GGGOLDDD – This Shame Should Not Be Mine – Artoffact Records 2022

Von Guido Dörheide (20.04.2022)

Gold haben sich umbenannt in GGGOLDDD, und das könnte daran liegen, dass das neue Album „This Shame Should Not Be Mine“ einen stilistischen Bruch mit den bisherigen Veröffentlichungen der niederländischen Band markiert. Es handelt sich um ein Konzeptalbum, in dessen Songs die Sängerin Milena Eva thematisiert, dass sie im Alter von 19 Jahren vergewaltigt wurde. Entsprechend des Themas ist „This Shame Should Not Be Mine“ ein sehr intimes und naturgemäß verstörendes Album, denn es behandelt das schlimmste Verbrechen, das einem Menschen angetan werden kann.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album

Edgar Winter – Brother Johnny – Quarto Valley Records 2022

Von Guido Dörheide (17.04.2022)

Diese Arbeit ist ein Fest für den Rezensenten: Außer eine Viertelstunde lang zu beteuern, wie grandios sich dieses Album anhört, und ein wenig Namedropping gehobenerer Klasse zu betreiben, habe ich nichts zu tun, und dazu läuft im Hintergrund härteste Bluesmusik der Extraklasse.

Neben Stevie Ray Vaughan ist Johnny Winter mein allerliebster weißer Bluesgitarrist (Ja. Ich weiß. Das hört sich an, als müsse man tot sein, um in meine persönliche Hall of Fame aufgenommen zu werden, aber ich beteuere – es ist nicht so, wie es aussieht! Zufall, das!). Schon bei Winters Originalalben fand ich immer: Der Typ klingt HART, es kreischt, quietscht, niemals gibt er Ruhe, bevor er nicht aus jeder Komposition – egal ob von den Großen seiner Berufsgruppe gecovert oder selbst geschrieben – das absolut allerletzte herausgequetscht und sich dabei komplett verausgabt hat.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album

Wet Leg – Wet Leg – Domino 2022

Von Guido Dörheide (15.04.2022)

„… I‘ve got a chaise longue in my dressing room and a pack of warm beer that we can consume“ – ich glaube, mit diesen unsterblichen Worten ließe sich problemlos jede Person (m/w/d) aus der ersten Reihe nach dem Konzert von der diensthabenden Vokalistin in den Backstage-Bereich abschleppen. Mit dem Song Schäselong sind Wet Leg im vergangen Jahr direkt aus der Lamäng viral durch die Decke geschossen, heuer ist nun das lang ersehnte Debütalbum des Duos von der Isle Of Wight erschienen und – hier mache ich gleich mal den Windabweiser – es enttäuscht von der ersten bis zur letzten Sekunde überhaupt gar kein bisschen. Klar hat „Chaise Longue“ aufgrund seiner Bekanntheit und des kolossal nervigen Refrains („On the chaise longue, on the chaise longue, on the chaise longue all day long, on the chaise longue“ – Wo nochmal? Ah, Moment, sie wiederholen die Zeile gerade, vielleicht kriege ich es dann noch mit…), der sich im Übrigen keinesfalls nervig, sondern einfach nur toll anhört, einen gewissen Ausnahmestatus auf dem Album, aber wirklich alle anderen Songs können es mit ihm aufnehmen – vor allem textlich.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album

Midnight Oil – Resist – Sony 2022

Von Matthias Bosenick (13.04.2022)

Was für eine Energie! Nach 20 Jahren im australischen Politzirkus hat sich bei Peter Garrett vermutlich noch mehr Frust und Wut angestaut, als es davor zu aktiven Zeiten als Sänger von Midnight Oil schon der Fall war. Jetzt sind Midnight Oil wieder da, „Resist“ ist das bereits zweite Album seit der erneuten Zusammenkunft und soll nach Angaben den Band altersbedingt auch das letzte sein (Garrett wird am Samstag 69 Jahre alt, Bassist Bones Hillman starb vor zwei Jahren, war an „Resist“ aber noch beteiligt). Ein bedauernswerter, aber ein Abgang mit Schmackes wäre das – und keiner mit einem neuen Radiohit à la „Beds Are Burning“, solche hatten Midnight Oil in den zwölf aktiven Jahren nach „Blue Sky Mine“ ohnehin nicht mehr im Repertoire, sondern viel störrischere, eigensinnigere, kraftvollere Rocksongs mit Botschaft und trotzdem auch Spaß am Rocken, durchsetzt mit kaum weniger intensiven Balladen. Wie auf „Resist“.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album

Harry Payuta & Friends – Black Match – Sireena 2022

Von Matthias Bosenick (12.04.2022)

Man muss einfach das Wort „vielsaitig“ verwenden, wenn man über Harry Payuta spricht. Sein neues Album „Black Match“ spielt er in Triobesetzung ein und greift darauf sowohl auf bereits veröffentlichte Stücke seiner dreißigjährigen Karriere als auch auf Neukompositionen zurück. Wissen muss man, dass der Bremer Gitarrist zeitgleich der Meister der Sitar ist, um grob abzuschätzen, welchen Stellenwert das Album hat: Allein in der Instrumentenwahl ist ja das Weltenbummlertum verankert, zusätzlich ist er auch physisch ein Globetrotter, eben erst aus Spanien und Lateinamerika zurückgekehrt, um diese Quasi-Werkschau einzuspielen. Chilliger, abgehangener, nicht zu sehr verzerrter, gutgelaunter, zeitloser klassischer Rock mit Weltmusiktouch, detailreichen Arrangements – und Ausdauer: Das Album hat 21 Songs und dauert rund 77 Minuten. Das erfordert Sitzfleisch.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album

Bilderbuch – Gelb ist das Feld – Maschin Records/Universal Music 2022

Von Guido Dörheide (09.04.2022)

So einfach haben mir Bilderbuch den Einsteig in ein neues Album noch nie gemacht: „Bergauf“ ist unterlegt mit einer angenehmen Akustikgitarre und beginnt direkt mit einem Solo, das sich von zunächst clean mit schön Hall dann, nachdem das verhalten galoppierende Schlagzeug eingesetzt hat, in leicht angezerrt indierockig steigert. Dazu spielt der Bass wirklich schöne Läufe, sehr songdienlich, aber immer gut identifizierbar. Mit derartiger Wärme empfangen, kann Maurice Ernst mit seiner bekloppten Art zu singen auch nichts mehr kaputtmachen. Hätte ich jetzt fast geschrieben. Statt dessen schreibe ich: Sobald der charismatische Frontmann der einstmals innovativsten Rock-Formation der Welt, wenn nicht gar Europas, sein wie ehedem oberlässig vorgetragenes Signature-Crooning ins – diesmal in gelber Farbe erstrahlende – Feld führt, weiß „der Kenner“ (bei so einem Geschwurbel verzichte ich gerne mal aufs Gendern, nicht dass ich damit weiblichen und diversen Butterbrot-Fans auf die Füße trete) – hier hat er es mit dem neuen Album von Blumenbeet zu tun.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album

Boris – W – Sacred Bones Records 2022

Von Guido Dörheide (09.04.2022)

Die japanischen Doom/Drone Doom/Noise-Psychedelic-Stoner-Sludge-Drone-Doom-Gött*innen Boris worshippen den Amplifier nun schon seit 1992: Benannt nach dem Eröffnungsstück des Melvins-Albums „Bullhead“ aus dem Jahr 1991 bereichern Wata (Gitarre, Gesang), Takeshi (Bass, Gitarre, Gesang) und Atsuo (Drums und – hm? Häh? – klar: Gesang) seitdem die Musiklandschaft – und das nicht zu knapp. Das 1996er Debütalbum „Absolutego“ enthielt exakt ein Stück (ich habe nachgezählt – zweimal!) von gut einer Stunde Länge. Dieses enthielt bereits all das, was Doom oder Drone Doom ausmacht: Repetition, Repetition, Repetition und eine gute Portion Distortion. In den folgenden Jahren haben Boris einen Knaller nach dem anderen auf dem Markt geworfen: 2003 „Akuma No Uta“ mit einer Kopie des ikonischen Cover-Artwork des Nick-Drake-Albums „Bryter Later“, nur dass Takeshi darauf keine Akustik-Gitarre, sondern seine nicht minder mehr ikonische Double-Neck präsentierte – oben Bass, unten Gitarre, in den nächsten Jahren Klassiker wie „Pink“ oder „Altar“ (gemeinsam mit Sun O))) ) – das einzige Album, das jemals mit „Earth 2“ von Earth verglichen wurde – und bis heute sind Boris nicht müde geworden, weiter, tiefer und eindrucksvoller in diese Kerbe zu hauen.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album

Parallele Mütter (Madres paralelas) – Pedro Almodóvar – E 2021

Von Matthias Bosenick (06.04.2022)

„We should all be feminists“ steht auf einem T-Shirt, das Penélope Cruz in einer Szene des Films „Parallele Mütter“ trägt, und damit bringt Regisseur Pedro Almodóvar viel Grundsätzliches in seiner Weltsicht zum Ausdruck. In Haltung und Farbe ist „Parallele Mütter“ ansprechend warmherzig geraten, dabei bedient sich Almodóvar klassischer Suspense-Methoden, um sein Beziehungsdrama, das weit mehr ist als das, zu erzählen, gemessenen Schrittes und mit mehr Vergebung, als die Menschheit an sich aufzubringen in der Lage ist. Einmal mehr mit Mutterschaft als ewigem Thema Almodóvars; und zwei Stunden großartiges Kino.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Kino

Skim – Skim – Schneider Collaborations 2022

Von Matthias Bosenick (04.04.2022)

Endlich. Endfuckinlich!!!! Generationen von Indie- und Noiserock-Fans warten auf diesen Moment: Das bislang unveröffentlichte und absolut zeitlose Album des temporären Projektes Skim ist – um es zu wiederholen – endlich! verfügbar, als Download bei Bandcamp und als CDr im Digipak. 20 Jahre lang lag diese Preziose in einer Schublade, jetzt atmen die Freunde rheinischer Lärmmusik auf, die auf den Pfaden von BluNoise, Yvonne Nußbaum, Jörg A. Schneider und Carsten „Cazy“ Schmidt unterwegs sind: „Skim“ von Skim ist da. Und das Album ist gut, Noiserock in entspannt, pianodominiert, elektrifiziert, songorientiert – und der Hörer hyperventiliert. Übrigens inklusive der zur Legende gewordenen Coverversion von „Blueprint“, im Original von den Rainbirds. Und Guido Lucas war hier beteiligt. Und: Endlich!!!

Weiterlesen

Aldous Harding – Warm Chris – 4AD 2022

Von Guido Dörheide (03.04.2022)

So – hier jetzt als Einstieg kein KBV (Kate Bush Vergleich, mit fehlenden Bindestrichen). Aldous Harding HAT eine tolle Stimme, und sie scheut auch nicht davor zurück, diese auch einzusetzen, steht aber meiner Meinung nach komplett für sich selbst und singt auf nahezu jedem Stück des neuen Albums so, als sänge jemand anderes als auf dem vorhergehenden Stück. Allein der Künstlername nimmt mich für die Neuseeländerin Hannah Sian Topp ein – 50% Brave New World, 50% Dylan – geht kaum besser. Obwohl a) der Vorname wohl nicht von Huxley inspiriert ist und b) „Harding“ tatsächlich der Familienname von Hardings Mutter ist. Aber egal – manche Namen klingen einfach toll und warum denn auch nicht?

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Album