The Death And Resurrection Show – Shaun Pettigrew – UK 2013

Von Matthias Bosenick (08.11.2015)

Ein wahrhaftiger Ritt durch zu dem Zeitpunkt 34 Jahre Killing Joke liefert Shaun Pettigrew in satten 150 Minuten. Trotz der epischen Länge muss er die Stationen abhetzen und bei aller Vollständigkeit noch einige Punkte offen lassen. Seine Erzähllinearität ist angenehm, seine Bildsprache wegen des Tempos bald anstrengend, aber doch passend, da es gilt, unzählige Quellen so zusammenzumontieren, dass die Qualität homogen wirkt. Bleibt zu erwähnen, dass sich die Band zeitlebens mit Magie und Okkultismus zum Horst macht und ihr leider tatsächlich irgendwie charismatischer Frontmann Jaz Coleman zwar dicke einen an der Klatsche hat, aber oft genug auch einfach mal richtig liegt in seinen gesellschaftspolitischen Betrachtungen. Und die Mucke von Killing Joke ist nicht nur variantenreich, sondern auch fast immer geil. Einschränkend muss erwähnt sein, dass sich der Film wohl vornehmlich an Fans der Band richtet.

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Embrace Of The Serpent (El abrazo de la serpiente) – Ciro Guerra – KOL/VEN/ARG 2015

Von Matthias Bosenick (06.11.2015)

Ein in vieler Hinsicht spannender Film ist „Embrace Of The Serpent“: Das südamerikanische Zwei-Stunden-Werk zeigt zwei Handlungen parallel, die sich zeitlich versetzt um einen Schamanen aus dem Urwald drehen, der jeweils einem weißen Forscher bei dessen Suche hilft. Dafür überqueren sie jedes Mal dieselbe Strecke auf dem Amazonas. Man verfolgt dabei die Entwicklung, wie sich der Urwald und der vermeintlich aufgeklärte Westen Anfang bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts zueinander verhielten. Das Ergebnis ist optisch ansprechend in Schwarzweiß gehalten und pendelt inhaltlich zwischen poetischen Betrachtungen, philosophischen Auseinandersetzungen und unmenschlichen Handlungen. Die Kulturen begegnen sich hier auf Augenhöhe; der „Wilde“ ist dem „Weißen“ nicht per se unterlegen, sie sind gleichwertig und gleichstark, das macht es noch angenehmer, diesen Trip zu begleiten.

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Der Bunker – Nikias Chryssos – D 2014

Von Matthias Bosenick (05.11.2015)

Dem Film eilt der selbstherrliche Ruf voraus, dass man ihn entweder hasse oder liebe. Damit macht man sich es einfach, wenn man meint, Obskurität allein sei ausreichend, um im Idealfalle geliebt zu werden. Der Schuss kann gepflegt nach hinten losgehen, wenn man nicht mehr als das zu bieten hat. „Der Bunker“ hat; zum unumwundenen Lieben reicht aber auch das nicht aus, es gibt schließlich unendliche Welten zwischen Hass und Liebe. Licht und Ton sind brillant, viele Ideen sind besonders; und doch: Nachhaltig behält man diesen Film über die Familie, die in einem Bunker lebt und einen wohnungslosen Studenten in ihre teilweise ungesetzlichen Erziehungsmethoden einbindet, wohl nicht im Herzen.

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Theory Of Obscurity: A Film About The Residents – Don Hardy Jr. – USA 2015

Von Matthias Bosenick (04.11.2015)

Der Film über die Residents ist so schräg wie die Band und wird ihr damit im Grunde gerecht. Wer nun erwartete, nach anderthalb Stunden echte Blicke hinter die Augenmaskerade zu bekommen, hat das Konzept nicht verstanden. Auch ist „Theory Of Obscurity“ keine chronologische Nacherzählung der Bandgeschichte, sondern vielmehr eine Betrachtung des Effektes, den die Band auf ihr Umfeld, die Medien und die Musikszene an sich hat. Immer noch, sie sind nämlich weiterhin aktiv. Der Film beinhaltet zwar den üblichen Mix aus Archivmaterial, Liveperformances und Interviewsequenzen, aber eben mit einer anderen Strukturierung. Am Ende will man den Kühlschrankinhalt haben, den das Museum Of Modern Art erwarb.

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Itsi Bitsi (Steppeulven) – Ole Christian Madsen – DK 2014

Von Matthias Bosenick (04.11.2015)

Puh. Ambivalent ist das Mindeste, was man über den international auf „Itsi Bitsi“ getauften Film „Steppeulven“, also „Steppenwolf“, sagen kann: Er zeigt die Geschichte von Eik Skaløe, einem Dänen, der in den Sechzigern Teil der Gegenkultur war und sich nach nur einem, aber in seiner Heimat gefeierten, Album „Hip“ seiner den Originaltitel gebenden Band umbrachte. Als Blick in die Verhältnisse wäre „Steppeulven“ sicherlich gut gewesen, doch verlegt sich Regisseur Ole Christian Madsen leider darauf, plakativ und oberflächlich den Dreisatz aus Sex, Drogen und Rock’n’Roll abzubilden. Dabei bedient er sich ausschließlich althergebrachter filmischer Klischees, und es gelingt ihm dabei zu allem Überfluss, gleichzeitig stressig zu erzählen und keine Inhalte zu liefern. In Dänemark scheint der Film jedoch funktioniert zu haben; dafür gibt es wohl plausible Erklärungen.

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Men & Chicken (Mænd & høns) – Anders Thomas Jensen – D/DK 2014

Von Matthias Bosenick (19.07.2015)

Über „Dänische Delikatessen (De grønne slagtere)“ und „Adams Äpfel (Adams æbler)“ lachte man vor zwölf und zehn Jahren, weil man den Humor schwarz und subversiv fand. Mit dem Blick zurück als, nun, etwas Erwachsenerer beschleicht einen der Eindruck, dass die Filme doch recht albern und nur pseudoprovokant waren. Regisseur Anders Thomas Jensen und sein damaliges Ensemble legen nun mit „Men & Chicken“ nach, und mit dem Eindruck der Vorgänger im Hinterkopf und dem doch recht klamaukigen Trailer vor Augen fragt man sich, ob man sich den Film wirklich antun muss. Man überredet sich selbst und kommt zu Folgendem: einer halben Handvoll guter Gags sowie der Erkenntnis, dass man sich den Film dafür nicht antun muss.

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Victoria – Sebastian Schipper – D 2015

Von Matthias Bosenick (22.06.2015)

Eine Achterbahnfahrt, sowohl visuell als auch inhaltlich, ist Sebastian Schippers erst vierte Regiearbeit „Victoria“. Im Vordergrund der Berichterstattung über diesen Film steht nicht ohne Grund die Form: Die knapp 140 Minuten sind nämlich an einem Stück gedreht. Doch anders als in Hollywood, wo marginal von der Norm abweichende Effekte schon ausreichen, um einen Film daraus zu machen, weil der Rest dann einfach willkürlich aus dem Drehbuchbaukasten bestückt wird, kombiniert Schipper sein Experiment mit einem überzeugendem und emotional so wechselhaftem wie mitreißendem Plot, dazu überwältigend gut passenden Schauspielern sowie einer Kameraarbeit, die sich nicht darauf beschränkt, einfach nur permanent eingeschaltet zu sein. Alles zusammen lässt den Zuschauer bisweilen vergessen, mit welchen eigenwilligen Mitteln dieser Thriller gedreht ist. Damit akzeptiert man dann auch bereitwillig die nur wenigen Untiefen im Verlauf der Handlung. Respekt vor diesem Werk.

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Jurassic World – Colin Trevorrow – USA 2015

Von Matthias Bosenick (12.06.2015)

Der Film fängt noch viel beschissener an, als man zu fürchten wagte: US-Amerikanische heile Welt, glückliche Familie mit zwei Kindern, davon ein frisch verliebter Teenager, der unbeholfen von seiner Auserwählten Abschied nimmt. Alles in Pastell, in altbekannten Dialogen, mit Dudelmucke unterlegt, kitschig-süßlich arrangiert. KOTZ!!! Das ist unfassbar schlimm. Das Allerschlimmste daran ist, dass das zwar ironisch aussieht, oder besser: dass man hofft, es sei zumindest ironisch gefärbt, dass es aber komplett ernst gemeint ist. Die wollen einem ernsthaft als Rahmenhandlung zu einem Dinosaurier-Actionfilm so einen kindertauglichen RomCom-Schwachsinn andrehen. Und bei dieser Rezeptur bleibt es: Keine Figur ist auch nur halbwegs durchdacht, sie agieren und reden allesamt und durchgehend stereotyp. Damit sind auch fast alle Zwangsgags vorhersehbar. Inklusive dem Showdown, und dabei fällt einem ein, dass es ja auch noch animierte Dinosaurier in dem Film gibt. Ja, die Reptilienpassagen sind ansehnlich und turbulent und besonders in 3D sehenswert. Sie rechtfertigen aber den gehirnschmelzenden Scheiß drumherum nicht.

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A Girl Walks Home Alone At Night – Ana Lily Amirpour – USA 2014

Von Matthias Bosenick (28.05.2015)

Wäre die Handlung blöd, man hätte trotzdem ein riesiges Vergnügen an diesem Film, denn Ana Lily Amirpour liefert eine einhundertminütige Sammlung großartiger Bilder, mit allen Tricks und Kniffen, die die Filmkunsttheorie so hergibt. Nun hat man zusätzlich das Glück, dass die Handlung zwar sperrig und entschleunigt, aber gut ist, also einen Mehrwert, der den schwarzweißen „A Girl Walks Home Alone At Night“ mit stark westlicher Prägung alternativer Art und vermutlich orientalischem Erzählstil nicht zu einem genretypischen Vampirfilm verkommen lässt.

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Leviathan – Andrey Zvyagintsev – RUS 2014

Von Matthias Bosenick (03.05.2015)

Ein zähes Werk legt Andrey Zvyagintsev mit seinem systemkritischen 140-Minuten-Drama „Leviathan“ vor. Zäh deshalb, weil die Handlung dünner ist, als es die Dauer des Films suggeriert, und weil die Geschichte in der Mitte vom Politthriller zum Drama kippt. Das mag typisch russisch sein, das mag auch ästhetisch ansprechend gefilmt sein, aber die Drama-Teile konterkarieren zu sehr die guten Polit-Ansätze und damit auch die beabsichtigte Aussage, dass das System im Russland dieser Tage nur mit Korruption funktioniert. Wenn einen die Hauptfigur auch noch wie hier sehr gleichgültig lässt, ist einem ihr Schicksal dummerweise reichlich egal, besonders dann, wenn es auch noch zu einigen Anteilen selbstverschuldet ist. Typisch russisch sind überdies die Dialoge, die zu den definitiv attraktiven Momenten in „Leviathan“ zählen.

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