Alessandro Adelio Rossi – Òpare – DDDD 2023

Von Matthias Bosenick (01.03.2024)

„Òpare“ ist ein elektronisch erstelltes Album, das man ganz gut unter Klassik einsortieren könnte, wenn Ambient allein nicht ausreicht. Als zurückgenommene minimalistische Kammermusik bildet der Experimentalmusiker Alessandro Adelio Rossi aus Bergamo die Woche von Montag bis Samstag ab, unterteilt nach Tageszeiten, und wenn man sich vorstellt, dass die meisten Tracks den Morgen behandeln und dass der Künstler in Bergamo nahe Mailand lebt, dann müssen diese Tage brütend heiß beginnen, so chillig, wie die Musik dazu ausgefallen ist. Das Album, zu Deutsch ungefähr „Hoppla“, beinhaltet hauptsächlich Soundkulissen, akustische leere Landschaften, Klangtapeten und erst spät einen Rhythmus und konkretere Strukturen. Wunderschön watteweich, ein Labsal im stressigen Alltag.

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blackhole-factory – Eisen + Stein – blackhole-factory 2024

Von Matthias Bosenick (22.02.2024)

Wir befinden uns in einer weltvergessenen Kathedrale und wir hören der Mutter Oberin dabei zu, wie sie die Geister der Moderne austreibt. So klingt „Eisen + Stein“, der Zusammenschnitt zweier Performances, die das Duo blackhole-factory vor 14 Jahren in einer leeren MIAG-Industriehalle aufführte, die direkt gegenüber ihrer damaligen Zentrale gelegen war, der Kunstmühle zu Braunschweig. Mit dem, was sie in der echoreichen Halle vorfand, generierte Elke Utermöhlen ein dem Found-Footage-Industrial nahes Rascheln, Rasseln und Knallen und sang dazu wortlose Melodien. Martin Slawig nahm das Ganze auf, sonst wäre uns diese 22-minütige Erinnerung an diese für deren Verhältnisse bodenständige Aktion entgangen. Eine Einladung zum gepflegten Gruseln!

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Peter Missing and Hackbert – Remove The Shadows – Separated Beats 2024

Von Matthias Boosenick (02.02.2024)

Zum zweiten Mal tun sich der New Yorker Multikünstler Peter Missing und der Berliner Industrial-Techno-Produzent Hackbert alias Bert Olke für eine EP zusammen. „Remove The Shadows“ überrascht auf allen Ebenen: das gesprochene Wort hat etwas Manisch-Beschwörendes, die Musik dazu vermengt Rock’n’Roll-Instrumentarium und Electro-Dub zu einem ausgebremsten, aber kraftvollen Industrial-Rock-Trip. Auf der B-Seite dieser digitalen Veröffentlichung erneuern sie gemeinsam den Acid House und reduzieren abschließend den Titeltrack um die Gitarren, ohne an Wucht einzubüßen. Davon darf es gern mehr geben!

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Nopamin & HUM – Burning Air – Nopamin/HUM 2023

Von Matthias Bosenick (09.12.2023)

Was kommt dabei heraus, wenn der Gitarrist und der Schlagzeuger zweier Heavy-Stoner-Bands zusammen Musik machen? Klar: melodischer Drum And Bass, was sonst! Harri Gottschalk, Gitarrist bei HUM, und Johannes Melchior alias Nopamin, Schlagzeuger bei Peoples Temper, erschufen zusammen den Track „Burning Air“. Hier kommen groovender Trance, D’n’B-Tanzbarkeit und atmosphärische Melodien zusammen, eine schöne Ausgangslage für mehr.

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Leda Atomica – Leda Atomica – Exil/Roy II 1986/Atypeek 2023

Von Matthias Bosenick (08.12.2023)

In Marseille etablierte sich in den Achtzigern ein musikalisches Kunstprojekt, das bis vor wenigen Jahren aktiv war und unendliche Alben und Nebenarme abwarf. Eines der frühesten musikalischen Dokumente ist das 1986 erschienene selbstbetitelte Tape „Leda Atomica“, auf dem das Kollektiv synthetisch unterfütterte Kunst machte, minimalistisch, stimmlastig, expressionistisch, theatralisch, experimentell. Bei dieser Synthiemusik geht es nicht um Beats und Tanzbarkeit, hier geht es ums Zuhören und, ja, Genießen des Ausdrucks, den die Künstler suchten. Musik wie diese sah sich seinerzeit und auch heute noch vornehmlich an gruftigen Genres wie Darkwave oder Minimal-Synth angedockt, die Band selbst schlug hernach aber ganz andere Wege ein. Das nach einem Gemälde von Salvador Dalí benannte Projekt lässt mit diesem nun digitalisiert verfügbaren Tape tief in die französische Experimental-Geschichte eintauchen.

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Darwells – Life – Darwells 2023

Von Matthias Bosenick (07.12.2023)

Retro ist heute nicht mehr nur an den Sechzigern und Siebzigern ausgerichtet, inzwischen sind ja auch die Neunziger lang her, und es ist irgendwie retro, wenn man als junge Band klingt wie die vor 30 Jahren. Die Darwells aus Südfrankreich machen auf ihrer zweiten EP „Life“ Power-Indierock mit Riff-Verschachtelungen, Mitgrölchören im Refrain und einer Powerballade am Schluss. Das machen sie gut, handwerklich wie kompositorisch – kennt man nur aber schon, wenn man die Neunziger bewusst miterlebte.

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Planète Magnifiée/Fantastic Planet: Hommage à Failure – Bitume Prods 2023

Von Matthias Bosenick (29.11.2023)

So bekommt man den Horizont erweitert: Bei Failure handelt es sich um eine US-Indierockband, die in den Neunzigern einige Alben und Singles herausbrachte, sich auflöste und wie fast alle Indiebands im neuen Jahrtausend einen Neustart absolvierte. Man kann ja nicht alles kennen, obschon einige Failure-Musiker später bei diversen Tool-Projekten aufschlugen, da hilft eine Tribute-Compilation schon weiter: „Planète Magnifiée“ wird zweigeteilt vom französischen Label Bitume Prod herausgegeben. Der erste Teil mit 19 Bands liegt bereits vor: Die darauf enthaltenen Coverversionen wecken zum Teil den Geist des Neunziger-Indierock, wie man ihn seinerzeit auf MTV zu lieben lernte, obwohl viele Songs von nach der Reunion dabei sind, verharren aber nicht bei der schnöden Reproduktion. Die Kompilatoren rekrutierten Beitragende aus den unterschiedlichsten Genres, Stoner, Punk, Doom, Electro-Rock, Noisecore, Synthiepop und natürlich Indierock, und erstellen ein breites Portfolio an unbekannten Bands, die einer auch nicht so bekannten Band huldigen. Auch ohne Kenntnis der Originale ist diese Zusammenstellung eine Erkundung wert.

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Les Shtauss – No Feeling – Closer Records/Atypeek Music 1989/2023

Von Matthias Bosenick (27.11.2023)

„No Feeling“ ist Doppel-Retro: Im Jahre 2023 gedenkt das Label Atypeek einer Band, die nur sieben Jahre lang existierte und zwischen 1987 und 1989 auf Closer Records eine Musik veröffentlichte, die damals schon aus der Zeit gefallen war. Dafür klingt die heute umso zeitloser, die Compilation könnte als aktuelles Album durchgehen: Rock’n’Roll, dreckig, energetisch, harmonisch, rauh, beseelt. Atmet den Geist von Jerry Lee Lewis ebenso wie den der Cramps, die ja ihrerseits retro sind, pendelt zwischen Garage und Surf und blickt in Richtung gegniedeltem Punk. Auf Vinyl hatte „No Feeling“ der Band aus Nantes sechs, auf CD acht, jetzt im Stream neun Songs, die die (Wieder-)Entdeckung wert sind. Nun gut, einer muss es schreiben: Willkommen bei den Shtauss!

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Anuseye – Right Place, Wrong Time – Go Down Records/Vincebus Eruptum 2023

Von Matthias Bosenick (22.11.2023)

Geil, geht gleich los mit einem Bass-E-Gitarre-Groove, wie man ihn sich mitreißender im psychedelischen Stoner-Rock-Bereich nicht ausmalen kann: Mit „Right Place, Wrong Time“ holen Anuseye aus Bari den Kiffermuckefan nicht nur da ab, wo er steht, sondern bringen ihn auch da hin, wo er hingehört: in erweiterte Zustände, aber mit Feuer nicht nur am Ende des Joints, sondern auch unterm Hintern. Es braucht vier Songs, um erstmals in zugedröhnt-taumelige Sphären abzudriften, und fünf, um sich mal vor dem Kühlschrank herumlungernd auszuruhen, ansonsten mostet das Quartett meistens mächtig vorwärts. Auch wenn Anuseye dem Genre treu dienlich sind, hört man sie immer heraus; liege es an Claudio Colaiannis zurückgelehntem Gesang, an den ungewöhnlichen Akkordfolgen oder an den immerhin noch dezent eingestreuten Experimenten. Das Vinyl ist türkis, die drei fehlenden Songs der Streaming-Variante dieser wechselvollen Reise um die Welt gibt’s im Download obendrauf.

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Synapse – Alter Echoes – Synapse 2023

Von Matthias Bosenick (08.11.2023)

Eine EP mit sechs Pop-Coversongs ist das dritte Lebenszeichen des französischen Prog-Metal-Quintetts Synapse. Die Auswahl der Originale ist dem Metal sehr, sehr fern und schreckt auch vor Kitsch nicht zurück, ebenso wenig in einigen Momenten die Umsetzung. Die indes wartet mit allerlei Prog-Metal-typischen Bestandteilen auf, Gniedelsoli, Blastbeatattacken, opulente Epik, Synthiespielereien und spielerischer Finesse. Synapse spielen die Songs nicht einfach nach, sie komponieren sie um und lassen vertraute Bestandteile bestehen, um den Kontrast zwischen Original und ihrer Version zu erhöhen. An manchen Stellen ist die Stimme zu hoch und klar, ansonsten gibt’s im Sinne der Sache nix zu mäkeln, sofern sie einem liegt.

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