Von Matthias Bosenick (17.12.2024)
Wer den musikalischen Werdegang von IWKC aka I Will Kill Chita aus Moskau verfolgte, hat eine Ahnung davon, wie unvorhersehbar vielseitig der Sound der Band ist – und ist trotzdem unvorbereitet auf deren neues Album „Misha“. Das befasst sich instrumental mit dem Thema Bärigkeit, daher der Titel, der an das russische Nationaltier gemahnt, und deckt, auch dank mannigfacher Unterstützung durch zahllose befreundete Musizierende, von Funk über Crossover, Jazz und Synthiepop bis Dub und Trance die breitestmögliche Palette an Genres ab, ohne dabei den Faden zu verlieren. „Misha“ knallt derbe rein. Bärig!
Archiv der Kategorie: Album
Underworld – Strawberry Hotel – Smith Hyde Productions/Virgin 2024
Von Matthias Bosenick (16.12.2024)
Vor 14 Jahren erschien mit der Doppel-CD-Version von „Barking“ das letzte durchgehend richtig gute Album von Underworld. Die drei danach, inklusive dem neuen „Strawberry Hotel“, erreichen die alte Klasse nicht mehr. Was ist da los? Werden die Herren Rick Smith und Karl Hyde inzwischen alt und müde, müssen sie sich ausruhen, geht ihnen die Motivation abhanden? Das allein kann es nicht sein, der Vorgänger „Drift, Series 1“ bestand aus einem halben Dutzend Alben, „Strawberry Hotel“ hat satte 15 Tracks. Aber irgendwie ist dem englischen Duo die Inspiration für mitreißende, komplexe Techno-Elektronik abhandengekommen. Sie hätten die Menge an Ideen auf weniger Tracks verteilen und besser ausarbeiten sollen.
Astral Kompakt – Goldader – Tonzonen Records 2024
Von Matthias Bosenick (16.12.2024)
Tonnenschwer dringt „Goldader“, das Quasi-Debüt-Album der Kölner Instrumental-Stoner-Band Astral Kompakt, aus den Lautsprechern. Kiffen macht ganz schön heavy, scheint es – das Trio nimmt die Eigenschaft der Steine im Genrebegriff Stoner wörtlich und schiebt massive Massive vor sich her. Die umso gewaltiger wirken, je mehr fein ausgearbeitete Passagen die drei dazwischenschieben. Nur drei Musiker, einmal mehr ringt einem der Umstand der reduzierten Besetzung ein anerkennendes Kopfnicken ab – zusätzlich zu dem, das man ohnehin zur Musik an den Tag legt.
Sendelica – Requiem For Mankind – Fruits De Mer Records 2024
Von Matthias Bosenick (12.12.2024)
Der vierte Teil einer Trilogie, auf solcherlei Paradoxien verstehen sich Briten ja, und wie Douglas Adams verbringt auch das Trio Sendelica auf „Requiem For Mankind“ einen großen Teil seiner Spielzeit im All. Aber nicht vollständig, dieses Doppel-Vinyl mit vier extralangen instrumentalen Tracks wechselt so manches Mal die Richtung, wenn auch dem Genre angemessen gemächlich: Ambient, Gniedel-Prog, Space-Dub, Neo-Klassik, Doom-Metal, Filmscore – und über allem liegt ganz viel Hall. Setzt man sich mit den Themen auseinander, die die Waliser beschäftigen, auch ohne darüber zu singen, gibt die Menschheit kein besonders gutes Bild ab. Dieser Soundtrack zum Weltuntergang fällt umso besser aus.
Moonya – Faces – Atypeek Music 2024
Von Matthias Bosenick (11.12.2024)
Mit ihrem mit einem Jahr Verzug erschienenen Debüt „Faces“ überrumpelt die selbsternannte One-Woman-Band Moonya aus der Normandie ihre Hörerschaft: Vorab lässt Amandine Fontaine-Rebière nämlich wissen, dass sie die Songs allein und auf Basis von Loops erstellte, startet das Album auch artig mit einem chillig-minimalistischen Electro-Chanson – und klingt dann bereits im dritten Lied wie eine komplette Band. Diese Spannweite behält sie über das gesamte Album hinweg bei, kreiert damit verträumte, gleichwohl kraftvolle Lieder, elektronisch grundiert, mit allerlei weiteren Instrumenten erweitert und gelegentlich energetisch aus sich herauskommend.
W3 4r3 Num83r5 – Death Finds A Way – Loud Rage Music 2024
Von Matthias Bosenick (10.12.2024)
Metalcore schreiben W3 4r3 Num83r5, also We Are Numbers, auf ihre Schublade, und gottlob stimmt das nur minimal. Mit „Death Finds A Way“ werfen die Rumänen aus Brașov, die sich selbst Leet-mäßig in Großbuchstaben und Zahlen W3 4R3 NUM83R5 schreiben, ihr zweites Album in zehn Jahren auf den Markt. Darauf grooven die Jungs nach mehr als nur Metalcore-Art, das reicht von Thrash bis Djent, inklusive Electro- und Melodie-Sprenkeln, alles schön in einen Quirl gehauen. Das ist dann auch das Eigene an diesem Album: die Kombi aus allem.
Misha Chylkova – Dancing The Same Dance – Gare Du Nord Records 2024
Von Matthias Bosenick (06.12.2024)
Ah, cool: Das Album „Dancing The Same Dance“ beginnt mit demselben Sample, mit dem es endet, und erfüllt damit einen der vielen Ansätze, den die in Tschechien geborene Londonerin Misha Chylkova ihrem Debüt zugrundelegt: das Konzept des Loops. Ein weiteres Konzept ist inhaltlich motiviert, nämlich die diversen Zustände der Liebe abzubilden, dargereicht aus einer persönlichen Perspektive. Mit ihrem Album-Auftakt gerät der Multiinstrumentalistin gleich ein formidables Werk für die Bestenlisten, zwischen trippig-elektronischen Kammerstücken bis zu ausgearbeiteten elegischen Popsongs. Und alles beginnt von vorn.
Liegengeblieben! – Drei Alben
Von Chrisz Meier (05.12.2024)
Hallo. Ich bin Chrisz Meier und arbeite bei einem Bürgerradio in Südwest-Niedersachsen. Der Sender bekommt ständig Promo-CDs zugeschickt, die niemand verlangt hat und um die sich niemand kümmert. Diese CDs landen dann mitsamt ihrem Beipackzettel der Plattenfirma, auf der die jeweilige Band stets als die Neuerfinder der Musik gepriesen wird, in einer schmucklosen Ablage, beschriftet mit „Zum Mitnehmen“. Einige der bei dem Sender ehrenamtlich Tätigen, Betreiber ihrer eigenen Radioshows, bedienen sich daraus, vieles bleibt aber dennoch liegen. Diese Liegengebliebenen durchforste ich in unregelmäßigen Abständen, immer auf der Suche nach unentdeckten Perlen – nicht zuletzt deswegen, weil ich, selbst Teil einer Band, der keinerlei Beachtung entgegengebracht wird, es ungerecht finde, diese mit viel Herzblut und Geld hergestellte Musik einfach zu ignorieren.
Also werde ich an dieser Stelle hin und wieder ein paar dieser Liegengebliebenen vorstellen.
WeiterlesenDevin Townsend – PowerNerd – HevyDevy/Inside Out/Sony 2024
Von Matthias Bosenick (05.12.2024)
Endlich wieder ein nachvollziehbares Metal-Album vom größtmöglichen Helden der lebenden kanadischen Gitarristen der Welt! Und dann noch mit so einem geilen Titel: „PowerNerd“, passender geht’s kaum für einen ufer- und grenzenlosen kreativen Exoten wie Devin Townsend. Hier ist alles drauf, was man an ihm liebt: wuchtige Riffs, hübscher Pop-Metal, ordentlich Schub, fetteste Power, muss ja, Electro-Effekte, Akustik-Balladen, Ambient und bei aller schmerzverzerrten Tiefgründigkeit auch Bombenhumor – „Ruby Quaker“ dürfte der Song des Jahres sein, wakey-wakey. Hier folgt Hit auf Hit, so vielseitig, und doch behält Dev dieses Mal die Übersicht. Anders als gewohnt ist hier allerdings die Bonus-CD verzichtbar. Und Anneke van Giersbergen fehlt!
Xoltergeist – Xoltergeist – Dirt Boucher 2024
Von Matthias Bosenick (04.12.2024)
Oh Gott, dieser Satan! Als Ergebnis der Idee, Black Metal mit Disco zu kombinieren, stellt Schlagzeuger Dirt Boucher aus Pennsylvania sein Solo-Projekt Xoltergeist vor, an dessen selbstbetitelten Album sein Freund Srogi Mroczek maßgeblich mitarbeitete. „Xoltergeist“ ist eine Sammlung schneller Skizzen, die die beiden im Studio anfertigten, rauh, ruppig, rotzig, und eigentlich weder Black Metal noch Disco. Der repetitive Beat war Boucher wichtig, die Gitarren dazu kommen eher aus der Garage als aus der Hölle. Das ist schon eher etwas für die Spaßschublade, in besser ausgearbeitet wären diese Kleinode respektabler ausgefallen.