Von Matthias Bosenick (22.11.2023)
Geil, geht gleich los mit einem Bass-E-Gitarre-Groove, wie man ihn sich mitreißender im psychedelischen Stoner-Rock-Bereich nicht ausmalen kann: Mit „Right Place, Wrong Time“ holen Anuseye aus Bari den Kiffermuckefan nicht nur da ab, wo er steht, sondern bringen ihn auch da hin, wo er hingehört: in erweiterte Zustände, aber mit Feuer nicht nur am Ende des Joints, sondern auch unterm Hintern. Es braucht vier Songs, um erstmals in zugedröhnt-taumelige Sphären abzudriften, und fünf, um sich mal vor dem Kühlschrank herumlungernd auszuruhen, ansonsten mostet das Quartett meistens mächtig vorwärts. Auch wenn Anuseye dem Genre treu dienlich sind, hört man sie immer heraus; liege es an Claudio Colaiannis zurückgelehntem Gesang, an den ungewöhnlichen Akkordfolgen oder an den immerhin noch dezent eingestreuten Experimenten. Das Vinyl ist türkis, die drei fehlenden Songs der Streaming-Variante dieser wechselvollen Reise um die Welt gibt’s im Download obendrauf.
Archiv der Kategorie: Download
Synapse – Alter Echoes – Synapse 2023
Von Matthias Bosenick (08.11.2023)
Eine EP mit sechs Pop-Coversongs ist das dritte Lebenszeichen des französischen Prog-Metal-Quintetts Synapse. Die Auswahl der Originale ist dem Metal sehr, sehr fern und schreckt auch vor Kitsch nicht zurück, ebenso wenig in einigen Momenten die Umsetzung. Die indes wartet mit allerlei Prog-Metal-typischen Bestandteilen auf, Gniedelsoli, Blastbeatattacken, opulente Epik, Synthiespielereien und spielerischer Finesse. Synapse spielen die Songs nicht einfach nach, sie komponieren sie um und lassen vertraute Bestandteile bestehen, um den Kontrast zwischen Original und ihrer Version zu erhöhen. An manchen Stellen ist die Stimme zu hoch und klar, ansonsten gibt’s im Sinne der Sache nix zu mäkeln, sofern sie einem liegt.
B. Ashra – Drei Veröffentlichungen – Klangwirkstoff Records/Separated Beats 2023
Von Matthias Bosenick (25.10.2023)
Kaum ist der Sommer vorbei, schwingt sich Bert Olke alias B. Ashra aus seiner sonnenbeschienenen Hängematte und erarbeitet gleich drei Releases mit – Dark Ambient, Ambient, spaciger Instrumental-Synthiemusik, Drones, also lauter Sachen, die man mit Sonne eher nicht assoziiert. „Gnome“ ist eine getragene Piano-Ambient-Single, „Dark Moments“ löst sein titelgebendes Versprechen mit dunkelsten Soundscapes ein und „Aurora“ ist ein chilliges Livealbum, das er Anfang Juni beim Open Ear Ambient Festival in der Fränkischen Schweiz mitschnitt. So darf es gern Herbst werden!
Tobi Morare – Urban Heat – Separated Beats 2023
Von Matthias Bosenick (20.09.2023)
Soundtüftler Tobi Morare kategorisiert seine neue EP „Urban Heat“ als Hip Hop, womit er grundsätzlich selbstredend richtig liegt, doch ist sein Horizont weiter als das, weshalb er in der knappen Viertelstunde Musik noch ganz viele andere Sounds der Neunziger unterbringt, Kruder-&-Dorfmeister-Downbeat oder Reggae etwa. Seine samplebasierten Tracks kommen ohne Stimme aus und eignen sich bestens dazu, in der brütenden Sommerhitze mit dem heruntergekurbelten Fenster durch die Stadt zu juckeln. Chillig am Strand lümmeln mit einem farbenfrohen Getränk in der Hand geht auch. Und der Kopf beginnt sofort zu nicken.
Araf – Bathrah – Antibody 2023
Von Matthias Bosenick (15.08.2023)
Der Sound der EP „Bathrah“ ist nahe dem frühen Wave, also synthetische Drums und introvertiert gegniedelte Gitarre, aber da es das ja schon seit 40 Jahren gibt, das Duo Araf da aber trotzdem etwas Eigenes draus stricken will, kombiniert es diese Musik mit der aus dem Nahen Osten und Westarabien. Othman Cherradi (alias Prophän, Marokko) und Joseph Jadam (alias Maltash, Libanon) halten den Gesang der vier Stücke ihrer in Brüssel aufgenommenen EP auf Arabisch, der Musik dazu gelingt der Spagat zwischen früher und heute, zwischen Europa und Arabien, zwischen Gothic und Folklore, ohne dass irgendetwas davon merkwürdig wirkt. Aber dafür angenehm deprimierend.
Andris Zeiberts – Jazzkeller – Bartling Schallplatten/JAW Records 2023
Von Matthias Bosenick (24.07.2023)
Man kann es nicht anders sagen, aber nach Carsten Bohn hatte einfach jeder Schwierigkeiten, mit seiner Hörspielmusik, nicht nur für das Europa-Label und Hauptserien wie Die drei ???, Fünf Freunde oder TKKG, an dem grandiosen Oeuvre des Frumpy-Schlagzeugers anzuknüpfen und trotzdem eine eigenen Note einzubringen. Seit fast 30 Jahren trägt Andris Zeiberts nun Musik nach Europa, und weil das Interesse an Hörspielmusik ungebrochen groß ist, bringt er seine Beiträge jetzt ebenfalls gebündelt heraus. Aus Platzgründen schaffen es leider nur 14 von 24 Tracks auf die Vinyl-Version, aber da Zeiberts und sein Herausgeber Felix Bartling wissen, was die Leute wollen, lassen sie die Tracks weg, die nicht direkt mit den Drei Fragezeichen verknüpft sind, und ermöglichen den Zugriff auf das alles den Rest wenigstens per Download. Der Titel „Jazzkeller“ sagt überdies schon aus, dass Zeiberts‘ Musik der von Bohn noch recht nahe kommt: Hier stecken mehr gespielte Instrumente drin als in den rein elektronisch erzeugten Soundtracks der Kollegen. Und ja, die Stücke der LP kennt man alle, sofern man Hörspiele hört, zum Teil auch schon von der Neuauflage der Drei-Fragezeichen-Folge 29, „Die Originalmusik“.
Ed Wilcox + Michel Kristof Duo – Au fond de la coulisse – Muteant Sounds Netlabel 2023
Von Matthias Bosenick (22.06.2023)
Nervöse Musik von entspannten Leuten: Ihr gemeinsames Album mit der Charles-Baudelaire-Zeile „Au fond de la coulisse“ als Titel (aus „Les Fleurs du mal“) verschenken die Impro-Initiatoren Ed Wilcox aus Philadelhia und Michel Kristof aus Paris, die ihrem Projekt lediglich das „Duo“ als Namenszusatz anhängen. Ausschließlich mit Schlagzeug sowie E-Gitarre, Piano oder Cembalo ausgestattet, setzten sich die beiden ins Studio und frickelten fröhlich vor sich hin. Dabei entstand eine Art Jazz, wenn man so will, dem auf weiten Strecken weder Takt noch Melodie zugewiesen sind, sondern eine Stunde lang mal versunken, mal nach außen gewandt frei bearbeitetes Instrumentarium – und das komplett unbearbeitet, einfach mitgeschnitten. Damit schlagen die beiden eine Brücke zwischen Arthur Doyle und Sonny Simmons, für die jeder jeweils musizierte. Beides Freejazz-Saxophonisten, und doch verzichten Kristof und Wilcox bei ihrem Tribut auf exakt jenes Instrument und besinnen sich auf ihre Kernkompetenzen. Und auf Baudelaire.
Fiesta Alba – Fiesta Alba EP – Neontoaster Multimedia Dept. 2023
Von Matthias Bosenick (13.06.2023)
Ein wahres Feuerwerk an Stilen vermengt das anonym maskierte italienische Quartett mit dem spanischen Namen Fiesta Alba auf seiner selbstbetitelten Debüt-EP. Die fünf Tracks in 19 Minuten sind grenzenlos und explosiv, dabei erstaunlich kohärent – und das hochenergetische Zappeln fördernd. Die „Fiesta Alba EP“ ist die beste Lösung für die Problematik, dass es im Jahre 2023 einfach schon alles gibt: Crossover, alles zusammenrühren, was da ist, und daraus etwas Neues, Originäres kreieren. Und das gelingt hier, trotz dezent wiedererkennbarer Quellen, auf der Höhe der Zeit, und nicht als Retro-Aufguss. Was sicherlich auch an den vielen Gästen liegt, die diese EP mitgestalten. Ein Fest der Morgendämmerung – so geht das!
Weiterlesenзелёный дядя u сёрферы чёрной дыры – Коллективная безответственность – Black Hole Surfers 2023
Von Matthias Bosenick (03.05.2023)
Vier Songs, vier Genres: Endachtziger-The-Cure, Orgel-Surf-Sixties-Garage, Speed-Spacerock-Stoner und zuletzt Electro-Surf-Cowpunk-Polka, alles mit Druck und einer hörbaren schlechten Laune, angesichts der Lage, in der sich Musiker aus Russland befinden, die mit gewissen Aktivitäten ihrer Landesfürsten nicht einverstanden sind und dafür womöglich Repressalien zu erdulden haben, sowie einer grandiose Spielfreude, die es mit sich bringt, dass das Quartett зелёный дядя u сёрферы чёрной дыры (wörtlich: „Grüner Onkel und die Surfer des Schwarzen Lochs“, international: Black Hole Surfers) aus Нижний Новгород (Nischni Nowgorod) innerhalb ihrer Songs den ohnehin schon wilden Genres nicht treu bleiben und herumimprovisieren.
Spezial: addicted/noname Label aus Moskau, Teil 14
Von Matthias Bosenick (01.03.2023)
Ein kleiner Blick in die zurückliegenden Monate und wie sie sich auf das fabelhafte Moskauer Label addicted/noname auswirkten. Zu finden ist wie immer eine breite Palette an Stilen und Sounds: Flötendominierter Psychedelic Rock mit Бур, psychedelischer Doom mit Spaceking, tanzbarer Avantgarde-Indierock mit ЛАНЬ, vielseitiger Black Metal mit Gigrøma, melodischer In-die-Fresse-Thrash-Doom mit Crust und schleppender Hardcore-Sludge mit Erbo.