Gravity – Alfonso Cuarón – USA/GB 2013

Von Matthias Bosenick (06.10.2013)

„Gravity“ ist der erste Hollywoodfilm seit Ewigkeiten, der so richtig und umfassend begeistert, und der einen speziellen Fakt umso nachdrücklicher deutlich macht: welcher haarsträubende Scheiß in Hollywood nämlich für extrem viel Geld ansonsten so produziert wird. „Gravity“ sticht solitär aus der Masse bestenfalls halbgarer Ideen heraus. Dabei ist die Grundidee so simpel, dass man sich wundert, warum es den Film nicht längst schon gibt: Zwei Astronauten versuchen nach einer technischen Katastrophe, lebend zur Erde zurückzukehren. Mehr nicht. Wie aber Cuarón das Ganze filmisch umsetzte, setzt Maßstäbe. Dafür wurden Special Effects erfunden. Und das war sicherlich auch der Grund, warum der Film erst 2013 herauskam: Die Technik war noch nicht so weit.

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The World’s End – Edgar Wright – GB 2013

Von Matthias Bosenick (15.09.2013)

Der dritte Teil der so genannten Cornetto-Trilogie (oder auch: „The Blood And Ice Cream Trilogy“) enttäuscht leider. Das bewährte Team will zu viel und bringt vom Relevanten zu wenig. Das Drehbuch wirkt unausgegoren. Auch die filmischen Kniffe, die das bisherige Werk – „Shaun Of The Dead“ und „Hot Fuzz“ – zusätzlich zu Ideenreichtum, Geschichte, Humor und Tricks so sehenswert machen, treten hier zugunsten einer enorm konventionellen Darstellung zurück. So nähert sich das Britische Team letztlich Hollywood eher an, als dass es ihm einen Gegenentwurf liefert. Die in die Story gepresste Sache mit den Kampfrobotern untermalt diesen Eindruck noch. Sie sind zwar das Gimmick des Films, aber der wäre eindeutig besser ohne sie ausgekommen, wenn sich das Team auf das Ursprungselement mit den verschiedenen Lebensentwürfen der Hauptfiguren und den daraus resultierenden Konflikten konzentriert hätte.

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La grande Bellezza – Paolo Sorrentino – I/F 2013

Von Matthias Bosenick (27.07.2013)

Dieser Film ersetzt rund zehn Tage Italienurlaub, ist auch beinahe so lang, kommt einem aber deutlich kürzer vor. Regisseur Paolo Sorrentino als 43-Jähriger zählt ja beinahe noch zu den jungen Regisseuren, „La grande Bellezza“ ist auch erst sein dritter Film, der hierzulande überhaupt Beachtung findet. Also freut es umso mehr, einen Quasi-Newcomer dabei zu beobachten, wie er seinen preisenswerten Stil ausbaut und einmal mehr einen Film klassischer europäischer Machart dreht, bei dem Ästhetik, Aussage, Inhalt und Schauspieler stimmen. Da erscheinen 147 Minuten glatt kurzweilig. Der Film hätte auch länger dauern können, ganz wie ein zehntägiger Italienurlaub.

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Fliegende Liebende (Los amantes pasajeros) – Pedro Almodóvar – E 2013

Von Matthias Bosenick (05.07.2013)

Was heißt eigentlich „Enfant terrible“ auf Spanisch? Als ein solches ist Pedro Almodóvar zwar bekannt, aber das heißt nicht zwangsläufig, dass er sich auf diesem Ruf ausruhen muss. Leider tut er das in „Fliegende Liebende“, der eigentlich „Fliegende Schwanzlutschende“ heißen müsste: Von Liebe keine Spur. Für das Verständnis des Films ist es anscheinend nicht unerheblich, des Meisters Intentionen zu kennen, und alljenen, denen die Vorabinformationen fehlen, kredenzt Almodóvar leider keinen Film, der trotzdem bestens funktioniert. Indes, auch mit den Infos funktioniert der Film nicht.

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No (¡No!) – Pablo Larraín – Chile/USA 2012

Von Matthias Bosenick (16.05.2013)

Das Thema ist gut und wichtig und sicherlich nicht zufällig heute gewählt (wenngleich unglücklicherweise wahrscheinlich jederzeit die richtige Zeit dafür ist): Die Geschichte von dem Werbefilmerteam, das in den 80er Jahren mit 27 fünfzehnminütigen Werbefilmen die Bevölkerung davon überzeugen soll, gegen Diktator Augusto Pinochet – also mit „No“ – zu stimmen, und damit auch Erfolg hat. Wünscht man sich jederzeit möglich, auch heute. Friedliche Revolution mit Erfolg, das verhasste System gekippt. Der Film wäre allerdings wirkungsvoller, wenn er nicht so zäh wäre und sich nicht stilistisch so pseudo-experimentell auf 80er getrimmt ausgenommen hätte.

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Der Tag wird kommen (Le grand soir) – Benoît Delépine & Gustave Kervern – F 2011

Von Matthias Bosenick (12.05.2013)

Der Film kommt spät nach Deutschland, aber überhaupt, und das ist gut so, denn es wäre sonst ein immenses Versäumnis. So kompromisslose Filme im Stile der Indie-Filmer der 90er sind selten geworden, auch das einst innovativere, eigenständigere Kino aus Europa konzentriert sich seit langem leider auf massenkompatible Wiederholung derselben Themen. Mit ihrem dritten Film „Louise-Michel“ überraschten Benoît Delépine und Gustave Kervern 2007, Nachfolger „Mammuth“ (Hauptdarsteller Gérard Depardieu hat in „Der Tag wird kommen“ eine winzige witzige Nebenrolle) schielte hingegen auf den Markt, der neue „Der Tag wird kommen“ nun nimmt den Gestus von „Louise-Michel“ wieder auf. Der Film besticht mit einer ungewöhnlichen Handlung, noch viel mehr aber damit, wie er diese Handlung erzählt.

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Searching For Sugar Man – Malik Bendjelloul – GB/S 2012

Von Matthias Bosenick (26.04.2013)

Ein netter Film, hübsch anrührend, positiv, gemütlich, gefühlsecht. Der erfolglose Songwriter Sixto Rodriguez aus Detroit erscheint hier als sympathischer Ruhm- und Kommerzverweigerer voller Demut, untypisch für unsere Zeit. Die Dokumentation zeigt auch die Suche einiger südafrikanischer Fans nach dem für tot gehaltenen Sänger. Dafür gab’s zuletzt einen so genannten Oscar. Betrachtet man indes die erzählte wahre Geschichte, stellt man fest, dass die nicht allzu umfangreich ist – und einige Fragen aufwirft.

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Die Jagd (Jagten) – Thomas Vinterberg – DK 2012

Von Matthias Bosenick (16.04.2013)

Man fühlt sich von diesem Film unterschwellig manipuliert. Hauptfigur Lucas sowie seine Anta- und Protagonisten agieren auf eine mit dem Mittel der Auslassung versteckte Weise verknappt, reduziert, falsch, so dass sich nur oberflächlich der Eindruck eines sich logisch entwickelnden Plots ergibt. Den Effekt auf den Zuschauer indes reduziert dieser Umstand nur bedingt: Man ist geplättet, wenn man aus dem Kino kommt. Beim Reflektieren jedoch offenbaren sich Lücken in der Authentizität der Ereignisse um den schuldlos des sexuellen Missbrauchs angeprangerten Kindergärtner Lucas (Mads Mikkelsen).

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Frankenweenie – Tim Burton – USA 2012

Von Matthias Bosenick (28.01.2013)

Nach einem Hollywoodfilm („Charlie And The Chocolate Factory“), einem Roman („Alice im Wunderland“), einem Musical („Sweeney Todd“) und einer Fernsehserie („Dark Shadows“) recyclet Tim Burton nun sich selbst. „Frankenweenie“ basiert auf dem gleichnamigen Kurzfilm, den Burton 1984 drehte, noch vor seiner eigentlichen Karriere. Burtons Filme sind zwar in der Regel immer sehenswert, aber solche wie „Sweenie Todd“ und „Dark Shadows“ nur einmal; „Frankenweenie“ in der Neuauflage indes weckt den Wunsch nach Wiederholung. Er hat ein vernünftiges Erzähltempo, geek-erfreuende Filmanspielungen und Hintergrundgags, hanebüchene phantastische Übertreibungen, gewohnt skurrile Charaktere, trotzdem eine plausible Geschichte – und ist, obgleich in Plastilin und 3D, komplett in Schwarzweiß gedreht. Burton scheint all seine Eigenschaften endlich wieder in ein stimmiges Gesamtbild gerüttelt zu haben.

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Django Unchained – Quentin Tarantino – USA 2012

Von Matthias Bosenick (17.01.2013)

Alles rund bei Quentin Tarantino, alte und neue Liebhaber seines skurrilen Humors, seines film- und musikhistorischen Wissens, seiner visuellen Ausdruckskraft, seines Geschichtenerzählens und seiner Dialoge bedient der Regisseur auch in seinem neuesten Genre-Crossover bestens. Dieses Mal mixt der blutrünstige Berserker das 70er-Jahre-Blaxploitation-Kino mit dem Western. Wie schon „Inglorious Basterds“ ist auch „Django Unchained“ erwachsener als die Werke davor; beide Filme eint zudem, dass Tarantino in ihnen historisch und politisch inkorrekt mit menschenverachtenden Systemen aufräumt. Und erneut strickt Tarantino seinen Blutreigen um den wortgewandten Christoph Waltz – allein die Eröffnungssequenz lohnt den Gang ins Kino.

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