Zidrou/Frank Pé – Die Bestie, Teil 2 (La bête 2) – Carlsen 2023

Von Matthias Bosenick (07.11.2023)

Es geht in der Tat so weiter, wie es der Schluss des ersten Teils andeutet: Ein durchgeknallter Wissenschaftler will das noch nicht so bezeichnete Marsupilami, also die dem Buch den Titel „Die Bestie“ gebende Fantasiekreatur, für seinen Ruhm einfangen. Das Autorengespann Zidrou und Frank Pé behält die Melange aus düster, schlüpfrig und kindgerecht weitgehend bei, schiebt aber Action und Herzenswärme dazu und bringt die monströse Lektüre zu einem gelungenen und hell strahlenden Abschluss. Damit ragt der zweite Teil erfreulicherweise über den ersten hinaus, und die Zeichnungen sind abermals ein Weltwunder für sich, das auch ohne den Inhalt zutiefst beeindruckt.

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Calle Claus/Christopher Tauber – Die drei ???: Hotel Bigfoot – Kosmos 2023

Von Matthias Bosenick (20.10.2023)

Ein merkwürdiger „Fall“, der auf weite Strecken eigentlich gar keiner ist, sondern eine Vision des Autoren-Zeichner-Gespanns Calle Claus und Christopher Tauber davon, wie es zwischenmenschlich bei den Drei Fragezeichen sowie Justus Jonas‘ Ex-Freundin Lys de Kerk und ihrem Bruder Yan so aussieht. Die Dynamik bekommen sie glaubhaft gemeistert und betten sie dann doch in kriminelle Geschehnisse ein, die um Kryptozoologen und Hollywood-Business kreisen und in einen Massenmordanschlag münden. Hier ist einiges besser gelungen als im vierten Comic mit den Wrestlern – und als in der Hauptserie sowieso. „Hotel Bigfoot“ ist eine wohlige Herbstlektüre, die über die nicht immer überzeugenden Zeichnungen hinwegsehen lässt.

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Raymond Macherot – Anatol gegen die schwarzen Ratten (Chlorophylle contre let rats verts/Chlorophylle et les conspirateurs) – Carlsen 2023

Von Matthias Bosenick (10.07.2023)

Nachdem die Comics von Raymond Macherot ohnehin erst verspätet und dann noch stiefmütterlich in Deutschland publiziert wurden, besinnt sich der Carlsen-Verlag jetzt des belgischen Comiczeichners mit der klaren Linie und bringt dessen Debütalbum inklusive Fortsetzung um den anthropomorphen Anti-Disney-Gartenschläfer (keine Brillenmaus!) Anatol (im Original Chlorophylle) neu getextet (der Hinweis darauf fehlt komplett, sieht man davon ab, dass mit Marcel Le Comte der gegenwärtige Carlsen-Standard-Übersetzer erwähnt ist und nicht Uta Benz-Lindenau), mit einigen Ergänzungen und als Hardcover abermals nach 1983 in den Handel, jetzt mit „gegen“ statt „und“ im Titel. Man spürt diesem Doppelband an, dass der Zweite Weltkrieg 1956 noch tief saß; nicht, dass es hier explizit gegen Nazis geht, aber der Überfall einer Rattenpopulation auf ein friedliches Tal voller lieblicher Kleintiere, die in den Widerstand gezwungen werden, legt gewisse Assoziationen nahe. Diese Neuauflage darf der Anlass sein, dieses Mal mehr als nur sieben Bände in fünf Büchern und auch nur mehr als diese Serie herauszubringen; „Sibylline“, „Mirliton“, „Isabelle“ und „Chaminou“ drängen sich noch auf, um „Percy Pickwick“ hingegen braucht man sich ja keine Sorgen zu machen.

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Oliver Schwartz, Sophie Guerrive & Benjamin Abitan – Spirou 54: Der Tod von Spirou (La mort de Spirou) – Carlsen 2023

Von Matthias Bosenick (03.03.2023)

Das ist jetzt also die Fortsetzung der Spirou-Hauptreihe nach sieben Jahren Pause? Das neue Autoren-Gespann, das sich dieser 1938 ins Leben gerufenen frankobelgischen Comic-Institution annimmt? „Der Tod von Spirou“ wird diesem Erbe nicht gerecht, sondern hätte besser als One-Shot – wie die ersten drei Bücher, die Zeichner Oliver Schwartz verantwortete – veröffentlicht werden sollen. Man sollte die Hauptreihe vielleicht einfach überhaupt beenden und sich komplett auf die Spezial-Ausgaben verlegen. Dieses Buch ist trotz guter Ansätze mehr retroselige Fanfiction mit enttäuschend teilnahmslosem Abgang als würdige Fortführung der Serie. Schwach!

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Im Kopf von Sherlock Holmes (Dans la tête de Sherlock Holmes) – Cyril Liéron & Benoît Dahan – Splitter 2022

Von Matthias Bosenick (20.02.2023)

In den Geschichten, die Sir Arthur Conan Doyle den etwas unbedarften Ex-Armeearzt Dr. John Watson von seinem Mitbewohner und Freund, dem allwissenden Deduktionsgott Sherlock Holmes, ab 1887 erzählen ließ, nahm der Ich-Erzähler die Rolle des überraschten Lesenden ein, der neben dem Ermittler die wirrsten Mordknoten betrachtete und durch Watsons Augen staunte, wie der Meisterdetektiv sie sämtlichst entwirrte und die Täter überführte. Was in Holmes‘ Schädel nun so vorgeht, während er sich mit den Problemen anderer Leute auseinandersetzt, imaginiert das Autoren- und Zeichner-Duo Cyril Liéron und Benoît Dahan in Graphic-Novel-Form. Dabei ist „Im Kopf von Sherlock Holmes“ mehr als nur eine weitere Holmes-Pastiche, nämlich ein zeichnerisches Abenteuer, in dem man sich Seite um Seite vom großen Ganzen bis zum kleinsten Strich verlieren kann – und auch noch einen spannenden Fall erzählt bekommt.

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Lewis Trondheim – Die neuen Abenteuer von Herrn Hase (6) Beim Teutates! (Les nouvelles aventures de Lapinot: Par Toutatis!) – Reprodukt 2022

Von Matthias Bosenick (02.10.2022)

„Dies ist kein Asterix-Album!“, steht extra auf dem Cover des neuen neuen Abenteuers von Herrn Hase, das nämlich in Asterix‘ Dorf spielt. In „Beim Teutates!“ deckt Lewis Trondheim so einige Untiefen der frankobelgischen Comicserie auf, kommentiert manche Eigenheiten und bettet sein Duo Herr Hase und Richard, der gelbe Kater, in ein komplexes Abenteuer ein, in dem der bretonische Gott Teutates hinter das Geheimnis des Zaubertranks kommen will und die Geschichten von Albert Uderzo und René Goscinny plötzlich mit der Realität konfrontiert werden. Das Buch funktioniert glücklicherweise auch, wenn man Trondheims Serie nicht kennt. Der grob und viel zeichnende Franzose nähert sich den Unbeugsamen gleichsam respektvoll und respektlos, die Lektüre macht Spaß. Und ist besser gelungen als vieles von dem, was Didier Conrad und Jean-Yves Ferri im Rahmen der Hauptreihe präsentieren – vielleicht sollte man analog zu Lucky Luke und vor allem Spirou & Fantasio (für die Trondheim auch schon aktiv war) über eine Parallel-Reihe mit wechselnden Gastautoren nachdenken, dieses wäre ein schöner Auftakt.

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Flix – Das Humboldt-Tier – Carlsen 2022

Von Matthias Bosenick (31.08.2022)

Flix alias Felix Görmann ist ja nun echt mal ein ausgezeichneter Zeichner. Was er indes nicht immer ist, ist ein ansprechender Erzähler. Das gilt für seine Adaption „Spirou in Berlin“ ebenso wie für sein neues Marsupilami-Abenteuer „Das Humboldt-Tier“. Das dicke und teure Buch ist umwerfend schön anzusehen, familiengerecht niedlich und auch mal zum Schmunzeln, aber inhaltlich eine Enttäuschung. Nur ein Jahr nach dem vergleichbar enttäuschenden, noch dickeren und noch teureren „Die Bestie“ von Pé und Zidrou ersinnt der Berliner eine weitere Mär rund um die Erst-Entdeckung des schwarzgelben Wundertiers aus dem Palumbianischen Dschungel, die André Franquin 1952 noch seinen Serienhelden Spirou und Fantasio andichtete. Die Grundideen bei Flix sind ja nicht schlecht, nur leider verliert sich diese Berlin-in-der-Weimarer-Republik-Geschichte vornehmlich in süßlich-braver Glückskindgerechtheit.

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Ines Korth/Christopher Tauber – Die drei ??? und das Gespensterschloss: Klassiker Graphic Novel – Kosmos 2022

Von Matthias Bosenick (25.04.2022)

Einfach ist es nicht, zu diesem Buch eine Haltung zu finden. Kosmos schlachtet die Marke „Die drei ???“ ohnehin erheblich aus, nun lässt der Verlag der Serie von Graphic Novels mit komplett eigenen Fällen die zum Comic gemachten Ur-Folgen folgen, ausgehend von Fall 1, „Das Gespensterschloss“, 1964 von Robert Arthur erstmals veröffentlicht als „The Secret Of Terror Castle“. Der Fall erfuhr 1980, zwölf Jahre nach der Buchveröffentlichung in Deutschland, einen ersten Medientransfer, als er als diskontinuierliche Folge 11 der Hörspielreihe erschien. 2009 verdrehte man die Geschichte zum Kinofilm „Das verfluchte Schloss“, 2005 und 2018 hievte das Vollplaybacktheater die Episode auf die Bühne und nun also liegt als neuerliche Visualisierung ein Comic vor. Der Inhalt ist natürlich komplett vertraut, zeichnerisch will man sich an den Sechzigern orientieren, doch weil man die Geschichte schon seit 40 Jahren im Kopf hat, braucht man dazu auch nicht wirklich noch die vagen Bilder, die andere Leute sich dazu ausdenken.

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Brösel – Werner Extrawurst 2: Haater Stoff! – Bröseline 2021

Von Matthias Bosenick (14.12.2021)

Wer in den Achtzigern mit „Werner“ aufwuchs, wandte sich ab den Neunzigern von dieser Comicreihe ab, als der Erfolg einzog und sich die Witze und die Zeichnungen veränderten. Solche Altfans spricht Brösel nun mit der zweiten Ausgabe seiner Reihe „Extrawurst“ an, in der der Kieler Zeichner alte Strips aus der Zeit vor und kurz nach der Erfindung von Werner sammelt. „Haater Stoff!“ bietet einen aufschlussreichen Einblick in Brösels Frühwerk, als er noch zwischen Anti-Establishment, Anti-Nazis und Anti-Berufstätigkeit gespickt mit Selbstironie agierte. In dieser Zeit verbesserte der als Rötger Feldmann geborene Autor seine Zeichenfertigkeiten und verfeinerte seinen Humor. Manko: Quellenangaben fehlen, die Überarbeitungen sind nicht gekennzeichnet. Ansonsten ein zum Teil erschreckend aktuelles Zeitdokument.

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Zidrou/Frank Pé – Marsupilami: Die Bestie (Teil 1) (La bête) – Carlsen 2021

Von Matthias Bosenick (15.11.2021)

Seit die Rechte an André Franquins fabelhaftem Comictier Marsupilami frei sind, taucht es auch wieder in seiner Heimserie auf, Spirou und Fantasio. Aber auch andere Aktivitäten sind nun offenbar möglich: Das Gespann Zidrou und Frank Pé ersinnt in offenbar mehreren dicken Wälzern die Geschichte davon, wie das schwarzgelbe Tier mit dem meterlangen Schwanz 1955 nach Belgien gelangte (also drei Jahre nach seinem ersten tatsächlichen Auftritt). Die Zeichnungen dazu sind wunderbar dunkel und bedrückend. Im Zentrum der Geschichte stehen jedoch das Trauma der Deutschen Besatzung Belgiens in der Nachkriegszeit und das Außenseitertum eines von einem Nazisoldaten gezeugten Antwerpener Jungen, das Tier selbst tritt erst später in Erscheinung und erregt natürlich die Aufmerksamkeit unterschiedlicher Interessengruppen. Damit verpassen Zidrou und Frank Pé die Chance, für diese Geschichte einen unerwarteten Rahmen zu wählen. Dafür indes sind die Bilder einfach formidabel.

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