibt der Film hinter seinen Möglichkeiten zurück, soweit man das sagen kann bei einem Film, der nur wenig preisgibt.

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Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte – Lars Jessen – D 2012

Von Matthias Bosenick (11.12.2012)

Überhaupt eine Mockumentary zu drehen, ist schon ein gewagtes Unterfangen. Zu sehr strahlt „This Is Spinal Tap“ über allem. Da bedarf es schon einiger Qualitäten, um sich in dem Genre überzeugend zu positionieren. Studio Braun und Lars Jessen haben diese Qualitäten, insbesondere Humor, Beobachtungsgabe, Fabulierungskunst und bereitwillige Mitstreiter. „Fraktus“ erfüllt indes keine der Qualitäten, die man von einer deutschen Komödie erwartet, und ist somit ein sehr guter und witziger Film.

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LCD Soundsystem – Shut Up And Play The Hits – Will Lovelace & Dylan Southern – USA 2012

Von Matthias Bosenick (07.12.2012)

James Murphys kleines Bandprojekt LCD Soundsystem stach von Anfang an aus der Masse der Nullerjahrebands heraus. Murphy war bereits erwachsen, als er das Projekt ins Leben rief, und nicht minder erwachsen war seine Entscheidung, es auf dem Höhepunkt des Ruhms zu beenden. Furios gar, mit einem dreieinhalbstündigen Konzert im New Yorker Madiscon Square Garden. „Shut Up And Play The Hits“ begleitet Murphy rund um den 2. April 2011, den emotional bewegenden Schicksalstag dieses Konzertes. Die DVD beinhaltet als Bonus das gesamte Konzert, das mit noch mehr wundervollen Momenten bespickt ist, als der Film zeigt. Alles großartig, bis auf das Ende.

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Inuk – Mike Magidson – F/DK 2012

Von Matthias Bosenick (12.11.2012)

Ein reiner Film aus Grönland ist „Inuk“ gar nicht, wie es der erste Anschein erweckte: Das Filmteam stammt aus Frankreich, der Regisseur – trotz skandinavischen Namens – aus San Francisco. Was man auch merkt, so sehr, wie der Soundtrack kleistert. Aber es geht ja um die Bilder, und die sind, der kostengünstigen Handkamera zum Trotz, mindestens beeindruckend. Es macht sich bemerkbar, dass dem Film eine Dokumentation zugrunde liegt, denn die Handlung als solche ist wahrhaft schmal. Adoleszenz in der Grönländischen Realität im Kontrast zum kulturellen Erbe ist das Thema. Den Grönländischen Anteil am Film machen die vor Ort gecasteten Laiendarsteller aus, vor deren Arbeit man Respekt haben muss. „Inuk“ ist insgesamt eher „Die Geschichte vom weinenden Kamel“ als „Atanarjuat“.

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Camera Shy – Mark Sawers – CDN 2012

Von Matthias Bosenick (07.11.2012)

Die Idee ist so großartig und so naheliegend, dass man sich wundert, dass sie vorher noch niemand hatte. Nicht nur das: Das Drehbuch bleibt konsequenz und zieht mit allen erdenklichen möglichen Folgen bis zum Ende durch. Der ganze Film ist eine durchgehende Meta-Geschichte: Ein korrupt werdender Stadtrat aus Vancouver glaubt infolge einer Psychose, immerzu von einem Kameramann gefilmt zu werden. Der Clou daran ist, dass der Zuschauer den Film aus der Sicht des imaginären Kameramanns sieht. Und hämisch grinsend verfolgt, wie der Politiker Zug um Zug sein ganzes Leben versaut. Großartig.

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The Angels‘ Share – Ken Loach – GB/F/B/I 2012

Von Matthias Bosenick (24.10.2012)

Wenn Ken Loach eine Komödie dreht, dann nicht ohne die bittere, knallharte Realität. In „The Angels‘ Share“ lässt er schottische jugendliche Verbrecher den teuersten Whisky der Welt stehlen, um davon ein neues Leben ohne Verbrechen beginnen zu können. Auch ein Realist wie Loach hat Sehnsucht nach der heilen Welt; nur ein Bruchteil der Welt in „The Angels‘ Share“ indes ist heil und hoffnungsvoll, und nur der Kontrast zur unkontrollierten Gewalt lässt diesen Bruchteil am Ende umso heller straheln und beim Betrachter als positiven Sozialisierungs-Erfolg durchgehen. Wie gewohnt punktet Loach mit von der Straße weg gecasteten Darstellern und einer schlüssigen Geschichte.

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Holy Motors – Leos Carax – F/D 2012

Von Matthias Bosenick (30.09.2012)

Einen Film wie „Holy Motors“ hat es vermutlich wirklich noch nie gegeben: Er ist kein Film mit einer stringenten Geschichte; dafür mit einem Dutzend Geschichten, die in sich schlüssig sind, aber in keinem Zusammenhang zueinander stehen, bis auf den, den Carax erfand, um aus seinen kleinen Skizzen einen Gesamt-Film zu machen: Er lässt einen Mann, M. Oscar (Denis Lavant), in einer Stretchlimo durch Paris fahren, sich verkleiden und als jeweils anderer Charakter die verschiedenen Geschichten erleben. Im Verlauf trifft M. Oscar überraschend auf andere Realitäten-Darstellende; die im Film tatsächliche Realität ist jedoch nicht so einfach zu entschlüsseln, und wenn man Anfang und Ende betrachtet, erscheint „Holy Motors“ gar wie eine Abrechnung mit dem zeitgenössischen Kino. Die Geschichten sind dabei mindestens nachdenklich, manchmal (optische) Fingerübungen, stets dunkel und so gut wie nie positiv. So ist „Holy Motors“ zwar absolut sehenswert, aber einmal reicht wahrscheinlich.

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