Miranda Lambert – Palomino – Sony Music 2022

Von Guido Dörheide (04.07.2022)

Egal ob solo oder zusammen mit Ashley Monroe und Angaleena Presley in der gemeinsamen Country-Supergroup Pistol Annies – ein neues Album von Miranda Lambert wird von mir immer mit großer Spannung erwartet und hat mich noch nie enttäuscht – im Gegenteil, sowohl die Pistol Annies als auch Lambert solo werden von Veröffentlichung zu Veröffentlichung immer besser. Der Einstieg in Lamberts Werk war für mich vor einigen Jahren der Song „The House That Built Me“ vom 2009er Album „Revolution“, der in dem Rolling-Stone-Artikel „50 Country Albums Every Rock Fan Should Own“ als möglicherweise bester Country-Song des noch jungen Jahrhunderts bezeichnet wurde und dadurch mein Interesse weckte. „The House…“, einen wunderschönen, sentimentalen Song über Lamberts Elternhaus und ihre Gefühle gegenüber ihren Eltern, habe ich seitdem gefühlt Hunderte von Malen gehört und es niemals geschafft, am Ende nicht zu heulen wie am Spieß.

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Stranger Things 4 – The Duffer Brothers – Netflix 2022

Von Matthias Bosenick (04.07.2022)

Emotional überwältigend in vielen Aspekten: Die vierte Staffel der 2016 als Retro-Kinder-Grusel gestarteten Netflix-Serie „Stranger Things“ macht so viel besser als die dritte, dass man den verlorenen Glauben an die Reihe nicht nur wiederfindet, sondern auch noch verstärkt. Das liegt an der stark emotional ausgeprägten Geschichte, die aufgrund der überzeugenden Figuren und der vorrangig plausibel bis stringent erzählten blutigen und monströsen Weltenrettergeschichte so nachhaltig einschlägt. Und dann rührt es auch noch an, dass man überhaupt im Jahre 2022 als x-te Staffel einer Erfolgsreihe etwas – auch filmisch! – qualitativ so Hochwertiges geboten bekommt, vor allem, nachdem es einmal so eklatant schlecht gelaufen war. Staffel 4 ist ein Einschlag, in Herz und Hirn und Innereien. Man kann nur staunen. Und man behält die Menschen aus Hawkins nachhaltig bei sich.

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Kreator – Hate über alles – Nuclear Blast 2022

Von Guido Dörheide (28.06.2022)

Kreator. Von den großen 4 des Teutonic Thrash Metal die Allergrößten. In meinen Augen größer, als Metallica es je werden können. OK – Metallica haben den (in meinen Augen allereinzigsten) Vorteil, dass sie seit dem Rauswurf des begnadetsten, wenn auch bescheuertesten Thrashmetalgitarristen der gesamten Bay Area ihr Line-up nur einmal gezwungenermaßen geändert haben, und das war, als der Bassist Cliff Burton infolge eines supertragischen Tourbusunfalls verstorben ist. Und durch den wahrhaft großen Jason Newsted ersetzt wurde, mit dem Metallica ihr letztes gutes Album (nein Matze – nicht das Schwarze [der Ansicht bin ich auch gar nicht, Anm. d. Matze]) aufgenommen haben. Der spätere Abgang von Newsted und sein Ersatz durch Rod Gonzales oder wie der heißt läuft m.E. nur noch unter Ferner Liefen. Aber ich schweife ab: Kreator sind natürlich in erster Linie Mille Petrozza. Und das reicht erstmal völlig aus. Und neben Mille klebt der wahnsinnige Ausnahmeschlagzeuger Jürgen „Ventor“ Reil im Line-Up der Band wie eine Tube Pattex – nur in den 90ern war er mal für ca. zwei Jahre nicht dabei. Und das ist der Hammer – normalerweise sind es die Schlagzeuger, die ob ihrer harten körperlichen Maloche am Schnellsten verschleißen (siehe beispielsweise Phil Collins).

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Ben Aaronovitch – Die Silberkammer in der Chancery Lane (Amongst Our Weapons) – dtv 2022

Von Matthias Bosenick (27.06.2022)

Was macht man, wenn eine Buchreihe erfolgreich ist und man gesichert weiß, dass Neuerscheinungen von fanatischen Fantasy-Fans sofort erworben werden? Klar: die Bücher teurer. Heißt zum zweiten Mal in der „Die Flüsse von London“-Reihe von Ben Aaronovitch, dass der deutsche Verlag dtv das Format sinnlos aufbläht und dieses Mal dafür sogar satte sechs Euro mehr pro Buch einstreicht. Genau so sinnfrei ist der Versuch, die deutschen Titel einer Corporate Identity zu unterwerfen, die sie im Original nicht haben – offenbar traut man seiner Leserschaft nicht den popkulturellen Horizont zu, den der Autor hat, denn „Amongst Our Weapons“ spielt, wie so viele Stellen im Buch, allen voran die Zwischenüberschriften, auf Monty Pythons Flying Circus an: „Nobody expects the Spanish Inquisition!“, mit direktem Bezug zum Inhalt dieser neunten Geschichte der Urban-Fantasy-Reihe um Zauberpolizist Peter Grant. Aaronovitch schreibt hier wieder ausufernd, und doch konzentrierter, spannend, humorvoll, sprachlich gewandt und einfallsreich über einen Racheengel, der direkt aus der Epoche der Spanischen Inquisition stammt. Und im Buch werden Monty Python nicht einmal überhaupt erwähnt.

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Santiano – Live open air in Goslar vor der Kaiserpfalz, 23. Juni 2022

Von Guido Dörheide (27.06.2022)

Eigentlich sollte Iron Maiden in FFM gegen Ende Juli mein erstes Konzerterlebnis nach dem Lockdown werden. Aber da hatte ich die Rechnung ohne die zauberhafteste aller denkbaren Konzertbegleiterinnen gemacht, die mir am letzten Donnerstag zwei Karten für Santiano am selben Tag vor der Kaiserpfalz zu Goslar unter die Nase hielt und fragte, ob ich da mit ihr hingehen würde. Ich war zugegebenermaßen baff, da maximal unvertraut mit dem Oeuvre von Santiano, aber dass das eine wunderbare Live-Band sein sollte, hatte ich schon mal gehört, und so stammelte ich, dass ich in es ihrer Begleitung natürlich auch über alle Maßen genießen würde, die Bottroper Fußgängerzone mit einer Zahnbürste vom Staube zu befreien und ansonsten für jede neue Erfahrung offen sei. Und mich total auf das Open-Air-Konzert vor der Kaiserpfalz freue.

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Ivan Nahem + ex->tension – Crawling Through Grass – Arguably Records 2022

Von Matthias Bosenick (22.06.2022)

Wenn Noiserocker andere Stecker einstöpseln: Das neue Solo-Album von Ivan Nahem aus New York, der seit Ende der Siebziger in diversen Bands und Projekten von Ritual Tension, Carnival Crash bis Swans die stromgitarrenbefeuerte Lärmmusik mitgestaltet, fördert eine überraschende andere Seite des Yoga-Lehrers zutage: „Crawling Through Grass“ ist Ambient, und wer Ambient weitgefasst kennt, weiß, dass diese chillige musikalische Spielart auch Lärm beinhalten kann, nur sanfter, gern als Drone getarnt, mit Field Recordings und Improvisationen versetzt, mitnichten ein langweiliger Soundteppich mithin, und genau so verhält es sich bei diesem Album. So richtig solo ist es auch nicht, Nahem holte sich teilweise via Internet satte zwei Handvoll Gäste dazu, die mit ihm durchs Gras krabbeln. Und wie schön es dort ist!

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Vinterdracul – The Lee Variations – Canticle Throe 2022

Von Matthias Bosenick (21.06.2022)

Mit einem guten Witz fängt das neue Vinterdracul-Album an: Der erste Track auf „The Lee Variations“ heißt nämlich „End Scene“. Das Duo aus Baltimore bindet alles in sein Vampirkonzept ein, bei dem titelgebenden Lee handelt es sich wahlweise um den Schauspieler Christopher oder um eine Figur aus „The Vampire Diaries“. An die Sisters Of Mercy angelehnten Black Metal wollen Weirding Batweilder und Jean Farriage machen, wie sich die Musiker themengerecht nennen, doch – nun: Die Musik ist ein relativ proberaumiges Gerumpel mit einem enervierenden Geschrei als Gesang. Es fällt schwer, das Album durchzuhalten und die möglichen guten kompositorischen Ideen herauszufiltern; es gibt sie, durchaus, man braucht aber Durchhaltekraft, der Mucke auf den Zahn fühlen zu wollen, sonst beißt man sich die Zähne aus.

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The Waterboys – All Souls Hill – Cooking Vinyl 2022

Von Guido Dörheide (18.06.2022)

Remember Mike Scott? Der eine und einzige Mike Scott, der auf den früheren Waterboys-Albumcovers immer so aussah, als könnte er auch bei Echo und den Bunnymen mitmachen? Ich erinnere mich noch genau an „A Pagan Place“, mit Mike Scott vorne drauf, damals, in Gifhorn in der „Plattenkiste“, und Mike Scott sah einfach toll darauf aus. Genau dieser Mike Scott hat ein neues Album draußen (das macht Mike Scott sehr oft, ich weiß), und es ist ebenfalls apselut toll.

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Tedeschi Trucks Band – I Am The Moon: I. Crescent – Fantasy 2022

Von Guido Dörheide (17.06.2022)

TTB haben im vergangenen Jahr das Husarenstück unternommen, „Layla And Other Assorted Lovesongs“ von Eric und den Dynamos, äh sorry, Derek & The Dominos von der ersten bis zur letzten Note live nachzuspielen und – als wäre das nicht vermessen genug – auch noch eine Live-CD von dem Spektakel zu veröffentlichen. Dabei haben sie sich keinesfalls blamiert, sondern dem Jahrtausendwerk von Eric Clapton und Duane Allman zahlreiche neue, hinreißende Aspekte abgewonnen, und dass die gesangliche Leistung von Susan Tedeschi, Mike Mattison und einigen Gastsängern (allen voran Trey Anastasio von Phish) in einer komplett anderen Liga spielt als diejenige Claptons, sollte wohl niemanden ernsthaft verwundert gehabt haben. Und Tedeschis bester Ehemann von allen, Derek Trucks, hat sich auf dem Bluesgitarrenolymp ohnehin längst minnichstens einen Platz zu Füßen Allmans und dem angesichts gently weepender Slidegitarren nicht fehlen dürfenden George Harrison erarbeitet. Und spielt den ebenfalls noch lebenden Clapton in meiner humpelnden Meinung komplett und nachhaltig an die Wand.

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!!! – Let It Be Blue – Warp 2022

Von Matthias Bosenick (16.06.2022)

Es ist bei jedem neuen Album von !!! so, dass man sich nur noch mehr damit arrangieren muss, dass es nicht mehr so klingt wie zu Zeiten des selbstbetitelten Debüts bis zu „Myth Takes“ 2007: Von der einstigen Tanzkapelle mit handgespieltem progressivem und drogeninduziertem Discosound ist so gut wie nichts mehr übrig, die Band ist längst synthetisch geworden und passte sich in Sound und Melodie streckenweise sehr dem Zeitgeist an. Auf „Let It Be Blue“, Album Nummer neun, klingt nichts nach melancholischen Beatles, dafür aber nach zackiger Housemusik und nach Latin-Pop. Es wird sicher wieder eine Weile dauern, bis man hier als Altfan seine Perlen findet. Die gibt es durchaus, es sind grandiose Songs enthalten, nur ein durchgehend überzeugendes Album bekommt man aus Sicht von vor 20 Jahren von !!! leider schon lang nicht mehr.

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