Man On Man – Provincetown – Polyvinyl Records Company 2023

Von Matthias Bosenick (04.08.2023)

Kaum in Kalifornien angekommen, um die sterbende Mutter des einen zu begleiten, zwang Corona das New Yorker Paar Roddy Bottum und Joey Holman in die Isolation – wie fast alle Menschen der Erde, klar. Aus der Not gebaren die beiden Musiker ein On-The-Road-Recording-Projekt, nannten es Man On Man und behandelten auf dem selbstbetitelten Debüt schwul-queere Themen zu süßen Melodien und gitarrenunterfüttertem Electro-Poprock. Zwei Jahre später gibt’s mit „Provincetown“ Nachschlag, im ähnlichen Sound, doch mit einer weniger hellen Stimmung. In der vermeintlichen Süßlichkeit mancher Arrangements und Melodien liegt etwas nicht immer nur unterschwellig Aggressives, etwas Melancholisches, etwas Genervtes. Gut so: Eine pure Hedonismusplatte wäre ja auch nicht zu ertragen gewesen. Auch wenn sie Babyblau ist.

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Triangle Of Sadness – Ich liebe Dich, denn Du gibst mir Fisch.

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin hat auch ein „Triangle Of Sadness“, Kummerfalten im unteren Bereich der Stirn, knapp über den Augen, an der Stelle zwischen den Augenbrauen. In meinem Sprachraum nennt man das Sorgenfalten und ich hoffe inständig, dass ich nur partikulär dafür verantwortlich bin, dass diese dort bei ihr entstanden sind.

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John Coltrane with Eric Dolphy – Evenings At The Village Gate – Impulse! 2023

Von Guido Dörheide (02.08.2023)

Vorsicht! Der Titel dieser Aufnahme aus dem Jahr 1961 ist in extremer Weise irreführend. Ein Schelm, der denkt, hier handele es sich um eine Aufnahme von John Coltrane und Eric Dolphy, die gemeinsam auf ihren Saxofonen musizieren. Weit gefehlt: Neben Coltrane am Tenor- und Sopransaxofon und Dolphy am Altsaxophon, auf der Klarinette und der Flöte wirkten auf „Evenings At The Village Gate“ niemand Geringere als Elvin Jones am Schlagzeug und McCoy Tyner am Klavier mit. Also einer DER modernen Jazz-Drummer überhaupt und einer der vielbeschäftigtsten, weil besten Jazzpianisten seiner Zeit. Beide arbeiteten mit Coltrane einige Jahre später unter anderem auf dessen Jahrtausendwerk „A Love Supreme“ zusammen. Und mit zahlreichen weiteren Jazzgrößen ebenso.

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Streetmark – Nordland – Sky Records 1975/Sireena 2023

Von Matthias Bosenick (01.08.2023)

Wer fast eine Dekade für sein Debütalbum braucht, weil er die Zeit davor zunächst als Coverband und bald mit Eigenkompositionen herumtourt, hat in der Regel für seinen Auftakt eine Menge erprobtes und grandioses Material zusammen, und diese Regel ist auch auf die Düsseldorfer Band Streetmark anwendbar. Mit einer klassischen Ausbildung und aus der Lehre bei den Größen des noch relativ jungen Progrocks entwickelten Streetmark einen eigenen Sound, der Rockmusik mit Orgel und Klassik kombiniert, was das frische Label Sky Records 1975 dazu bewegte, die Band gleich für alle vier Alben unter seine Fittiche zu nehmen. Sireena wirft das Debüt „Nordland“ nun auf CD wieder in den Ring, und es klingt erstaunlich frisch für seine 48 Jahre.

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Lucinda Williams – Stories From A Rock N Roll Heart – Highway 20 Records 2023

Von Guido Dörheide (31.07.2023)

Lucinda Williams war bereits Mitte 40, als sie 1998 mit „Car Wheels On A Gravel Road“ endlich den Ruhm bekam, den sie verdient, und seitdem hat sie nicht ein einziges schwaches Album veröffentlicht (vorher auch nicht, aber „Car Wheels…“ ist immer noch eins meiner Lieblingsalben aller Zeiten, das ich nahezu immer hören kann). Neben Patti Smith, Dolly Parton, Joni Mitchell und Emmylou Harris (die leider seit „Hard Bargain“ (2011) kein Soloalbum mehr veröffentlicht hat) & Young gehört sie für mich zu den allergrößten noch lebenden Songwriterinnen und Interpretinnen ihrer eigenen Stücke.

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Spezial: addicted/noname Label aus Moskau, Teil 15

Von Matthias Bosenick (28.07.2023)

Neues aus Moskau! Das fabelhafte Label mit den vielen Namen, darunter addicted oder noname, hat neue Musik von folgenden Bands im Repertoire: Goddammit, Шаййм, Megalith Levitation, Фламандская Школа, Magnetic TarTrap, Dura und Резина. Die Genrepalette deckt alles ab zwischen Doom und Stoner, das man sich vorstellen kann, und auch das, was nicht: Southern Rock, Folklore, Death Metal, Noise Rock, Punk, Glam, Psychedelic, Jazz, Prog Rock, Sludge, Post Rock und gewiss noch viel mehr!

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Barbie – Greta Gerwig – USA 2023

Von Maren Haas (30.07.2023)

Was habe ich erwartet? Ehrlich gesagt, nicht viel, aber ich hatte gehofft, dass, wenn Coming-of-Age-Regisseurin Greta Gerwig (Little Women, Frances Ha, Lady Bird…) so einen Film realisiert, so einiges an systemischen Problemen unter dem rosa Blockbuster-Zuckerguss zum Vorschein kommen würde.

Und ja, der Film ist selbstverständlich Mattel-Marketing bis zum Umkippen, Konsumkritik ist non-existent, aber die erste große Überraschung war für mich die Darstellung der (rein männlichen) Mattel-Führungsriege, die fast noch trotteliger unterwegs ist, als alle Kens zusammen.

Warner Bros. hat natürlich auch mit diesem Film in erster Linie Profit auf der Agenda, aber dafür gelingt es Barbie erstaunlich oft, einen Spagat zwischen Systemkritik und pinkem Spaß hinzulegen, der auch funktioniert. Nicht immer, aber meistens.

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Jürgen H. Moch – Harzmagie: Blutsbande/Sogwirkungen – EPV 2021/2022

Von Guido Dörheide (27.07.2023)

Der Klappentext von Jürgen H. Mochs „Fantasyhommage an Deutschlands mystisches und uraltes Mittelgebirge“ (so steht es auf Seite 3 des Romans) beginnt mit „Die 15jährige Elisabeth ist von ganz besonderem Blut“; auf dem Titelbild sind drei Kinder abgebildet, die mit dem Rücken zu einem Gewässer stehend den Vollmond über dem Brocken ansehen. Also ein Buch für Kinder und Jugendliche? Für Erstere ganz klar nein, für Jugendliche im Alter der Protagonisten schon, und in erster Linie richtet sich der Roman an Erwachsene.

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Helmut Exner – Rio und die mörderischen Bilder – EPV 2023

Von Guido Dörheide (27.07.2023)

Hammer. Ende Juli 2023 legte Helmut Exner den bereits 20. Kriminalroman über die eigenwilligen Ermittlungleistungen der pensionierten Lehrerin Lilly Höschen aus Lautenthal vor. 90 Jahre ist die Gute inzwischen alt und über die zahlreichen Romane hat sie sich zur vielzitierten Miss Marple des Harzes entwickelt. Fräulein Höschen (Aussprache übrigens nicht wie Schlübber, sondern so, dass es sich auf „löschen“ reimt) legt Wert auf ebendiese Anrede und beeindruckt ihre Mitmenschen nicht nur durch Scharfsinn und Vehemenz, wenn es um das Aushecken und Umsetzen mitunter gefährlicher Ideen geht, sondern hat zudem eine riesengroße Klappe, mit der sie immerfort Redewendungen raushaut wie „Am Arsch vorbei führt auch ein Weg“ oder „Sind Sie eigentlich naturdoof oder muss man das studieren?“ Ein weiteres Markenzeichen der Lilly-Höschen-Serie ist die liebevolle Einbeziehung zahlreicher Schauplätze des Harzes in die Handlung. Beim Lesen wünsche ich jedes Mal, ich wäre gerade dort, insbesondere, wenn mein Lieblingsort Clausthal-Zellerfeld mal wieder Ort der Handlung ist ist.

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Charly Maucher – Performance – Teldec 1980/Siereena 2023

Von Matthias Bosenick (27.07.2023)

Es gibt mehr in Hannover als die Scorpions, jaja! Norbert „Charly“ Maucher ist so einer, leider: war so einer, er verstarb vor vier Jahren an Leukämie. Berühmt wurde er durch seine Mitgliedschaft bei der Progrock-Band Jane, und 1980, einige Zeit nach seinem Ausstieg dort sowie zwischen diversen weiteren Engagements, nahm er sein Soloalbum „Performance“ auf. Das klingt erstaunlicherweise weniger nach Kraut oder Prog, sondern mehr nach Nordamerika, nach Classic Rock, nach Südstaaten-Rock, nach Hippie-Rock, nach US-Folk-Rock (also Country und Western), von allem gottlob die unplakative Variante, also ohne Posen, dafür mit filigran gespielten kontemplativen Songs im unteren Midtempo. Eine schöne kleine Perle, die Sireena da wieder entdeckt!

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