Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Warum Elbow die besseren Coldplay sind

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin hat die These, dass Coldplay aufgehört haben, Musik zu machen. Lalala „Moon Music“ (Parlophone) Lalala, das zehnte Studioalbum von Chris Martin & Co aus dem Jahr 2024 ist nicht mal Fahrstuhlmusik. Wahrscheinlich muss die Band irgendeinen Label-Knebel-Vertrag erfüllen, um vor allem viel Geld zu verdienen. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Band, die einst im Alternativ-Umfeld mit melancholischen, introspektiven Sounds („Parachutes“ und „A Rush Of Blood To The Head“) begann, sich dann aber mit fröhlich- schnulzigem Pop Richtung Massengeschmack entwickelte. Seitdem ist jede neue Coldplay-Platte wie ein Besuch beim Proktologen: Meine Freundin weiß, dass es weh tun wird, muss aber trotzdem reinhören. Ihrer Meinung nach hat das schleichende Ende der Beliebigkeit des kreativen Outputs der Band mit der Beziehung von Chris Martin zu Gwyneth Paltrow zu tun.

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Mark Springer/Neil Tennant/Sacconi String Quartet – Sleep Of Reason – Sub Rosa 2025

Von Matthias Bosenick (28.05.2025)

„El sueño de la razón produce monstruos“ ist die Nummer 43 des achtzigblättrigen satirischen Zyklus‘ „Los Caprichos“ aus Aquatinta und klassischer Radiertechnik, mit dem Francisco de Goya zum Ende des 18. Jahrhunderts seine gesellschaftskritische Sicht der Welt darlegte. Dieses Blatt griffen Neil Tennant, seit über 40 Jahren Sänger des Synthiepop-Duos Pet Shop Boys, und Mark Springer, bis vor 40 Jahren Mitglied der Experimental-Popband Rip Rig + Panic, der auch Neneh Cherry angehörte, auf und komponierten das dreiteilige Stück „Sleep Of Reason“ drumherum. Für den ersten Teil verfasste Tennant Texte, jenen und den zweiten begleitet das Sacconi String Quartet, den dritten performt der Komponist solo am Piano. Das Ergebnis: viel Kopf, wenig Herz, reichlich artifiziell und spröde. Aber was weiß denn schon jemand, der von Klassik keine Ahnung hat.

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Markus Reuter feat. Fabio Trentini and Asaf Sirkis – Truce <3 – Iapetus Media 2025

Von Matthias Bosenick (27.05.2025)

Das glaubt man gar nicht: Dieses Jazz-Rock-Fusion-Album mit dem herzigen Titel „Truce <3“ entstand ohne kompositorische Vorarbeit, schlichtweg aus dem heraus, was die drei Musikanten Markus Reuter an der E-Gitarre, Fabio Trentini am Fretless Bass und Asaf Sirkis am Schlagzeug miteinander im Studio generierten. Wenn man Leute zusammenschiebt, die etwas auf dem Kasten haben, klingt das Ergebnis nicht nur so, als wäre es beabsichtigt gewesen, sondern auch noch überraschend zugänglich, eingängig bald, trotz der herausfordernden experimentellen Anteile. Die können einfach was, und sei es auch nur, sich im geeigneten Moment zurückzuhalten.

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Metal Charm – Visions Of Escape – Bitume Prods 2025

Von Matthias Bosenick (26.05.2025)

Was die fünf Mucker von Metal Charm aus İzmir in der Türkei auf ihrem zweiten Album „Visions Of Escape“ zusammenbringen, funktioniert besser, als es sich lesen mag: Unter Melodic Death Metal sortiert sich das Quartett ein, was bedeutet, dass es hier fette Riffs auf die Fresse gibt, dazu Growls und Keifen – und dem klassischen Heavy Metal der Achtziger entliehene Power-Passagen. Alles für sich wäre konventionell, die Kombi hingegen lässt aufhorchen.

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Spezial: Addicted Label aus Moskau, Teil 17

Von Matthias Bosenick (23.05.2025)

Unsere Moskauer Freunde sind wieder aktiv! Fünf neue Veröffentlichungen gibt’s auf dem Label addicted/noname: „Bibliotheka XXXX“ von LibrёFnørd soll Impro-Metal sein, ist aber eher improvisierter Jazz. Mit „Geo Murmuratio“ kredenzt Starlit Tales Ambient-Relax-Musik zu literarischen Reisegeschichten. „Смерть подождет“ von Zatvor ist dunkel-gruftiger, epischer, rauher Doom. Die Band Petyaev-Petyaev (Петяев-Петяев) macht auf „Отсутствие“ wilden Free Jazz. Noch wilder ist „Вкус жареных гвоздей“ vom aus drei Bands bestehenden Projekt Pizzdol EB – ein akustischer Schlag aus Free Jazz, Noisecore, Hip Hop und Pop mitten in die Fresse.

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Dirk Serries – The Might Of Stars Sublime – Audiophob 2025

Von Matthias Bosenick (22.05.2025)

Heimlich wie die Kraft der Sterne bedient sich Dirk Serries für den Titel seines neuesten Albums (obwohl das zum Zeitpunkt der Niederschrift bei dem vielbeschäftigten Antwerpener vermutlich nicht mehr zutrifft) „The Might Of Stars Sublime“ bei Johann Wolfgang von Goethes Gedicht „Glück der Entfernung“. So poetisch wie der Titel ist auch die Musik, möchte man sagen. Dieses Mal hat sein mit der E-Gitarre erzeugter Ambient mehr Modulation als auf anderen Veröffentlichungen dieser Art, man ist beinahe geneigt, zu sagen: mehr Tempo, was bei beatlosem Ambient natürlich etwas schwierig zu ermitteln ist. Strahlende Schönheit liegt ihm ebenso inne wie beklemmende Spannung.

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Mauvais Sang – La Faune – Daaganda Records 2025

Von Matthias Bosenick (22.05.2025)

Endlich wieder Mucke von jungen Leuten, die keinen Bock auf Grenzen, Trends oder Anpassung haben! Das paneuropäische Quartett aus drei bis fünf Beteiligten mit dem bedauerlicherweise mehrmals vergebenen Namen Mauvais Sang kombiniert auf seinem zweiten Album „La Faune“ Sounds und Genres miteinander, die nicht zusammengehören, aber bestens zusammenpassen, und decken damit zwischen tanzbar in die Fresse und chillig auf der Psychocouch eine beeindruckende Skala an Genres und Emotionen ab. Merkwürdig ist lediglich, dass die vorausgegangene „La Flore EP“ zu drei Vierteln enthalten ist – ganz oder gar nicht, oder? Ändert aber nix daran, dass „La Faune“ mächtig geil geraten ist.

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Willie Nelson – Oh What A Beautiful World – Legacy/Sony Music 2025

Von Guido Dörheide (21.05.2025)

Was für die Sesamstraße „Marshall Grobi und sein Wunderpferd Fridolin“ sind, ist für den Rest der Welt Willie Nelson und seine Gitarre „Trigger“. Alle beide sind glücklicherweise einfach nicht totzukriegen, und Nelson ist beispielsweise einer der letzten Zeitzeugen des großen Elvis Presley – also nicht Zeitzeugen im Sinne von „Ich war auch schon am Leben, als Elvis noch nicht tot war“ – das trifft auf so ziemlich fast alle Leute zu, die ich kenne – nein, Nelson ist knapp zwei Jahre vor Elvis Aaron Presley auf die Welt gekommen, hat allerdings erst ein paar Jahre später begonnen, Songs aufzunehmen, und im Gegensatz zum Dings of Rock’n’Roll gibt es ihn immer noch und er schmeißt immer noch neue Songs unter die Leute, mit einer Frequenz, gegen die selbst Neil Young (der im Gegensatz zu Presley und Nelson echt relativ jung ist und nicht nur so heißt) aussieht wie ein zu Veröffentlichen zu fauler 79-Jähriger – Nelson ist inzwischen 92 Jahre alt und scheißt sich nix, immer noch alle paar Monate mal ein neues Album auf den Markt zu werfen – „Oh What A Beautiful World“ ist bereits sein siebenundsiebzigstes!!! Buddy Cannon hat es produziert und Nelson singt zwölf Lieder, die sich Rodney Crowell ausgedacht hat, den ich als Duettpartner von Emmylou Harris sehr schätze und der auf dem Titelstück auch selber mitsingt.

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The Great Sea – Noble Art Of Desolation – AOP Records 2025

Von Guido Dörheide (21.05.2025)

Eine neue Band aus Deutschland, genauer gesagt aus Nordrhein-Westfalen, was wir im Gegensatz zu Mittelfranken oder Göttingen mal gelten lassen – „The Great Sea“ machen Black Metal und sind in der Musikszene keine Unbekannten: Janosch Rathmer (Schlagzeug, Keyboards, Bass) und Stefan Hackländer (Gitarre, Keyboards) wirk(t)en bislang in Bands wie Misery Speaks, Long Distance Calling, Steel Death, Black Horizonz und Ordeal & Plight. Bei The Great Sea bilden die beiden die Instrumentalfraktion, das Projekt (die Band?) ist jedoch keineswegs alleinig instrumental unterwegs, Phil „sG“ Jonas von den wunderbaren Secrets Of The Moon (falls Ihr die nicht kennt, gerne mal in „Sun“ und „Black House“ reinhören!) und Matthias „Azathoth“ Jell, ex-Dark Fortress und Gràb., machen den Gesang. Und wie!

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