Therapy? – Hard Cold Fire – Marshall Records 2023

Von Guido Dörheide (22.05.2023)

Dass ich wegen Therapy?s „Potato Junkie“ einst zum Fan der Literatur von James Joyce wurde, ist dank Onkel Rosebuds neuester Veröffentlichung auf diesen Seiten hinlänglich bekannt. Seinerzeit lebte ich im WRG, in der Döringstraße, in einer WG mit meinem unglaublich einzigartigen, warmherzigen und witzigen Mitbewohner Jens. Jens hörte gerne Stromgitarrenmusik der leicht härteren Sorte und immer wieder kam es vor, dass ich fragte, was er da höre, da es schön klänge, und immer wieder antwortete er mit „Therapy?“. Also ging ich nach kurzer Zeit dazu über, jedesmal, wenn ich schöne härtere Gitarren-Indie-Musik aus seinem Zimmer hörte, einfach zu fragen „Therapy?“, um sogleich ein „Jep“ zu ernten.

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Ghost – Phantomime – Loma Vista/Reaktor Recordings/Universal 2023

Von Guido Dörheide (22.05.2023)

Kann man zu „Jesus He Knows Me“ headbangen? Abgesehen davon, dass Phil Collins eh eins meiner Guilty Pleasures ist (obwohl ich nach „Invisible Touch“ bei Genesis ausgestiegen bin und danach nur noch Collins solo gehört habe, jahaaaa! Minutenlange Schlagzeugsoli als Konzerteinstieg… äääh, Moment, ich schweife ab) – ja verdammt, das geht voll gut! Ghost (ein weiteres meiner Guilty Pleasures) haben das Stück auf ihrer neuen EP „Phantomime“ (so habe ich das als Kind auch versehentlich immer geschrieben) gecovert, und obwohl sie es sehr nah am Original beließen, geht es direkt in die Nackenmuskulatur (äääh, ich glaube, wegen eben dieses Effektes überlässt Phil C. das Schlagzeugspielen inzwischen seinem Sohn?).

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Tamikrest – Taksera – Glitterbeat 2015

Von Matthias Bosenick (22.05.2023)

Endlich erfährt die streng limitierte Liveplatte von Tamikrest eine Wiederveröffentlichung! „Taksera“ erschien bereits 2015 auf LP und 2017 auf CD und war nur am Record Store Day sowie bei Konzerten der Tuareg-Wüstenblueser aus Mali zu haben – was selbst beim Auftritt im Hallenbad Wolfsburg nicht mehr der Fall war. Die Tanzparty „Taksera“ deckt das Repertoire der ersten drei Studioalben ab und dokumentiert die ausufernde Spielfreude der Band, die sich zwar grundsätzlich an ihre eigenen Vorgaben hält, aber sich gern selbst in Trance spielt und die Stücke so noch hypnotischer ausufern lässt. Es bleibt jedoch lediglich eine konservierte Erinnerung daran, was für eine mitreißende Liveband Tamikrest sind – das zu erleben sollte Ziel sein, „Taksera“ ist ein Kompromiss, ein Dokument. Ein gutes.

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Seven Impale – Summit – Karisma Records 2023

Von Matthias Bosenick (19.05.2023)

Diese Band will ganz viel, und sie quetscht ganz viel in nur ein Album. „Summit“ hat nur vier Tracks, aber 2.358.973.405 Genres, alles, was irgendwie mit Gitarre, Bass, Schlagzeug sowie Keyboard und Saxophon geht, weil man heavy Progrock und Jazz zusammenschieben will, alles ordentlich durchmischt und damit seine Virtuosität zum Ausdruck bringt, weil man ja auch alles richtig gut beherrscht. Was den progrocktypischen Nachteil hat, dass man die Trackindizes als willkürlich und die einzelnen Bausteine innerhalb der Tracks nicht als zueinander gehörend empfindet. Anders gesagt: „Summit“, das dritte Album der sechs Norweger, ist gut gespielt, aber anstrengend. Operngesang zwischendurch macht den Genuss nicht eben einfacher.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Géill Slí. Der Katechismus der Pedestrian Church Of Ireland

Von Onkel Rosebud / Guido Dörheide & Matthias Bosenick

Ein Fragment.

§1 Außenspiegel im Rechtsverkehr

Mit dem Flugzeug im Urlaub? Ergibt auf jeden Fall Sinn, wenn man vom Heimat- zum Urlaubsland von Rechts- auf Linksverkehr wechselt. Da hat man dann nämlich eigentlich keine wirkliche Umstellung: Parkt am Heimatflughafen das Auto gewohnt rechtsverkehrig weg, steigt in „den Flieger“ (wir machen jetzt nicht den Hinterfrager, wo dieser Formulierer jetzt herkommt), also betritt zunächst, verlässt dann das Luftfahrzeug (das ist die offizielle Bezeichnung, obwohl es ja gar nicht fährt, sondern fliegt, es sei denn, es ist leichter als Luft) und marschiert direkt zum Mietwagenschalter und nimmt die Plätze ein. Was in Irland für uns Kontinentaleuropäer bedeutet: Der Fahrer nimmt Platz, dort, wo gewohnheitsmäßig der Beifahrer sitzt. Die Umstellung auf den Linksverkehr erforderte von uns nach der Landung in Dublin ohnehin so einige Extrarunden im Kreisverkehr. Hatte sich was mit dem Vorhaben, die Sache erstmal auf dem Autoverleihparkplatz zu üben – wir mussten den sofort verlassen. Setzten uns also jeweils als Fahrer im Opel rein (wohlgemerkt kein Vauxhall, der Irländer scheint also Wert darauf zu legen, nicht ohne Not ein Produkt des ungeliebten Besatzers zu verwenden), natürlich rechts, schauen nach schräg links oben, stellen fest, dass der elektrisch außenverstellte Innenspiegel nicht passt, hoben die Hand und – BLAM!!! – es war die vom Kontinent gewohnte rechte Hand, die zum Behufe der Spiegelverstellung emporschnellte und laut knallend von innen an der Innenseite der vermeintlichen Beifahrertür zerstob. Weil das aber nicht reicht, öffneten wir zunächst bei jedem Schaltvorhaben die Fahrertür und bremsten auf der Autobahn die Überholspur aus. Das würde uns jetzt den Rest der Reise begleiten. Ebenso wie die Kontinentalwende: Sobald wir feststellten, dass wir in der verkehrten Himmelsrichtung unterwegs waren, suchten wir eine Einmündung rechts oder links und sahen zu, dass wir diese entweder im Uhrzeigersinn oder gegen den Uhrzeigersinn wieder verließen. Auf jeden Fall immer so, dass der Linksverkehr dazu führte, dass wir uns nach Beendigung eines halben Wendemanövers Auge in Auge mit dem Gegenverkehr konfrontiert sahen. Aber egal, wir haben’s überlebt und die Irländer sind immer noch Members of the EU – What shall’s, wie der anglophone Miteuropäer so sagen tut. Kaum hatten wir einige Übung, am dritten Tag unserer in Dublin gestarteten Inselrundreise, wurden wir über Nacht des Fahreraußenspiegels beraubt.

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Magnify The Sound – Don’t Give Us That Face – Crispin Glover Records/Stickman 2023

Von Matthias Bosenick (17.05.2023)

Gitarre und Schlagzeug, mehr nicht, und heraus kommt etwas, das weiter weg von den Abstürzenden Brieftauben kaum sein könnte: Dark Ambient, Industrial, Drone, Soundcollage, Jazz. Das Norwegische Duo Magnify The Sound besteht aus Trond Engum, Gitarrist von The 3rd And The Mortal, und Carl Haakon Waadeland, Schlagzeuger in zahllosen Bands und Ensembles. Sie machen Musik, die atmet, die keine festen Strukturen hat, die wie das Meer auf und ab wogt, die still sein kann und aufbrausend, bei deren Genuss der Kopf automatisch sein eigenes Kino anwirft. Die Stimmung ist eher dunkel, dazu auch mal beklemmend oder bedrohlich, also der passende Soundtrack zur Weltlage.

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Leagus – Flora Eallin – Is It Jazz? Records 2023

Von Matthias Bosenick (16.05.2023)

Nach zehn Jahren als Jazz-Duo treten Leagus aus Nordnorwegen jetzt mit Orchester in Erscheinung, besser: mit dem Nordnorsk Jazzensemble, für das das Duo eigens das Stück „Flora Eallin“ komponierte und damit auf Tour ging. Jetzt gibt’s die Studioversion davon als Album, und das offenbart, wie intensiv das Duo an der Komposition arbeitete: Mit entspannt stiller Musik leitet das Album die Hörerschaft in ein Universum aus Opulenz und Leere, aus Harmonie und Improvisation, aus Wohlklang und Lärm, aus Ambient und Kakophonie, aus Moderne und Tradition.

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Klidas – No Harmony – Bird’s Robe Records/MBM 2023

Von Matthias Bosenick (15.05.2023)

Das Saxophon als bestimmendes Instrument in einer progressiven Instrumentalrockband, das hat was. Klidas aus Italien ist ein bereits neun Jahre altes Projekt, das jetzt mit der ersten Veröffentlichung in die Welt tritt, auf der die fünf Musizierenden ihre persönlichen Vorlieben miteinander kombinieren, eben zwischen Progrock, Jazz und psychedelischer Rockmusik. „No Harmony“ ist ein Minialbum – und außerdem gelogen: Das Quintett zügelt die Jazzanteile, die Rockmusik ist trotz ihrer Komplexität und Ausflügen ins musikalische Chaos sehr wohl harmonisch.

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Danube – Live im Wohnzimmer von Maren & Arni in Fallersleben, 13. Mai 2023

Von Matthias Bosenick (14.05.2023)

Ihr allererstes Wohnzimmerkonzert überhaupt gab die junge Sängerin und Musikerin Stella Lindner unter ihrem ihrer Geburtsgegend Neuburg in Bayern entnommenen Alias Danube als Gewinn einer Instagram-Losaktion im Wohnzimmer von Maren und Arni in Fallersleben. Acht ausgewählte Gäste verfolgten die Darbietung, die Stella kurzerhand von ihrem mitgebrachten Keyboard aufs vorhandene Klavier verlegte, wenn sie nicht die Akustikgitarre bediente. In komplexen Melodien sang sie – nun, nicht nur von Flüssen, auch von Liebeskummer und Selfcare, und das Publikum lauschte ergriffen ihrer emotionalen Darbietung. Jedes Mal Stille, bis der letzte Ton auch wirklich verklang. Und kein Hauch von Fremdsein.

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Mad Heidi – Johannes Hartmann & Sandro Klopfstein – CH 2022

Von Matthias Bosenick (14.05.2023)

Es ist nicht zu übersehen: „Mad Heidi“ ist ein Film von Fans, die sich bei ihren liebsten Regisseuren und Genres bedienen und daraus einen blutrünstigen Film drehen, den sie berechtigt als Swissploitation bezeichnen. Die Schweizer Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein finanzierten ihren Diktatur-Gefängnis-Horror-Splatter-Heimatfilm über Crowdfunding, und dadurch kam er auch einmalig in Braunschweig ins Kino, weil einer der Geldgeber, der zudem mehrfach als Komparse in Erscheinung tritt, ihn bei sich zu Hause unbedingt auf großer Leinwand zeigen wollte. Ergebnis war ein großes Fest im Kino. Der Film selbst ließ bei allem Heidispaß, den die Macher an ihrem Unsinn hatten, jedoch einiges vermissen: mehr Dynamik, abwechslungsreichere Kamera, spritzigere Dialoge und eine eigene Handschrift über den Zitatereigen hinaus. Der Abend war trotzdem der Gipfel!

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