Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne Bonusfolge: Ich möchte lieber nicht – Bartleby, der Schreiber

Von Onkel Rosebud

Bei allem, was die Weltliteratur so hergibt, findet meine Freundin neben Kafkas Verwandlung die Geschichte „Bartleby, der Schreiber“ von Herman Melville am abgefahrensten.

Die Handlung geht so: Ein namenloser New Yorker Anwalt in den 1850ern erzählt die Geschichte seines überaus seltsamen Schreibers Bartleby. Zuerst stellt er sich selbst, seine Kanzlei, die Angestellten namens „Puter“, „Beißzange“ und „Pfeffernuß“ mit ihren Eigenheiten vor. Eines Tages erscheint ein junger Mann in der Kanzlei: Bartleby, „sauber, erbarmungswürdig, achtbar und einsam“. Anfangs kopiert dieser Tag und Nacht mit stillem Fleiß und einsiedlerischer Ausdauer. Doch dann beginnt er, die Arbeit ohne Angabe eines Grundes mit den Worten „Ich möchte lieber nicht“ zu verweigern: Bartlebys passiver Widerstand löst in der Runde Rätselraten aus. Wie kann man mit ihm umgehen? Puter meint, gutes Bier könne helfen. Alle diskutieren darüber, während sich Bartleby hinter seinem Wandschirm einrichtet. Der Erzähler versucht, von Bartleby etwas über dessen Leben zu erfahren, um seine Motivation zu verstehen. Aber Bartleby „möchte lieber nicht“ mehr seine Arbeit machen.

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Robert Seethaler & Rattelschneck – Trotteln – Ullstein 2025

Von Matthias Bosenick (15.04.2025)

Seit über 35 Jahren ist das Cartoonzeichnerduo Rattelschneck auf eine einzigartige Weise witzig. Diese Kontinuität bei beibehaltener Kompromisslosigkeit können nicht allzu viele Cartoonisten für sich beanspruchen. Nun kommt es zu einem virtuellen Schlagabtausch zwischen der Hälfte dieses Duos – deshalb ist die Autorenschaft an dieser Stelle etwas irreführend –, namentlich Marcus Weimer, und dem Schriftsteller Robert Seethaler, den diese beiden nun unter dem Titel „Trotteln“ als Buch unter die Leserschaft werfen. Fazit: Weimer ist einfach nach wie vor der unschlagbar trockenste Beobachter, Seethaler nimmt sich wichtig und das Buch ist in seiner Preisgestaltung nicht wirklich dem Inhalt angemessen.

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: Prädikat Pädagogisch nicht wertvoll: Alfons Zitterbacke

Von Onkel Rosebud

Alfons Zitterbacke ist die populärste Kinderbuchfigur der DDR. Erfunden wurde sie von Gerhard Holtz-Baumert, einem systemtreuen SED-Funktionär, in den 60er Jahren. Mehrere Bücher erzählen humorvolle, aber auch nachdenkliche Geschichten aus dem Leben eines aufmüpfigen Jungen. So jedenfalls hatte ich die Kindheitserinnerung verklärt abgespeichert. Für diesen Text habe ich noch mal „Alfons Zitterbacke: Geschichten eines Pechvogels“ aus dem Bücherregal meiner Freundin gefischt und war entsetzt.

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: Ich immer sprechen hübsch.

Von Onkel Rosebud

Ich möchte mich festlegen. Der lustigste Satz, den ich je in einem Buch gelesen habe, steht in einer Kurzgeschichte von David Sedaris und lautet: „Sie sehen aus, als könnte ich einen Drink gebrauchen.“ So lautet jedenfalls die Übersetzung aus dem Amerikanischen, wie es immer so heißt. Rätselhaft erscheint mir in dem Zusammenhang die Frage, sprechen Amerikaner nicht mehr oder weniger Englisch? Anyway, die Übersetzung ist von großen Harry Rowohlt. Im Original ist der Satz aber ganz genau so lustig: „You look like I need a drink.“

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Helmut Exner – Lilly und der Racheengel – EPV-Verlag 2025

Von Guido Dörheide (26.03.2025)

Er nu wieder: Nicht mal ein Jahr nach „Tammo – Wunderkind wider Willen“ erscheint Helmut Exners 22. Band aus der Fräulein-Lilly-Höschen-Reihe. Die pensionierte Lehrkraft aus Lautenthal muss mittlerweile 92 Jahre alt sein, ist, wie der Autor im vorliegenden Band selber feststellt, nicht totzukriegen und mischt sich nach wie vor in alles ein, was auch nur entfernt nach einem spannenden Kriminalfall riecht.

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: Walter Moers, Sie alte Berghutze.

Von Onkel Rosebud

Wenn meine Freundin nur ein Buch auf eine einsame Insel mitnehmen dürfte, dann wäre das „Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär, Untertitel: Die halben Lebenserinnerungen eines Seebären, mit zahlreichen Illustrationen und unter Benutzung des Lexikons der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller“ (Penguin-Verlag). Von Walter Moers aus Mönchengladbach. Ja genau, der Comic-Zeichner des kleinen Arschlochs und Adolfs, der Nazisau.

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: The World According to meine Freundin

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin hat, bevor sie ein neues Buch anfängt, die Angewohnheit, zuerst den letzten Satz zu lesen. Sie ist der Meinung, dass erste Sätze bestenfalls in die Geschichte verführen, aber generell überschätzt werden, weil man den zweiten sowieso auch liest. Die Kunst einer Schriftstellerei besteht darin, mit Anstand einen Abgang aus einem Text zu machen. Ein wirklich gutes Buch kann nicht einfach so irgendwie aufhören. Mit dem letzten Satz wird der Erzählung die Seele eingehaucht. Ich habe mich zwar daran gewöhnt, finde es allerdings nach wie vor irritierend und frage sie dann immer, warum sie sich spoilert? Meine Freundin antwortet, dass mein Einwand Quatsch sei, weil die wesentliche Handlungselemente unmöglich in einem letzten Satz zusammenfasst werden können und weder Genuss am vollständigen Werk oder Spannung verderben. Ich lasse die Widerworte dazu stecken und stelle mir vor, wie gern sie, wenn sie „Mehr kann darüber nicht gesagt werden.“ liest, 1386 Seiten nach hinten blättert, um J.R.R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“ zu starten.

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: Ich und mein Staubsauger-Freund

Von OnkelRosebud

„Ich und mein Staubsauger“, was für ein genialer Name, war eine unabhängige Zeitschrift in Westberlin, erschien erstmals im September 1986 als billig fotokopiertes „Fanzine“ und hielt 25 Ausgaben durch. Bemerkenswert daran war, dass es die ersten literarischen Schritte von Max Goldt (*1958) dokumentiert, der sich damit für die Satirezeitschrift „Titanic“ empfahl. Zwischen 1989 und 1998 veröffentlichte er dort Kolumnen unter anderem unter dem Titel „Aus Onkel Max’ Kulturtagebuch“ und „Informationen für Erwachsene“. Dabei spielte es kaum eine Rolle, worüber Herr Goldt jeweils schrieb, das „Wie“ war entscheidend und zu jener Zeit einzigartig in Sachen Wortwitz und Sprachstil. Wenn irgendwas das Etikett „Kult“ verdient, dann diese 108 Texte.

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Was meine Freundin gerne liest – die Literaturkolumne: Wiglaf Droste vs. Gereon Klug

Von Onkel Rosebud

Einen der vorderen Plätze in der Rubrik „Nur die Guten sterben jung“ hält für meine Freundin der Autor, Sänger, Hobbykoch und vor allem Satiriker aus Bielefeld-Braake, Wiglaf Droste. Im Prinzip ist ein Aufsatz von ihm aus der taz, der zuerst im Jahr 1998 erschien, daran schuld: Er hieß „Ich hab‘ noch Öl in den Ohren aus Madrid“. Denn einst lebten meine Freundin und ich aus Gründen, auf die ich hier nicht näher eingehen will, längere Zeit in einem Ort in Spanien, welcher mit seinem Mutterland nichts zu tun haben wollte, und Drostes derbe Abrechnung mit der iberischen Mentalität lässt uns bis heute die Tränen der Freude aus den Augen treiben. Kostprobe gefällig? „Der Spanier zerfällt in drei Teile: Lärm, kein Spaß und Olivenöl. Wenn sie einmal einen Entkräftungs-Schock haben von der Art, daß sie dringend Fett aufnehmen müssen, schlagen Sie unbedingt Ihre Reißzähne vampirettig in einen Spanier hinein und saufen ihn aus. Aah, tut das gut – sieben Liter reines Olivenöl, kalt und humorlos gepreßt. (…) Das Einzige, was dem Spanier an seinem Öl allerdings überhaupt nicht gefällt, ist, daß es nicht brüllen kann.“

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