John Coltrane with Eric Dolphy – Evenings At The Village Gate – Impulse! 2023

Von Guido Dörheide (02.08.2023)

Vorsicht! Der Titel dieser Aufnahme aus dem Jahr 1961 ist in extremer Weise irreführend. Ein Schelm, der denkt, hier handele es sich um eine Aufnahme von John Coltrane und Eric Dolphy, die gemeinsam auf ihren Saxofonen musizieren. Weit gefehlt: Neben Coltrane am Tenor- und Sopransaxofon und Dolphy am Altsaxophon, auf der Klarinette und der Flöte wirkten auf „Evenings At The Village Gate“ niemand Geringere als Elvin Jones am Schlagzeug und McCoy Tyner am Klavier mit. Also einer DER modernen Jazz-Drummer überhaupt und einer der vielbeschäftigtsten, weil besten Jazzpianisten seiner Zeit. Beide arbeiteten mit Coltrane einige Jahre später unter anderem auf dessen Jahrtausendwerk „A Love Supreme“ zusammen. Und mit zahlreichen weiteren Jazzgrößen ebenso.

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Streetmark – Nordland – Sky Records 1975/Sireena 2023

Von Matthias Bosenick (01.08.2023)

Wer fast eine Dekade für sein Debütalbum braucht, weil er die Zeit davor zunächst als Coverband und bald mit Eigenkompositionen herumtourt, hat in der Regel für seinen Auftakt eine Menge erprobtes und grandioses Material zusammen, und diese Regel ist auch auf die Düsseldorfer Band Streetmark anwendbar. Mit einer klassischen Ausbildung und aus der Lehre bei den Größen des noch relativ jungen Progrocks entwickelten Streetmark einen eigenen Sound, der Rockmusik mit Orgel und Klassik kombiniert, was das frische Label Sky Records 1975 dazu bewegte, die Band gleich für alle vier Alben unter seine Fittiche zu nehmen. Sireena wirft das Debüt „Nordland“ nun auf CD wieder in den Ring, und es klingt erstaunlich frisch für seine 48 Jahre.

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Lucinda Williams – Stories From A Rock N Roll Heart – Highway 20 Records 2023

Von Guido Dörheide (31.07.2023)

Lucinda Williams war bereits Mitte 40, als sie 1998 mit „Car Wheels On A Gravel Road“ endlich den Ruhm bekam, den sie verdient, und seitdem hat sie nicht ein einziges schwaches Album veröffentlicht (vorher auch nicht, aber „Car Wheels…“ ist immer noch eins meiner Lieblingsalben aller Zeiten, das ich nahezu immer hören kann). Neben Patti Smith, Dolly Parton, Joni Mitchell und Emmylou Harris (die leider seit „Hard Bargain“ (2011) kein Soloalbum mehr veröffentlicht hat) & Young gehört sie für mich zu den allergrößten noch lebenden Songwriterinnen und Interpretinnen ihrer eigenen Stücke.

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Spezial: addicted/noname Label aus Moskau, Teil 15

Von Matthias Bosenick (28.07.2023)

Neues aus Moskau! Das fabelhafte Label mit den vielen Namen, darunter addicted oder noname, hat neue Musik von folgenden Bands im Repertoire: Goddammit, Шаййм, Megalith Levitation, Фламандская Школа, Magnetic TarTrap, Dura und Резина. Die Genrepalette deckt alles ab zwischen Doom und Stoner, das man sich vorstellen kann, und auch das, was nicht: Southern Rock, Folklore, Death Metal, Noise Rock, Punk, Glam, Psychedelic, Jazz, Prog Rock, Sludge, Post Rock und gewiss noch viel mehr!

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Charly Maucher – Performance – Teldec 1980/Siereena 2023

Von Matthias Bosenick (27.07.2023)

Es gibt mehr in Hannover als die Scorpions, jaja! Norbert „Charly“ Maucher ist so einer, leider: war so einer, er verstarb vor vier Jahren an Leukämie. Berühmt wurde er durch seine Mitgliedschaft bei der Progrock-Band Jane, und 1980, einige Zeit nach seinem Ausstieg dort sowie zwischen diversen weiteren Engagements, nahm er sein Soloalbum „Performance“ auf. Das klingt erstaunlicherweise weniger nach Kraut oder Prog, sondern mehr nach Nordamerika, nach Classic Rock, nach Südstaaten-Rock, nach Hippie-Rock, nach US-Folk-Rock (also Country und Western), von allem gottlob die unplakative Variante, also ohne Posen, dafür mit filigran gespielten kontemplativen Songs im unteren Midtempo. Eine schöne kleine Perle, die Sireena da wieder entdeckt!

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Hemina – Romancing The Ether – Bird’s Robe Records 2023

Von Matthias Bosenick (26.07.2023)

Okay, Leute, was für Musiker und Genres mögt ihr so? – Hm, Djent wie bei Meshuggah! – Devin Townsend! – Foreigner! – Achtziger-Progrock kurz vor Metal! – Operette! – Streicher! – Ambient! – Techno! – R’n’B-Chartspop! – Stadionrock! – Jau, perfekt, das mischen wir alles mal gut durch, und wenn euch noch etwas einfällt, packt es einfach mit rein, frisst ja kein Brot. Irgendwelche Strukturen, ach, machen wir einfach einen einzelnen Track draus, das wirkt dann wenigstens künstlerisch und nach Sendungsbewusstsein, ausgewählte knackige Elemente können wir immer noch als Single extrahieren. „Romancing The Ether“ heißt es, ist das fünfte Album des Quartetts Hemina aus Sydney und klingt genau so, wie im Anlauf erdacht – bunt gewürfelt, jedoch bewusst konsumiert äußerst anstrengend.

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Voïvod – Morgöth Tales – Century Media 2023

Von Guido Dörheide (24.07.2023)

Voïvod haben heuer wieder einmal mehr ein Album mit mehr als zweifelhaftem Coverartwork veröffentlicht. Eine Best-of sogar, und zwar eine, für die die ersten sieben Songs neu eingespielt wurden, dann folgt ein neues Stück und dann noch eine Coverversion („Home“ von Public Image Ltd.). Kann das gutgehen?

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Andris Zeiberts – Jazzkeller – Bartling Schallplatten/JAW Records 2023

Von Matthias Bosenick (24.07.2023)

Man kann es nicht anders sagen, aber nach Carsten Bohn hatte einfach jeder Schwierigkeiten, mit seiner Hörspielmusik, nicht nur für das Europa-Label und Hauptserien wie Die drei ???, Fünf Freunde oder TKKG, an dem grandiosen Oeuvre des Frumpy-Schlagzeugers anzuknüpfen und trotzdem eine eigenen Note einzubringen. Seit fast 30 Jahren trägt Andris Zeiberts nun Musik nach Europa, und weil das Interesse an Hörspielmusik ungebrochen groß ist, bringt er seine Beiträge jetzt ebenfalls gebündelt heraus. Aus Platzgründen schaffen es leider nur 14 von 24 Tracks auf die Vinyl-Version, aber da Zeiberts und sein Herausgeber Felix Bartling wissen, was die Leute wollen, lassen sie die Tracks weg, die nicht direkt mit den Drei Fragezeichen verknüpft sind, und ermöglichen den Zugriff auf das alles den Rest wenigstens per Download. Der Titel „Jazzkeller“ sagt überdies schon aus, dass Zeiberts‘ Musik der von Bohn noch recht nahe kommt: Hier stecken mehr gespielte Instrumente drin als in den rein elektronisch erzeugten Soundtracks der Kollegen. Und ja, die Stücke der LP kennt man alle, sofern man Hörspiele hört, zum Teil auch schon von der Neuauflage der Drei-Fragezeichen-Folge 29, „Die Originalmusik“.

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Guided By Voices – Welshpool Frillies – Guided By Voices Inc. 2023

Von Guido Dörheide (23.07.2023)

Was King Gizzard & The Lizard Wizard für Australien sind, ist Robert Pollard für Dayton, Ohio. Bzw. sind Guided By Voices für die USA. Seit Ende der 1980er Jahre gibt es die Band in wechselnder Besetzung, neben Pollard wirkte Tobin Sprout für lange Zeit als Songschreiber und Bandmitglied, seit dessen endgültigem Ausstieg im Jahr 2014 ist GbV das alleinige Projekt Pollards. Und er haut Album um Album raus, seit einigen Jahren mehrere pro Jahr. Und das tut er nicht nur, um seinen Ruf als produktivster Songschreiber aller Zeiten zu zementieren, nein, es lohnt sich jedes Mal, seine Alben aufmerksam und immer wieder anzuhören. GbV haben einen hohen Wiedererkennungswert: Das liegt zum einen an Pollards Stimme und zum anderen an seiner Art, Songs zu schreiben, die schnell auf den Punkt kommen, Melodien aufweisen, denen man sich als Freund des Gitarrenindierocks niemals entziehen kann und die zumeist roh und ohne viel Schnickschnack eingespielt und produziert werden. Pollard hört sich an wie ein Onkel von Michael Stipe, dessen Plan, die größte aller Indie-Bands zu gründen, von multinationalen Konsortien hintertrieben wurde und der deshalb dazu verdammt ist, alle paar Monate mit einem Tonträger um die Ecke zu kommen, der sich ähnlich anhört wie der vorherige und dennoch unverzichtbar für die Sammlung eines jeden GbV-Fans ist.

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Big Red Fire Truck – Trouble In Paradise – Bird’s Robe Records 2023

Von Matthias Bosenick (20.07.2023)

Ich mochte solche Musik nicht, als sie neu war, ich mochte sie nicht, als sie als Retro-Phänomen neu war, und ich mag sie auch immer noch nicht, wenn jetzt selbst das Retro-Phänomen retrofiziert wird. Sowas macht sicherlich einige Laune bei 1,3 Atü auf dem Altstadtfest, wenn man sich gegen kurz nach nachts nicht entscheiden kann, ob man bleibt, noch in den Club gehen soll, in dem man 30 Jahre zuvor abhottete und in dem man jetzt von Kids umringt wird, oder besser gleich nach Hause, bevor man vergisst, dass man zum Ausnüchtern inzwischen drei Tage braucht. Big Red Fire Truck aus Sydney spielen auf „Trouble In Paradise“ alle Level durch: Powerchords, Gniedelsoli, mehrstimmiger Grölgesang zum Mitmachen, matschige Drums, Neonschrift auf dem Cover, Löwenmähnen, Jeansjacken, Wildtierprintklamotten und Schnauzbärte, angeblich Hardrock, aber das gilt vielleicht für Anfang der Achtziger gerade noch so – 2023 gibt’s seit 40 Jahren Härteres und Rockigeres. Auch ohne FCKW ist Haarspray diskutabel.

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