Von Matthias Bosenick (21.08.2024)
Wer eine Katze als Freund hat, weckt schon mal Aufmerksamkeit. Mr. Bogd, offenbar ein Geschäftsmann, der sich auf eine Reise begibt, nennt eine Katze seinen Helden, mitten im Album „The Story Of Mr. Bogd, Part 1“ – dem Comeback des schwedischen Prog-Quartetts Ritual nach 17 Jahren Pause. Das gestalten die Stockholmer gleich mal als Auftakt eines Doppel-Albums, dessen zweiter Teil noch aussteht. Die Musik ist wild: Gefühlt ist hier kein Instrument nicht zu hören, kein prog-verwandtes Genre ebenso, alles pendelt verspielt zwischen Frickelei und Narration, man staunt. Und schnurrt.
Archiv der Kategorie: Album
I, Cursed – Death Holograms – Inverse Records 2024
Von Matthias Bosenick (14.08.2024)
Für das – nun – Duo I, Cursed ist „Death Holograms“ eine Art Einstand, nach einigen Singles und einer Split-Veröffentlichung, und die Finnen haben so viel Feuer unterm Hintern, dass diese sieben Tracks in unter einer Viertelstunde wirken wie ein Vollzeitalbum. Im weitesten Sinne sind I, Cursed im Death Metal angesiedelt, was sie nicht davon abhält, auf Genregrenzen zu pfeifen und in ihr strukturiert lärmendes Gepolter auch Leihgaben aus dem punkigen Grindcore oder dem hüpfbetonten Thrash Metal sowie unterschwellige, atmosphärische Melodien einzufügen. Insbesondere der – äh – Gesang sticht hervor: Was wie aus vielzähligen Kehlen klingt, kommt aus lediglich einer.
Dirk Serries – Defiance Of Self – Silentes/13 2024
Von Matthias Bosenick (13.08.2024)
Es ist ein Rausch, ein Skulpturengarten im dichten Nebel, ein Tauchgang in Honig, ein zwielichtiges Labyrinth in Watte: „Defiance Of Self“ nennt Dirk Serries seine Experimente, die er mit seiner Gitarre und seinem Effektboard mitschnitt, in Echtzeit, wie die Info betont. Die Info sagt außerdem, dass die fünf Ambient-Tracks dunkel und experimentell ausgefallen sind, aber das ist durchaus diskutabel: Freunde solcher freien Musik finden Freude an den entschärften Atmosphären, die die Hörenden umhüllen und vom Übel der Welt abtrennen. Dunkel geht anders, abstrakt indes ist es sehr, und es gelingt dem Antwerpener ungemein gut, aus dem Experiment Schönheit zu extrahieren. Von wegen „Selbstverachtung“!
Spezial: Bo Müller – Räume/Krüger – GÜT – Bauchpfannen Aufnahmen 2024
Von Matthias Bosenick (09.08.2024)
2024, die beiden verbliebenen Mitglieder des künstlerisch wie musikalisch unschätzbar einflussreichen Trios Die Trottelkacker aus der Samtgemeinde Velpke veröffentlichen 22 Jahre nach dem Ende jener Band neue Solo-Sachen. Der eine, Krüger, mit „GÜT“ eine Best-Of seiner Songs aus der Zeit von 2007 bis 2017, der andere nach Bandprojekten wie Müller & die Platemeiercombo und der weiterhin aktiven Müller-Verschwörung mit „Räume“ sein erstes echtes Solo-Album als Bo Müller. Behandelt Krüger mit fettem Indie-Rock gesellschaftliche wie emotionale Schief- und Tieflagen, reduziert sich Müller bei gar nicht so unähnlichen Themen auf seine Akustikgitarre. Bei aller Ernsthaftigkeit, Reife und musikalischer Perfektionierung: Die Kriegst die Jungs aus den Trottelkackern, aber die Trottelkacker nicht aus den Jungs. Und das ist GÜT so, das weitet Räume.
Dead Bob – Life Like – Wrong Records 2023/2024
Von Matthias Bosenick (08.08.2024)
„Fuck this fucking shit“, schöner Einstieg. Seit 2016 sind NoMeansNo offiziell in Rente, und mit John Wright setzt ein Drittel jener Band aus Kanada unter dem Alias Dead Bob die Reise nun doch noch fort. Etwas mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichung ist das Vinyl des Debüts „Life Like“ jetzt auch in Europa zu haben – und es lohnt sich: Natürlich bekommt man den Prog-Jazz-Punk von NoMeansNo kredenzt, dazu aber auch den Ramones-Pastiche-Punk der Hanson Brothers sowie einige Neuheiten. Offenbar hat der Schlagzeuger noch einiges mehr an Material in der Schublade, und wer weiß, vielleicht bekommt er seinen Bruder Rob eines Tages doch noch zurück ins Studio.
Tom Liwa & Leuchtturmband – Primzahlen aus dem Bardo/More To Primes – Der, den mein Freund kannte 2024
Von Matthias Bosenick (05.08.2024)
Tom Liwa sitzt bei dir in der Bude rum und quatscht dich voll. Das allein reicht ihm aber nicht, er hat noch eine leise Indierock-Band mit dabei. Und eine Saxophonistin. Rund 100 Minuten auf drei CDs lag hockt er neben dir und erzählt vor sich hin. Öffnet die Tür zum Jazz und dein Herz für seine Betrachtungen. Lässt die Leuchtturmband im Wendland sanften Folk-Indie spielen, der für sich schon ungemein umhaut, auch auf so eine lange Strecke, und holt als Garnitur Luise Volkmann hinzu, die mit ihrem Saxophon mehr Melodie improvisiert, als Liwa singt. Weil er eben zumeist spricht. 100 Minuten „Primzahlen aus dem Bardo“ und „More To Primes“ können ganz schön kurz sein. Country’n Western sollte man für den Genuss schon mögen, übrigens, wenn auch nicht zwingend chinesischen.
Powerwolf – Wake Up The Wicked – Napalm Records 2024
Von Guido Dörheide (30.07.2024)
Nachricht von Christof. Der Freund, der Kollege, die Legende, der Checker schreibt: „Hi Guido, heute ist die neue Powerwolf-CD rausgekommen.“ Und was soll ich sagen, bei mir in der Küche lief sie da schon. Es ist nun zwei Jahre her, dass Christof und ich uns Iron Maiden, Airbourne und eben die besagten Powerwolf im Frankfurter Waldstadion angesehen haben (nochmal danke, Christof, für das tolle Weihnachtsgeschenk mitten im Juli) und seitdem Fans der fünf liebenswerten Rumänen aus dem Saarland sind. Nun frägte ich mich aber, ob eine Band, die ich aus einem Konzert in liebenswerter Erinnerung habe und deren Werk ich mir erst im Nachhinein erschlossen habe, mich auch mit neuem, mir bis dahin unbekannten Studiomaterial zu begeistern vermag.
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WeiterlesenYomi Ship – Feast Eternal – Yomi Ship 2024
Von Matthias Bosenick (29.07.2024)
So’ne E-Gitarre kann man auch so mit Effekt versehen, dass auf ihr Hall liegt, nicht Verzerrung, so’n Büschen Surf-Twang-mäßig, und wenn man um einen solcherart gespielten Sound herum polyrhythmischen Instrumental-Prog-Space-Psychedelik-Rock macht, bekommt auch diese Schublade nach all den Jahren nochmal einen neuen Knauf. Den Verzerrer treten Yomi Ship aus Perth nur ganz ganz selten mal durch, zum stark gebremsten Austoben findet das Trio andere Ventile – kuriose Strukturen, orientalische oder fernöstliche Melodien, Frickleln, Dudeln und Gniedeln. Damit lädt die Band zu einer entspannten Reise durch ein verschachteltes Bilderbuch ein, in dem das innere Auge blättert, während das Ohr das Debüt-Album „Feast Eternal“ genießt.
Amon Düül – Psychedelic Underground – Metronome/Ohr/Breeze Music 1969/2023
Von Guido Hörster (26.07.2024)
Das Teil gilt gemeinhin als erste Krautrockplatte, vermutlich, weil in einem Titel der Begriff „Sauerkrautband“ vorkommt.
WeiterlesenLondon Underground – Live At The 19th Dream Of Dr. Sardonicus Festival 2023 – Frg Records/Fruits de Mer Records 2024
Von Matthias Bosenick (24.07.2024)
Wie, das Konzert fand erst im vergangenen Jahr statt? Der Mitschnitt „Live At The 19th Dream Of Dr. Sardonicus Festival 2023“ katapultiert die Hörenden sofort und stante pede und direkt in die Sechziger, als bewusstseinserweiternde Substanzen die Musizierenden dazu verleiteten, von vertrauten Pfaden abzuweichen, übliche Songstrukturen weit hinter sich zu lassen, zu gniedeln, was das Kraut hält, spacige Tasteninstrumente aus der Schmiede eines Laurens Hammond in den Musikfluss einzubauen und auf Gesang gleich mal ganz zu verzichten, man hat Besseres zu tun. So verfahren die italienischen Psychedeliker mit dem irreführenden Namen London Underground seit 1998, das vorliegende Live-Dokument ist das erst fünfte Album der Band. Ausflüge in Funk und Jazz Fusion Rock sowie Coverstücke gibt’s obendrauf, den „Midnight Cowboy“ von John Barry etwa kennen Fans von Faith No More bereits in anderer Version. Das englische Label Fruits de Mer Records bringt nun sechs der zehn Tracks auf Vinyl heraus, das volle Konzert gibt’s digital und als CDr.