Von Matthias Bosenick (20.11.2024)
Die Vier steht im Zentrum der ersten EP, die der Brüsseler Sylvain Oswald Derez unter seinem Alias OWD veröffentlicht: „Four“ heißt sie, vier Stücke sind drauf und alle Tracks sind mit vierbuchstabigen Wörtern betitelt. Laut Info macht Derez Techno, doch sollte man sich da nicht ins Bockshorn jagen lassen: Davon ist „Four“ sehr weit weg. Rhythm’n’Noise, Glitch, Drone, IDM, der junge Tüftler tobt sich in Bereichen aus, die nicht eben mehrheitsfähig sind. Und das macht er auch noch gut.
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Anthony Miller – Cyanotypes EP – Mill Hill Records 2024
Von Matthias Bosenick (18.11.2024)
Schalt dein Radio ein: Drei entspannte Songs kredenzt Anthony Miller auf seiner jüngsten EP „Cyanotypes“, klassisch eingeleitet durch ein Intro mit einer Anmoderation wie im Radio. Seine Musik dürfte weitestgehend im nordamerikanischen Folk angesiedelt sein, jedoch nur so weit, dass er dabei Klischees umgeht und seinem Wohlklang eine Basis immerhin auf Holzinstrumenten gibt. Man hört ein Banjo, ja, jedoch unaufdringlich, songdienlich. Cello, Schlagzeug, Akustikgitarre, Chorgesang, die Welt des Gifhorners ist warm, weich, umfangend, kitschfrei.
Durchströmungen III: Magnetschweben – Separated Beats 2024
Von Matthias Bosenick (22.10.2024)
Ben Bekeschus dreht auf: Den dritten Teil seiner Compilation-Reihe „Durchströmungen“ mit dem Titel „Magnetschweben“ versieht der vielseitige Berliner Electro-Bastler mit einer Steigungskurve, die von ruhigem, chilligem Ambient aus die Bandbreite seines Spektrums abbildet, an Energie zulegt und über Minimal Electro, Downbeat und Hip Hop bei Big Beat und Techno landet. Als Basis dient ihm dieses Mal, wie beim ersten Teil, sein Alias Aus.Gleich, dem er eigene Tracks sowie Remixe anderer Künstler widmet. Ein Weckruf mit achtzigminütigem Anlauf!
Chaos Shrine – Shadows Of The Invisible – EEEE 2024
Von Matthias Bosenick (17.10.2024)
Zwei unveröffentlichte Songs und einen Remix kombiniert das Turiner Duo Chaos Shrine, bestehend aus dem klassisch ausgebildeten Komponisten Andrea Cauduro und dem Expermentalmusiker Paul Beauchamp, zu einer EP, bevor es sich an das zweite Album macht: „Shadows Of The Invisible“ ist ein feiner Titel für diese Art von abstrakter Musik, die man leicht in die Industrial-Schublade legen kann, obwohl die viel zu eng für die Musik hier ist. Die beiden ersten Tracks sind überraschend rhythmisch, das Wort Remix hingegen blendet die Erwartungen, denn tanzbar ist der Bonus-Track mitnichten. Rework passt da als Bezeichnung viel besser.
London Underground – Live At The 19th Dream Of Dr. Sardonicus Festival 2023 – Frg Records/Fruits de Mer Records 2024
Von Matthias Bosenick (24.07.2024)
Wie, das Konzert fand erst im vergangenen Jahr statt? Der Mitschnitt „Live At The 19th Dream Of Dr. Sardonicus Festival 2023“ katapultiert die Hörenden sofort und stante pede und direkt in die Sechziger, als bewusstseinserweiternde Substanzen die Musizierenden dazu verleiteten, von vertrauten Pfaden abzuweichen, übliche Songstrukturen weit hinter sich zu lassen, zu gniedeln, was das Kraut hält, spacige Tasteninstrumente aus der Schmiede eines Laurens Hammond in den Musikfluss einzubauen und auf Gesang gleich mal ganz zu verzichten, man hat Besseres zu tun. So verfahren die italienischen Psychedeliker mit dem irreführenden Namen London Underground seit 1998, das vorliegende Live-Dokument ist das erst fünfte Album der Band. Ausflüge in Funk und Jazz Fusion Rock sowie Coverstücke gibt’s obendrauf, den „Midnight Cowboy“ von John Barry etwa kennen Fans von Faith No More bereits in anderer Version. Das englische Label Fruits de Mer Records bringt nun sechs der zehn Tracks auf Vinyl heraus, das volle Konzert gibt’s digital und als CDr.
Tobi Morare – Whiplash – Separated Beats 2024
Von Matthias Bosenick (16.07.2024)
Als hätte es die vergangenen 25 Jahre nie gegeben! Wenn Tobi Morare neue Musik generiert, dann vermengt er darin das Beste, was elektronische Musik in den Neunzigern zu bieten hatte: Bigbeat, Hip Hop, Trip Hop, Downbeat, was auch immer. Seine Melange ist dynamisch und auf den Punkt, er hält sich nicht lang auf und wechselt jeweils nach gut zwei Minuten wieder den Dancefloor. „Whiplash“ ist retro – und eine Aufforderung, wahlweise zu tanzen oder mit Kräuterzigaretten ausgestattet mit dem Kopf zu nicken.
Schlackrufe BRD 2 – Tutti Frutti Igitt Records 2024
Von Matthias Bosenick (09.27.2024)
Was ist hieran das größte Ereignis: dass es zu der wundervoll beknackten Idee, ein Mischgetränk namens Schlacke zu erfinden und dazu eine Tribute-Compilation herauszubringen, einen zweiten Teil gibt? Dass die 24 Beitragenden mit der Grundierung Punk das Zeug – Boonekamp mit Ahoj-Brause – allem Anschein nach tatsächlich probiert haben? Dass es satte 24 Musikstücke zum Thema gibt, die auch für Punkverhältnisse ordentlich produziert, arrangiert und komponiert sind? Dass sich doch so viele Reime auf „Schlacke“ finden lassen? Der Wahlbremer Nils Bauer alias Plautzenotto, selbst Beitragender hier, fügt diese Rasselbande aus Rasselbands auf seinem Label Tutti Frutti Igitt Records unter dem Banner „Schlackrufe BRD 2“ zusammen, das Tape ist leider bereits ausverkauft. Noch so ein Anwärter für das größte Ereignis in diesem Zusammenhang!
Die Angel & Günter Schickert – MWM #3: Live At Zodiak – MWM 2024
Von Matthias Bosenick (18.06.2024)
Das Wort „Experiment“ ist für diese Liveaufnahme noch geprahlt: Von Musik mit rhythmischer Anordnung oder nachvollziehbarer Melodieführung ist „Live At Zodiak“ ausnehmend weit entfernt. Wer sich diesen einstündigen Auftritt anhört, sollte offen sein für Flächen, Soundspielereien, Noise und Spracheinwürfe. Die Zusammensetzung dieses Trios ist dabei exorbitant aufsehenerregend: Günter Schickert, bekannt für seine Teilhabe an Jazz und Krautrock, vornehmlich in der Band Ziguri, tritt hier mit Die Angel zusammen, einem Projekt von Dirk Dresselhaus und Ilpo Väisänen, also Schneider TM und Pan Sonic. Krautiges Frickel-Electro steht zu erwarten – aber nicht zu hören: Das wäre ja einfach!
Gliitch – Dark Dancer/Rock‘on – P.O.G.O. Records 2024
Von Matthias Bosenick (15.05.2024)
Ein schöner Auftakt: Leider nur digital veröffentlicht das Noiserock-Trio Gliitch aus Bordeaux seine erste Single mit zwei Songs, die den Geist – nicht nur – von Steve Albini weitertragen (obschon jener zum Zeitpunkt der Aufnahmen noch lebte). Schön neben der Spur, zweistimmig gesungen, jenseits von Gefälligkeit und gerade damit mitten ins Herz gehen „Dark Dancer“ und „Rock’on“ – da darf von den Bordelaisern gern mehr folgen.
Spezial: addicted/noname Label aus Moskau, Teil 16
Von Matthias Bosenick (05.03.2024)
Neue und alte Musik vom Moskauer Label addicted/noname! Dieses Mal mit Doom-Stoner von Clarity Vision, Impro-Prog und Afro-Beat von DEEBBBB, Doom-Metal von Dekonstruktor, hyperaktiven Alles-Mashup von Detieti, Sludgecore von JWH, psychedelische Folklore von KissLiar, Screamo-Sludge von Polarnik, organischem Dub-Rap von REBBBB, Stoner Rock von Spaceking, Depri-Doom von Thy Grave, reduziertem Piano-Indie-Rock von Verba, durchgeknallter Allesmusik zwischen Folk, Psychedelik, Jazz und sonstwas von Голуби и Безумные Кашевары, Noiserock von Резина, Hip-Hop-Noisepunk von Рудольф, psychedelisch-schamanischem Folkrock von Шаййм und tanzbarem Garage-Surf-Rock von Шон.