Von Matthias Bosenick (14.10.2025)
Wie durch Social Media scrollen kommt einem das Buch „BonBon Orange“ vor, nur mit deutlich mehr Anspruch: In diesem „Kulturpapier“ sammeln René Seim und Anne Zückert im Instagram-Quadrat-Format medienübergreifende Kulturarbeiten von Freunden, nämlich Malerei, Lyrik, Skulptur, Prosa, Zeichnungen und Fotografien, die ein abwechslungsreiches Bild einer freundschaftlich verbundenen Szene um Dresden ergeben. Und ja, Katzen tauchen da auch immer wieder zwischendurch auf.
Archiv der Kategorie: Buch
Hardy Crueger – Ein Nachruf

Von Guido Dörheide (02.10.2025)
„Hardy ist gestorben.“ Die Nachricht kam am 27. September von meinem besten Freund, dem Herausgeber hier. Ich wollte nie den Namen eines Freundes und das Wort „Nachruf“ in einer Überschrift Seite an Seite lesen, aber nun geht es nicht anders. Ich habe Hardy 2020 kennengelernt und erst seit 2022 waren wir befreundet, ich kenne ihn also nicht so lange wie beispielsweise Matthias oder Marc ihn kannten, und logischerweise war meine Freundschaft zu ihm nicht so tief wie bei Marc oder Matthias. In der kurzen Zeit habe ich aber erlebt, dass Hardy ein so besonderer Mensch gewesen ist, dass es mir nun so vorkommt, als wäre ich schon Jahrzehnte mit ihm befreundet gewesen. Und anstatt einfach nur zu heulen, weil es das ist, wonach mir zumute ist, was aber nichts bringt, Hardy nicht, mir nicht, und allen die ihn gekannt und gemocht und geliebt haben, ebenfalls nicht, möchte ich hier einige Anekdoten und Gedanken aufschreiben, die eventuell helfen, Hardys Besonderssein zu ermessen:
WeiterlesenHardy Crueger – Der Bootsmann – CW Niemeyer 2025
Von Matthias Bosenick (12.09.2025)
Man kann nur im Wasserthema bleiben: „Der Bootsmann“ entwickelt einen Sog, in den man kontinuierlich schneller rotierend hineingezogen wird. Mit diesem Buch setzt Hardy Crueger seinen Thriller „Der Flussmann“ fort, und abermals ereignen sich haarsträubende Dinge am Rande von Gewässern im Großraum Braunschweig. Während die Witwe des Opfers aus dem ersten Teil versucht, ihre Traumata zu bewältigen, bahnt sich etwas Unfassbares an. Crueger saugt die Leserschaft in dieses nautische Katz-und-Maus-Spiel hinein und lässt den Strudel sich immer rasanter drehen.
Andreas Eschbach – Die drei ???: Die Auferstehung – Kosmos 2025
Von Matthias Bosenick (22.07.2025)
Keine Ahnung, was Andreas Eschbach sonst so schreibt, aber in das über Jahrzehnte ausdifferenzierte Universum der kalifornischen Kleinstadt Rocky Beach und das Detektivtrio „Die drei ???“ findet sich der Autor auf eine berauschende Weise hinein. Seine Schilderung der Ereignisse 30 Jahre nach dem Ende der gemeinsamen Ermittlungen fühlt sich schlüssig an, man ist sofort Teil der Szenerie, die zudem auf sachkundlichen Kenntnissen fußt, als habe Eschbach nie etwas Anderes gemacht, als für die Drei Fragezeichen zu schreiben. Und das auch noch bis ins Detail auf der Höhe der Zeit sowie nahezu frei von Anbiederung. „Die Auferstehung“ ist da, wo die Hauptserie eigentlich hingehört.
Hans Rosenthal – Zwei Leben in Deutschland – eine jüdisch deutsche Geschichte (gebundenes Buch: Quadriga 2025; Hörbuch: Lübbe Audio 2025)
Von Guido Dörheide (12.06.2025)
Hans Rosenthal, einer der Titanen der Rundfunk- und Fernsehunterhaltung der deutschen Nachkriegszeit, wäre am 2. April dieses Jahres 100 Jahre alt geworden. Leider ist er schon im Februar 1987, kurz vor seinem 62. Geburtstag, in Folge einer Krebserkrankung verstorben. Mit „Dalli Dalli“ und „Rate mal mit Rosenthal“ hat er für zahlreiche Fernsehsternstunden meiner Kindheit gesorgt, mit seiner immer authentischen, warmherzigen Art – Rosenthal war jederzeit darauf bedacht, die Auftretenden in seinen Shows gut dastehen zu lassen und menschlich-sympathisch rüberzubringen – machte er mir deutlich, dass man sowohl prominent als auch bescheiden und menschlich sein konnte, und dann erzählte mir meine Oma, dass Rosenthal als Jude nur mit Mühe und Not das Dritte Reich überlebt habe.
WeiterlesenChristof Dörr – Fast Weltweit – Verlag Andreas Reiffer 2025
Von Matthias Bosenick (25.05.2025)
Eigentlich erzählt „Fast Weltweit“ vom gleichnamigen Label aus Ostwestfalen, aus dessen Wurzeln in den Neunzigern die Hamburger Schule spross, etwa mit Bernd Begemann, Die Braut haut ins Auge, Die Sterne oder Blumfeld. Andererseits setzt Autor Christof Dörr dieses Interview-Mosaik zusammen wie einen Roman, erst Coming of Age, Abenteuer, dann Erfolgsgeschichte und zuletzt Drama und Psychogramm, durchgehend spannend, mitreißend, erhellend. Von sympathischen Jugendlichen in der Provinz, die davon träumen, mit ihrer unzeitgemäß deutschsprachigen Musik berühmt zu werden, und dieses Ziel gegen alle Erwartungen sogar erreichen. Mit einigen Opfern.
H. Hilker, A. Pehlemann, A. Ulrich, J. Wagner (Hg.) – Power von der Eastside: Jugendradio DT64, Massenmedium und Massenbewegung – Ventil 2025

Von Matthias Bosenick (25.04.2025)
Wir hörten DT64 damals, im Zonenrandgebiet, obschon zumeist zur Nachwendezeit erst, weil der Sender ein Musikprogramm bot, das man von den renommierten Sendern aus der Gegend nicht mehr kannte, da die sich in Richtung Formatradio verabschiedet hatten. Was wir alles nicht wussten – etwa, was der Name bedeutete, welche Rolle der Sender zu DDR-Zeiten spielte und welche phantasievollen Kämpfe es nach der Wende um den Erhalt dieser wichtigen Einrichtung gab –, das erfährt man nun in diesem Buch, nach einem Slogan des ursprünglichen FDJ-Senders „Power von der Eastside“ genannt. Und man lernt in diesem Kompendium aus bereits 1993 erschienenen und neu angefertigten Aufsätzen auch so einiges über Selbstverständnis und Selbstermächtigung im Unrechtsstaat, deutsch-deutsche Geschichte und Rock’n’Roll. Spoiler: DT64 heißt seit 1993 mdr Sputnik und ist ein Formatradio. Die Erinnerungen an DT64 indes brennen noch immer, wie dieses Buch belegt.
Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne Bonusfolge: Ich möchte lieber nicht – Bartleby, der Schreiber
Von Onkel Rosebud
Bei allem, was die Weltliteratur so hergibt, findet meine Freundin neben Kafkas Verwandlung die Geschichte „Bartleby, der Schreiber“ von Herman Melville am abgefahrensten.
Die Handlung geht so: Ein namenloser New Yorker Anwalt in den 1850ern erzählt die Geschichte seines überaus seltsamen Schreibers Bartleby. Zuerst stellt er sich selbst, seine Kanzlei, die Angestellten namens „Puter“, „Beißzange“ und „Pfeffernuß“ mit ihren Eigenheiten vor. Eines Tages erscheint ein junger Mann in der Kanzlei: Bartleby, „sauber, erbarmungswürdig, achtbar und einsam“. Anfangs kopiert dieser Tag und Nacht mit stillem Fleiß und einsiedlerischer Ausdauer. Doch dann beginnt er, die Arbeit ohne Angabe eines Grundes mit den Worten „Ich möchte lieber nicht“ zu verweigern: Bartlebys passiver Widerstand löst in der Runde Rätselraten aus. Wie kann man mit ihm umgehen? Puter meint, gutes Bier könne helfen. Alle diskutieren darüber, während sich Bartleby hinter seinem Wandschirm einrichtet. Der Erzähler versucht, von Bartleby etwas über dessen Leben zu erfahren, um seine Motivation zu verstehen. Aber Bartleby „möchte lieber nicht“ mehr seine Arbeit machen.
WeiterlesenRobert Seethaler & Rattelschneck – Trotteln – Ullstein 2025
Von Matthias Bosenick (15.04.2025)
Seit über 35 Jahren ist das Cartoonzeichnerduo Rattelschneck auf eine einzigartige Weise witzig. Diese Kontinuität bei beibehaltener Kompromisslosigkeit können nicht allzu viele Cartoonisten für sich beanspruchen. Nun kommt es zu einem virtuellen Schlagabtausch zwischen der Hälfte dieses Duos – deshalb ist die Autorenschaft an dieser Stelle etwas irreführend –, namentlich Marcus Weimer, und dem Schriftsteller Robert Seethaler, den diese beiden nun unter dem Titel „Trotteln“ als Buch unter die Leserschaft werfen. Fazit: Weimer ist einfach nach wie vor der unschlagbar trockenste Beobachter, Seethaler nimmt sich wichtig und das Buch ist in seiner Preisgestaltung nicht wirklich dem Inhalt angemessen.
Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: Prädikat Pädagogisch nicht wertvoll: Alfons Zitterbacke
Von Onkel Rosebud
Alfons Zitterbacke ist die populärste Kinderbuchfigur der DDR. Erfunden wurde sie von Gerhard Holtz-Baumert, einem systemtreuen SED-Funktionär, in den 60er Jahren. Mehrere Bücher erzählen humorvolle, aber auch nachdenkliche Geschichten aus dem Leben eines aufmüpfigen Jungen. So jedenfalls hatte ich die Kindheitserinnerung verklärt abgespeichert. Für diesen Text habe ich noch mal „Alfons Zitterbacke: Geschichten eines Pechvogels“ aus dem Bücherregal meiner Freundin gefischt und war entsetzt.
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