Fiesta Alba – Fiesta Alba EP – Neontoaster Multimedia Dept. 2023

Von Matthias Bosenick (13.06.2023)

Ein wahres Feuerwerk an Stilen vermengt das anonym maskierte italienische Quartett mit dem spanischen Namen Fiesta Alba auf seiner selbstbetitelten Debüt-EP. Die fünf Tracks in 19 Minuten sind grenzenlos und explosiv, dabei erstaunlich kohärent – und das hochenergetische Zappeln fördernd. Die „Fiesta Alba EP“ ist die beste Lösung für die Problematik, dass es im Jahre 2023 einfach schon alles gibt: Crossover, alles zusammenrühren, was da ist, und daraus etwas Neues, Originäres kreieren. Und das gelingt hier, trotz dezent wiedererkennbarer Quellen, auf der Höhe der Zeit, und nicht als Retro-Aufguss. Was sicherlich auch an den vielen Gästen liegt, die diese EP mitgestalten. Ein Fest der Morgendämmerung – so geht das!

„Laundry“ beginnt mit einem Gitarrenlick, das direkt dem Afrobeat entnommen zu sein scheint, zu einer groovend-kopfnickbaren Nicht-Afrobeat-Musik, die gewichtig, schwer wirkt, nicht so fröhlich wie die dazu gedudelte Gitarre, und einem Gesang, der an den von Chris Connelly und somit Pigface und Verwandte erinnert. Diesen Gesang steuert als erster Gast Nicholas Angeletti alias Welle bei, und er hat den durchdringenden, gedehnten, nachdrücklichen Tonfall von Connelly im Blut. Und wütendes Geschrei, kein Wunder, macht ja auch nicht immer Spaß, die Wäsche machen zu müssen. „Juicy Lips“ veredelt DJ Sensational stimmlich, und dieser Song beginnt wie Neunziger-Industrial mit technoiden Synthieeffekten, zu denen sich bald wiederum eine Afrobeat-Gitarre gesellt, die eine knappe Figur unablässig wiederholt; es wird hektisch, nervös und destruktiv, zersetzt sich, unterbricht sich, setzt sich hektisch und nervös fort, vordergründig mit diesem EBM-Gedanken und artfremden Samples, und dann bricht mit „Dem Say“ plötzlich eine Bratzgitarre in die EP ein, gespielt zum schönen Discobeat mit fröhlicher Tanzmelodie. Kylo Osprey aus Nigeria singt hier, die Gitarre soliert flirrend zum Neunziger-Indierock-Rhythmus, der Bass frickelt wie bei Primus, etwas Afrobeat kehrt musikalisch zurück.

Bei „Burkina Phase“ ebenfalls, das zudem wie ein moderner minimalistischer Handyklingelton beginnt und das Verschachtelt-Verfrickelte des Afrobeat in einen sampleunterfütterten Noiserock überleitet. Mit synthetischen Beats und Xylophon oder so etwas. Und mit melodisch-psychedelisch gespielten Blasinstrumenten. Gesampelter Gast ist hier Thomas Sankara, 1987 ermordeter Präsident von Burkina Faso, daher der Titel. Der fünfte und letzte Song „Octagon“ kommt ohne Gast aus, ist dann aber nach einem der Pseudonyme der Musiker benannt. Dem Stück liegt ein laidback Hip-Hop-Rhythmus zugrunde, auf dem lauter Melodien, teils rückwärts abgespielt, umeinanderkreisen.

Octagon nun also heißt einer der vier Anonymen, die live mit schwarzbunten Masken auftreten, die irgendwo zwischen abgehalfterten Superhelden und derangierten Wrestlern zu verorten sind. Jener Octagon scheint der Kopf des Projektes zu sein, von ihm stammen die Kompositionen, er spielt zudem Gitarre und übernimmt das Design, ergänzend zu Andrea Frittella, der das Cover gestaltete. Als zweites ist Dos Caras aufgeführt, als Produzent sowie zuständig für digitale und synthetische Sounds. Fishman spielt dazu Bass und Pyerroth das Schlagzeug. Es ist natürlich nicht so einfach, in Zeiten von Internet und Social Media überhaupt noch anonym bleiben zu wollen, da können (0), Daft Punk, die Residents und Ghost Lieder von singen, daher kann man diesen Move nur als guten Scherz abtun, zudem wird sich eine große weite Welt vermutlich weniger für das Quartett Fiesta Alba aus Sonstewo überhaupt interessieren und diesen Mythos als solchen auch mittragen, aber hey, es geht um die Show und die ist gut.

Interessanterweise gelingt es den vier Musikern, aus dieser Gemengelage etwas zu erschaffen, das nicht wie willkürlicher Mathrock oder Progrock klingt, sondern pro Song ein geschlossenes und zwingendes Universum. Das spricht dafür, dass die Anonymikos so einiges an Erfahrung mit sich bringen. Und es steht zu hoffen, dass dies EP ein Auftakt war und von den Römern noch mehr zu erwarten ist.