Von Matthias Bosenick (17.07.2025)
Da machen die drei Musiker von We As A Company aber einiges Geheimnis um sich, kürzen ihre Namen mit einem Buchstaben ab, verraten als Herkunft lediglich „eine kleine Provinzstadt“ in Italien und liefern gleichzeitig mit „First Summer“ ein Debüt, auf dem sie dem Stoner und dem Doom auf eine Art und Weise Melodien beibrechen, dass es in den härteren Momenten klingt wie eine schwere Variante von Grunge und ansonsten wie eine angerauhte Version britischer Psychedelik. Diese Melodieseligkeit generiert zunächst auch eine Menge gute Laune – und doch liegt diesem ersten Sommer eine natürliche Melancholie inne.
Archiv der Kategorie: Album
Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Psychedelic Renaissance
Von Onkel Rosebud
Meine Freundin hat irgendwo gelesen, dass es eine neue Musikrichtung gibt: Psychedelic Renaissance. Ob ich das schon wisse? Ich sei schließlich im Rahmen der Arbeitsteilung innerhalb unserer Beziehung für sowas zuständig. Ein gewisser Jon Hopkins würde sich da hervortun. DJ Jon Hopkins? Ohne eine öffentlich zugängliche Enzyklopädie bemühen zu müssen, glänzte ich, dass dieser Chicagoer House-Produzent die Verschnulzung von Coldplay beschleunigt hat. London, korrigierte mich meine Freundin, und ergänzte, dass besagter ehemaliger Spaßbeschaller das Standardwerk der Psychedelic Renaissance veröffentlicht hat, welches bezeichnenderweise „Music For Psychedelic Therapy“ (Domino Recording, 2021) heißt. Das wäre der Soundtrack zur Einnahme von bewusstseinsverändernden Substanzen wie LSD, Ketamin und allerlei anderen Mittelchen von Leuten, die sich das leisten können – für therapeutische Zwecke wohlgemerkt, nicht zum Spaß.
WeiterlesenSpezial: Separated Beats, Teil 5 – Zwei Veröffentlichungen 2025
Von Matthias Bosenick (15.07.2025)
Mit zwei neuen Veröffentlichungen beehrt uns das Label Separated Beats: Auf seiner EP „Smooth Rider“ kredenzt uns Tobi Morare Neunziger-Retro-Beats von den Balearen bis zum Drum And Bass und im vierten Teil seiner Reihe „Durchströmungen“ mit dem Titel „Wellenbrecher“ fokussiert sich Ben Bekeschus auf sein Ambient-Alias Spiralectric.
Mazut – Dirt Collector – Positive Regression/Rope Worm 2025
Von Matthias Bosenick (14.07.2025)
„Dirt Collector“ ist eine retrofuturistische Grenzsprengung: Auf diesem ersten Album nach vier Jahren Pause kombiniert das Duo Mazut aus Warschau Industrial, EBM, Acid und Techno früherer Epochen zu etwas Zukunftsweisendem. Auch mit gelegentlichen treibenden Uptempo-Nummern ist die Grundstimmung auf diesem Album eher düster, bisweilen angenehm bedrohlich, unkomfortabel. Zu entdecken gibt es eine Menge: Wie etwa klängen DAF auf Acid?
Sophie Tassignon – A Slender Thread – Nemu Records 2025
Von Matthias Bosenick (11.07.2025)
Dieses Album lässt sich nur bedingt unter Jazz einsortieren – vielmehr ließe sich von experimenteller Neo-Klassik sprechen, wie man sie annähernd auch aus den kulturell offeneren Randbereichen der jüngeren Gothic-Szene kennt. Auf ihrem zweiten Solo-Album „A Slender Thread“ rückt die in Berlin arbeitende Belgierin Sophie Tassignon ihre Stimme in den Mittelpunkt, mal als Vehikel für deutsche, englische, russische oder arabische Texte, mal als avantgardistische Chorbegleitung, mal als zusätzliches Instrument. Außer Ambient-Soundscapes sind kaum Instrumente zu hören – erst im letzten Track wird es plötzlich elektronisch. Dieser Bach reißt die Hörerschaft mit.
6SISS – Spare Parts – Antibody Label 2025
Von Matthias Bosenick (10.07.2025)
Lose Skizzen sammelte Peter Andriaenssens zusammen, sagt er, und erstellte daraus „Spare Parts“, sein neues Album unter dem Alias 6SISS. Darauf zu hören sind Retro-Industrial nach modernster Ausführung, IDM und eine Idee von Techno, von Melodien befreit, nicht indes von Atmosphären und Emotionen, solchen zwischen Einsamkeit und Energieausbruch. Für einen Haufen heterogener Ersatzteile klingt dieses Album des Belgiers angenehm homogen.
Drazek Fuscaldo feat. Jörg A. Schneider & Thymme Jones – Certain Kinds – Schneider Collaborations 2025
Von Matthias Bosenick (08.07.2025)
Das Album beginnt mit einem Lachen. Dabei wirkt die Musik so ernsthaft und melancholisch: „Certain Kinds“ vom Duo Drazek Fuscaldo, bestehend aus Przemysław Krzysztof Drazek und Brent J. Fuscaldo von Mako Sica, hier unter Zuhilfenahme von Schlagzeuger Jörg A. Schneider und Pianist Thymme Jones, lässt sich zwischen Neoklassik, Freejazz und Sakralmusik ansiedeln, hält sein Gestüm im Zaum und lässt sich trotz der unkonventionellen Herangehensweise als entspannend auffassen. Und dann dieses Lachen zu Beginn: Als wüsste man nicht intuitiv sowieso, dass es wohl eine Menge Spaß macht, miteinander solche Musik abseits ausgetretener Pfade zu erstellen.
Maps And Foils – Nulle Part – Maps And Foils 2025
Von Matthias Bosenick (07.07.2025)
Vom Opener sollte man sich nicht abschrecken lassen, wenn einem Härte und Melodien als Kombi nicht so sehr behagen: Maps And Foils aus Paris machen mitnichten Metalcore, dafür aber einen Hardcore, den sie so variantenreich darbieten, wie sie es vor 30 Jahren bei Refused lernten. „Nulle Part“ ist das dritte Album der zum Trio veränderten Band, die sogar nach noch weit mehr Leuten klingt. Hier gibt’s Tupfer von Industrial, Folk und Groovemetal inmitten des Gebrülls, und das kommt gut so.
Marc Ribot – Map Of A Blue City – New West Records 2025
Von Guido Dörheide (02.07.2025)
Irgendwo las ich jüngst, wie es zum Titel des neuen Marc-Ribot-Albums kam: Als seine Tochter ein Kind und Marc Ribot ein junger Vater war, zeichnete die Tochter die Karte einer Stadt in tiefem Blau, und er meinte, das wäre eine schöne blaue Karte einer Stadt. Die Tochter korrigierte den Vater und sagte, es sei keine blaue Karte einer Stadt, sondern die Karte einer blauen Stadt. Sowas kriegen nur Töchter hin, ich musste gleich dran denken, wie meine ältere Tochter früher immer auf meine Frage „Hey M., soll ich die Pizza in 6 oder in 8 Stücke schneiden?“ mit „Papa! 6 Stücke. 8 Stücke sind zu viel, die schaffen wir nicht!“ antwortete und wir uns kaputtgelacht haben. Töchter sagen sowas, und es ist großartig, ebenso wie das „Hey Du! Ich mag Dich nicht mehr – gib mir sofort meine Telefonnummer zurück“ von meiner Jüngsten.
WeiterlesenLa Nouvelle Musique – La Nouvelle Musique – Fruits de Mer Records 2025
Von Matthias Bosenick (03.07.2025)
Von wegen „La Nouvelle Musique“, was das gleichnamige Londoner Duo auf seinem Debütalbum präsentiert, ist schon sehr retro, und außerdem wirkt es wie eine Compilation, weil Joanna Beck und Ian de Silva eine überraschend weite Palette an Genres auf ihre elf Songs verteilen. Kammerpop, Akustik-Folk, Bond-Song, Wave, Soul – was diese Stücke eint, ist eine unterschwellige Melancholie, die selbst bei den fröhlicher arrangierten Songs noch mitschwingt. Gerade das ist ein weiteres Qualitätsmerkmal dieser vermeintlich neuen Musik.