Fehlfarben – ?0?? – Tapete Records 2022

Von Guido Dörheide (19.10.2022)

Kaum einer E-Mail habe ich mit soviel Spannung entgegengefiebert wie der von heute (14.10.2022), 1104 UTC+2. Absender: Bandcamp. Betreff: „?0?? (2022) just released!“ Also gleich mal mein vor Wochen vorbestelltes Album gedownloaded und angehört.

Die letzte Atempause seit „Über Menschen“ währte sieben Jahre, dennoch wird von der Düsseldorfer Indie-Institution Fehlfarben weiterhin eifrig Geschichte gemacht. Im Vorfeld dieser ersten Fehlfarben-Veröffentlichung der 20er-Jahre hatte ich mir die Wartezeit mit dem Hören der „neuen“ Fehlfarben-Alben von 1991 bis 2015 vertrieben und zwischendurch auch immer mal wieder „Monarchie und Alltag“, das sensationelle Debüt aus dem Jahr 1980, sowie die beiden Werke seitdem bis zur vorläufigen Auflösung der Band 1984 aufgelegt.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album

The Young Gods – Play Terry Riley In C – Two Gentlemen Records 2022

Von Matthias Bosenick (18.10.2022)

Schon wieder locken uns The Young Gods auf das Feld der modernen Kunst, keine 31 Jahre nach „Play Kurt Weill“: Mit Terry Rileys „In C“ nehmen sich die Schweizer ein Standardwerk der Minimal Music vor, 1964 komponiert, seitdem mehrfach aufgeführt und aufgenommen, jetzt aber von einer Band, die den US-Industrial aus der Taufe hob, mit dem heavy Mix aus Gitarre und Keyboard, den sie selbst längst ablegten und hier auch kaum zur Anwendung bringen. Typisch für Minimal Music sind Wiederholung, Monotonie, scheinbar willkürliche Notentupfer, rudimentäre, bisweilen verspielte Melodien, tranceartige Passagen, und ja, all das bekommt man in den 53 von Riley „Phrasen“ genannten Sequenzen auch von den Young Gods, dazu nach gut der Hälfte einen knappen Einblick in den Krach, zu dem sie ebenfalls in der Lage sind. Erstaunlich genug, wie futuristisch ein 1964 komponiertes Stück Musik 2022 noch klingen kann. Live im Studio eingespielt, übrigens.

Weiterlesen

зелёный дядя u сёрферы чёрной дыры – Восторг по октаве – Black Hole Surfers 2022

Von Matthias Bosenick (17.10.2022)

Die Black Holes Surfers und der Grüne Onkel haben „Freude an der Oktave“, zumindest bedeutet dies der Titel des Albums „Восторг по октаве“ von зелёный дядя u сёрферы чёрной дыры. Das mit dem Surfen meinen die drei bis fünf Musiker aus der russischen Millionenstadt Нижний Новгород (Nischni Nowgorod) tatsächlich ernst: Dem psychedelischen Potpourri alternativer Musikstile liegt der Geist des Sechziger-Surfrocks zugrunde. Die Musik mag so variantenreich wie die der Beach Boys sein, dafür ist sie schwerer: In Zeiten des Krieges lässt sich Unbeschwertheit nicht so einfach erhalten. Eine ungezügelte Kreativität indes sehr wohl: „Восторг по октаве“ plättet mit einer Vielzahl an Einfällen, mit denen die Band ihre Songs Haken schlagen lässt.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album

The Cult – Under The Midnight Sun – Black Hill Records 2022

Von Guido Dörheide (15.10.2022)

Mochte ich The Cult hören, griff ich meistens zu der Singles-Zusammenstellung „Pure Cult“ aus dem Jahr 2000, die die Schaffensperiode von 1985 bis 1995 abdeckt. Und auf der kann man prima nachhören, wie sich The Cult ab „Sonic Temple“ (1989) vom anfänglichen Gothic Rock mit den wundervollen Melodien, von Ian Astbury immer mit einer Bandbreite von melancholisch-düster bis hin zu ekstatisch-hysterisch vorgetragen, mehr in Richtung düsterem Hardrock bis hin zu immer noch tollen, aber doch sehr stadionkompatiblem Rock entwickelt hat. Den Höhepunkt davon markiert für mich das 2013er-Album „Electric Peace“. Bereits mit der 2016er-Veröffentlichung „Hidden City“ bewegten sich The Cult wieder mehr in Richtung Gothic Rock, und heuer geht es mit „Under The Midnight Sun“ noch ein weiteres Stück zurück in die Anfangstage.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album

Old Town Crier – You – Jim Lough 2022

Von Matthias Bosenick (13.10.2022)

Alt.-Country steht als eines von vielen Etiketten auf dem Minialbum „You“ von Old Town Crier, dem Solo-Projekt des Multiinstrumentalisten Jim Lough, der mit dieser EP drei demokratische US-Politiker bei den Mid-Term-Elections unterstützen will. In den fünf Pop-Perlen liegt noch viel mehr: Der unterschwellige Fuzz und die Rotzigkeit von 60s-Garage-Rock etwa, die balladeske Melodieseligkeit weit gefasster Gesten, der Galopp des Punkrock, 50s-Verve. Abgesehen davon, dass man es mit knapp einer Viertelstunde klasse Musik zu tun hat, ist es nicht nur derzeit überall notwendig, Demokraten zu unterstützen.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album

Goatwhore – Angels Hung From The Arches Of Heaven – Metal Blade Records 2022

Von Guido Dörheide (10.10.2022)

Was hatte ich jüngst noch über erste Songs auf Alben geschrieben? Entweder fast an Stille grenzendes Instrumentalintro oder gleich losballern? Goatwhore haben sich für Ersteres entschieden und das von mir überaus geschätzte laut.de hat dieses Intro a) als „komplett überflüssig“ und b) als „die letzte Chance zur Flucht“ bezeichnet. Zweiteres unterschreibe ich blind und lege gerne noch sowas wie „die Ruhe vor dem Sturm“ nach. Mit „Born Of Satans Flesh“ haut die wunderbare Kapelle aus New Orleans dann auch gleich so nachhaltig auf die 12 (und 12 ist mehr als 10, sogar mehr als 11!), dass man gar nicht mehr fragen mag, wo Bartel den Most herholt. Hauptsache, er holt ihn, und wenn nicht er, dann nehmen Goatwhore den sprichwörtlichen Korb in die Hand und rennen los. Egal wohin, Hauptsache, es tut weh.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album

Pixies – Doggerel – Infectious Music 2022

Von Guido Dörheide (10.10.2022)

Dies ist ein Lied über etwas dort. Da ist etwas dort über dieses Lied. Subbachultcha. Hätte mir jemand sammama 2014, als das erste Pixies-Reunion-Album „Indie Cindy“ erschien, gesagt, dass ich dereinst im Zusammenhang mit einem neuen Werk der legendären Pixies auf die Großtaten des 1991er-Abschiedsalbums „Trompe le monde“ referenzieren würde, ohne mich dabei schlecht zu fühlen, ich hätte ihn oder sie a) mit der sprichwörtlichen rhetorischen Wasserwaage vom Hofe gejagt, b) ihn/sie mit derselben im Anschlag noch um einige Häuserblocks gejagt und c) gesagt: „Hömma“, und gemeint: „Hömma auf. Die Pixies sind Geschichte und hätten sich nimmermehr reunifizieren dürfen. Wenn wir die Stimme von Black Francis hören wollen, können wir die Alben von Frank Black erwerben und nebenbei Morrissey hören, die Smiths werden sich ja auch nicht mehr wieder neu zusammentun.“ Nun ist 2022, besagte Wasserwaage ist Geschichte, die Smiths gibt es glücklicherweise immer noch nicht wieder, Frank Blacks Soloalben langweilen und die Pixies haben eine neue Langrille am Start. Kann ja nur wieder nichts werden. Und der überaus gestrenge Herausgeber erwartet einen Verriss – oisdann, gemmas o!

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album

Nuit D‘Encre – De l‘autre côté – Bitume Prods 2022

Von Matthias Bosenick (10.10.2022)

Fett, groovig, athmosphärisch, abwechslungsreich zwischen Doom, Sludge, Post und Groove Metal herumriffend – und fast alles von nur einer einzelnen Person eingespielt? Hinter Nuit D‘Encre aus Paris steckt jemand namens François „Franswa“ Felt, der mit „De l‘autre Côté“ sein zweites Album unter diesem Projektnamen präsentiert. Seine Variante von niedrigtourigem Metal kommt ohne Gesang aus, und der fehlt auch kein Bisschen, schließlich weiß der Multiinstrumentalist mit seinem Instrumentarium effektvoll umzugehen. Und auch wenn der Bandname, also ungefähr „tintendunkle Nacht“, oberflächlich ganz gut passt, straft die Musik den Musiker im Detail Lügen: Hier funkeln die Sterne, nicht zu knapp!

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album

Spezial: Sireena Records/Shack Media aus Ostenholz-Scharmbeck

Von Matthias Bosenick (04.10.2022)

Fünf Alben aus dem Hause Sireena Records und Shack Media landeten innerhalb kürzester Zeit im Briefkasten: „A Floating City“ von Nautilus, „Live in Haldern 1985 & 1986“ von The Radio, „Waiting For The Daylight“ von Erja Lyytinen, „The Universe By Ear III“ von The Universe By Ear und „Saba“ von The Electric Family. Also Ambient, Achtzigerrock, Bluesrock, Progrock und Indie.

Weiterlesen

Tankard – Pavlov‘s Dawgs – Reaper Entertainment 2022

Von Guido Dörheide (01.10.2022)

Ei gude, liebe Krautnick.de-Lesende! Deutscher Thrash Metal 2022: Erst Destruction, dann Kreator, auch das bereits 2020 erschienene neue Sodom-Album lässt unsere Trommelfelle noch immer erzittern, und nun liefert auch die Nummer 4 der Big Four of Teutonic Thrash ein neues Album (nicht No. 4, sondern bereits Nr. 18 in ihrer seit 40 Jahren andauernden Karriere) ab: Pavlov‘s Dawgs. Mit dem Cover-Artwork machen Tankard aus Frankfurt am Main wieder einmal aufs Neue deutlich, dass sie mutmaßlich den „Alcoholic [Thrash] Metal“ erfunden haben, auch der Refrain der Vorab-Single „Beerbarians“ geht in diese Richtung: „They’re calling us Beerbarians – Spreading out around the globe – We’re Cosmoproletarians“. Cosmoproletarians – sowelche Wortneuschöpfungen muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen, bzw. mit einem Pint Ebbelwoi runterspülen. Den Konsum weingeisthaltiger Erfrischungsgetränke zu glorifizieren geißele ich selbstredend als Teufelswerk und sowohl ich als auch Krautnick.de in seiner Gesamtheit lehnen sowas total ab – aber den wackeren Jungs um Andreas Fritz Johannes „Gerre“ Geremia nimmt man selbst den albernsten Blödsinn ab, ohne ihnen ernsthaft böse sein zu können.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album