Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Eine Wochenend-Beziehung mit einem Lied

Von Onkel Rosebud

Letztes Wochenende beehrte mich meine Freundin mit Abstinenz. Folgerichtig thematisiert diese Kolumne weniger sie, viel mehr einen Song, mit dem ich ihrer andächtig nicht gewahr wurde, und was dieser Song in meinem Kopf angestellt hat.

Vorausgeschickt sei jedoch folgendes Zitat: „Musik wird durch ihre Hörer identifiziert. So ist die Interpretation aussagender als das Lied selbst, und oft müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, um ein Stück überhaupt in einem Kontext einordnen zu können. Sind die Interpretationen und die daraus folgenden (Streit-) Diskussionen ja eigentlich ein fixer Bestandteil, so ist ein Lied nicht mehr als eine zeitlich abgeschlossene Sache zu beachten, sondern als Prozess, in dessen Spitze jene 5-Minuten-Audio-Aufnahme steht. Diskussionen, Meinungen und Kritiken lassen ein Lied, wenn man es so will, wachsen. Nie wird ein einziger wirklich alle Komponenten eines Stückes, die so entstehen, fassen, nie jemand allen entgehen können.“ (Kasra Seirafi im Buch „Various Artists – Ich liebe Musik“, Herausgeber Jörg Hiecke, 1999).

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The Black Cat’s Eye – The Empty Space Between A Seamount And Shock-Headed Julia – Tonzonen Records 2023

Von Matthias Bosenick (22.03.2023)

Der betäubte Diamant! Das bislang ausschließlich live in Erscheinung getretene Quintett The Black Cat’s Eye debütiert mit einem Studioalbum, dessen Name sperriger ist als seine Musik: „The Empty Space Between A Seamount And Shock-Headed Julia“ will psychedelische Rockmusik sein, bedient sich aber vornehmlich bei den mild proggenden Pink Floyd rund um „Comfortably Numb“ und „Shine On You Crazy Diamond“. Das machen sie ausgezeichnet, die Jungs aus Frankfurt am Main, sie fügen die Zutaten einer progressiven Rockmusik handwerklich passabel zusammen, nur: Sie fügen dem fast nichts hinzu, das man dort nicht ohnehin erwartet. Psychedelisch ist es zwar auch nicht so richtig, aber trotzdem angenehm für die Ohren.

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The The – 1$ One Vote – Cinéola/Earmusic 2023

Von Matthias Bosenick (20.03.2023)

Resteverwertung mit Biss: Zwei ältere Songs veröffentlicht Matt Johnson als The The frisch auf Single, die titelgebende A-Seite neu mit Band eingespielt und die bereits vor Jahren zu Hause allein aufgenommene B-Seite erstmals physisch. Allein das Lick von „1$ One Vote“ ist die Anschaffung dieser Single wert, das geht ins Ohr, klingt wie altvertraut und gleichzeitig frühlingsfrisch, der Song drumherum ist ein lieblicher Poprocksong. „Mrs Mac“ hat zwar weniger Power, aber den gleichen Geist. Ist das schön, seine Stimme wiederzuhören!

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Pascow – Sieben – Kidnap Music/Rookie Records 2023

Von Guido Dörheide (19.03.2023)

Ja Pascow, neues Album! Leckt mich am Arsch mit all dem anderen Mist. Hier erstmal vielen vielen lieben Dankeschön an Christian aus Hannover, dass er mich vor einigen Jahren mit „Geschichten, die einer schrieb“ zum Fan gemacht hat. Pascow mit P aus Gimbweiler mit G sind in den knapp 25 Jahren ihres bisherigen Bestehens zu einer, wenn nicht zu DER deutschen Punkrock-Institution herangewachsen, von daher verkneife ich mir gleich zu Anfang jedwede Sonderzug-Kalauer. Der Name Pascow klingt zwar wie eine Ortschaft im Brandenburgischen, wie Buckow oder Bratzow (Heimat des gebenden Blicks), benannt hat sich das Quartett aus Alex Pascow (Gitarre, Gesang), Swen Pascow (Gitarre), Flo Pascow (Bass) und Ollo Pascow (Drums) aber nach Victor Pascow, dem griechischen Einmannchor aus „Friedhof der Kuscheltiere“ von Stephen King, dem Mann mit dem Herzen eines kleinen Jungen, das in einem Glas auf seinem Schreibtisch steht. Pascow haben wir wunderbare Albumtitel wie „Richard Nixon Discopistole“, „Letzter Halt gefliester Boden“ oder „Diene der Party“ zu verdanken, weshalb sich „Sieben“ im Vergleich ein wenig langweilig ausnimmt, aber dafür angenehm selbsterklärend ist.

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David Rothenberg, Bernhard Wöstheinrich, Ali Sayah – Homayoun – Iapetus Media 2023

Von Matthias Bosenick (16.03.2023)

Dieses offenbar spontan im Studio zusammengefügte namenlose Trio aus David Rothenberg, Bernhard Wöstheinrich und Ali Sayah macht keine Kompromisse. Drei multidisziplinäre Menschen verbringen mit ihren Instrumenten und einiger moderner Technik Zeit in Berlin, starten ihre Session noch mit Rhythmen, lassen die alsbald fahren und verlieren sich in – nun: vermutlich sich selbst, bevor sie doch wieder in einem gemeinsamen Tritt geraten. Grob sortiert sich dieses Album wohl selbst automatisch unter Jazz ein, auch wenn mit den elektronischen Anteilen etwas Industrial, Techno und Ambient Einzug finden. Mit den Klarinetten, die vorrangig zu hören sind, birgt „Homayoun“ einen grundsätzlich warmen Sound, das scheinbar Willkürliche und die hintergründige Leere machen den Zugang indes nicht allzu leicht.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Hang the DJ!

Von Onkel Rosebud

Ein grausamer Menschenschlag sind die dem Stamme der Unterhaltungsbranche angehörigen Diskotheker. Ein Diskjockey denkt, dass er der Einzige im Saal ist, der was von Musik versteht, und deshalb seinen ach so trefflichen Musikgeschmack allen anderen aufdrücken muss. Doch am schlimmsten sind jene, die auch noch ständig am Labern sind. Ich hasse solche Alleinunterhalter, die drei Minuten einen Song spielen und anschließend zwei Minuten drüber reden müssen, als ob sie keine Selbsthilfegruppe fänden, wo sie sich mal in Ruhe aussprechen könnten.

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Yo La Tengo – This Stupid World – Matador 2023

Von Matthias Bosenick (14.03.2023)

Zuverlässig wie ein Nähwerk tackert das Schlagzeug, und ebenso zuverlässig bringen Yo La Tengo aus Hoboken, New Jersey fortwährend neue Alben heraus, die nicht nur qualitativ nie unter Höchstniveau liegen, sondern dazu auch noch experimentell, emotional, noisy, stoisch, variantenreich, zart, durchgeknallt und wunderschön sind. „This Stupid World“ reiht sich da ein, je nach Zählung Studioalbum Nummer 17 bis 564.194 in fast 40 Jahren. Der Indierock des Trios ist seit jeher durchsetzt von Herumprobieren, Lärm und tiefster Schönheit, diese Art zu Mausen lässt die Katze nimmermehr. Das Doppel-Vinyl ist dreiseitig kreditiert, aber vierseitig bespielt und transparent blau, also ebenso experimentell und schön wie die Musik darauf.

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Die Müller-Verschwörung – Versuch und Irrtum Vol. 1: Alles auf Plan B – Die Müller-Verschwörung 2023

Von Matthias Bosenick (13.03.2023)

Als erste von drei geplanten EPs zum Thema „Versuch und Irrtum“ wirft Die Müller-Verschwörung „Alles auf Plan B“ als 12“ in die Runde. Diese vier Songs decken die ganze Palette der Müller‘schen Eigenschaften ab, wie Polyrhythmik, Rock’n’Roll, Jazzpop, Humor, Melancholie, Tiefsinnigkeit, Plakativität sowie hochgradige kompositorische und spielerische Fähigkeiten. Einige der Songs kennt man bereits live und kann sich bestens vorstellen, dass der Rest der EP ebenso mitreißend auf der Bühne funktioniert. Nur eines fehlt: Die Stimme des Chefs.

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slowthai – UGLY – Method Records 2023

Von Guido Dörheide (12.03.2023)

Haaach – was ist das für 1 Jahr! Gerade mal knapp mehr als zwei Monate dran am seien, und schon neues Material von zwei meiner liebsten dedicated followers of the UK: Eine Woche vor „UK GRIM“ von Sleaford Mods veröffentlicht slowthai als weiterer Chronist des decline of the British Empires sein drittes Album und lässt wiederum kein gutes Haar an den rauchenden Trümmern desselben.

YNWA – You‘ll never walk alone. Das kennen wir. Und nun lernen wir: UGLY – You gotta love yourself. So heißt slowthais neues Album nämlich ausgeschrieben. Tyron Kaymone Frampton, wie slowthai mit bürgerlichem Namen heißt, begeisterte mich im Jahr 2019 mit „Nothing Great About Britain“ zutiefst, schoss sich dann Anfang 2020 mit einem missglückten und glücklicherweise schnell verziehenen Auftritt bei den NME Awards zunächst ab, um dann ein Jahr später mit „Tyron“ ein Brett von einem Doppelalbum herauszubringen, das mehr als neugierig auf sämtlichen weiteren Output machte.

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Sleaford Mods – UK Grim – Rough Trade 2023

Von Guido Dörheide (12.03.2023)

Haaach – was ist das für 1 Jahr! Gerade mal knapp mehr als zwei Monate dran am seien, und schon neues Material von zwei meiner liebsten dedicated followers of the UK: Erst slowthai und dann Sleaford Mods veröffentlichen innerhalb einer Woche ihre neuen Alben und lassen wiederum kein gutes Haar an den rauchenden Trümmern des British Empire.

Sleaford Mods, das sind Jason Williamson und Andrew Fearn aus Nottingham, East Midlands, UK. Und so hören sie sich auch an: Williamson kotzt sich im wunderschön anzuhörenden Dialekt seiner Heimat über die Missstände in seiner Heimat aus und spart dabei wie immer nicht an Kraftausdrücken. Unter diese herrlichen Tiraden mischt Fearn wie gewohnt elektronische Beats, die sich immer ein wenig anhören wie auf einer leicht defekten alten Snaredrum eingespielt, sowie zahlreiche elektronische Effekte, Keyboardsounds und vieles mehr. So oder so ähnlich bereichern Sleaford Mods schon seit ihrem Debütalbum im Jahr 2007 das Leben all derer, denen das Vereinigte Königreich und eine nennenswerte Zahl an dessen Einwohnern (zuvorderst sei hier ein wunderbares und mehr als liebenswürdiges schottisches Ehepaar genannt, das mir persönlich bekannt ist) sehr am Herzen liegt und die dessen Niedergang kaum mit ansehen können.

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