Dead Mammals – II – Trepanation/Forbidden Place/P.O.G.O. 2023

Von Matthias Bosenick (16.08.2023)

Man fühlt sich sofort in die sich bei den Achtzigern bedienenden Neunziger zurückversetzt, als es noch möglich war, mit Lärm, Aggressionen und ungewöhnlichen Songstrukturen für positive Aufmerksamkeit und eine nicht geringe Gefolgschaft zu sorgen: Die Dead Mammals aus dem Vereinigten Königreich beherrschen auch auf ihrem Album „II“ (könnte das zweite sein, hm?) das Laut-Leise-Schema, kombinieren monotone Rhythmen mit zerschredderten Gitarren und brüllen dazu herum. Und das als Duo!

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Araf – Bathrah – Antibody 2023

Von Matthias Bosenick (15.08.2023)

Der Sound der EP „Bathrah“ ist nahe dem frühen Wave, also synthetische Drums und introvertiert gegniedelte Gitarre, aber da es das ja schon seit 40 Jahren gibt, das Duo Araf da aber trotzdem etwas Eigenes draus stricken will, kombiniert es diese Musik mit der aus dem Nahen Osten und Westarabien. Othman Cherradi (alias Prophän, Marokko) und Joseph Jadam (alias Maltash, Libanon) halten den Gesang der vier Stücke ihrer in Brüssel aufgenommenen EP auf Arabisch, der Musik dazu gelingt der Spagat zwischen früher und heute, zwischen Europa und Arabien, zwischen Gothic und Folklore, ohne dass irgendetwas davon merkwürdig wirkt. Aber dafür angenehm deprimierend.

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Neil Young – Chrome Dreams – Reprise Records 2023

Von Guido Dörheide (12.08.2023)

Aurora Borealis. The icy sky at night. Ohne Scheiß: Erst durch Neil Young weiß ich, dass Marlon Brandos Nachname sich nicht „Brandow“ (gelegen in Brandenburg?) ausspricht, sondern „Brändoh“. Und durch ihn – und nicht durch den 1995er Diseney-Film oder durch das Ikke-Hüftgold-Remake von AnnenMayKantereits eigentlich nicht zu beanstandenden Song aus [dem Jahr] 2016, den ich auf zahlreichen Silberhochzeiten meiner Jahrgangsgenossen über mich ergehen lassen musste (und ich verstehe immer noch nicht, warum auch immer „Kling Klang“ von Keimzeit in diesem Zusammenhang gespielt wird, eigentlich doch auch ein tolles Lied – scheißegal, ich lasse das Lasso drinne und schreibe einfach mal weiter, was mir so einfällt.) Also Wurscht: Marlon Brando, Pocahontas and me. So soll es sein für alle Zeit. Und dieser Song war für mich immer verknüpft mit Neil Youngs 1979er Album „Rust Never Sleeps“. Und das war für mich DAS bahnbrechende Young-Album: Die erste Hälfte akustisch mit „My My, Hey Hey“ und die zweite Seite elektrisch mit „Hey Hey, My My“ – jawiegeiel, und die restlichen Songs waren auch Weltklasse.

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Salaman Isku – Le voyage nucturne – Bitume Prod. 2023

Von Matthias Bosenick (14.08.2023)

„Le voyage nocturne“, das der 35jährige französische Metal-Musiker Julien J. Neuville aka Adunakhor Z. bereits 2017 unter dem Pseudonym Salaman Isku im Eigenverlag herausbrachte, ist ein Bisschen wie „Fear And Loathing In Las Vegas“ als Musik: Er sei von der mexikanischen Kaktusdroge Mescalito dazu befeuert gewesen, in einer Sommernacht spazieren zu gehen. Die Eindrücke, die Neuville dabei erhielt, sind nicht zwingend chillig verdrogt, sondern aufwühlend, brutal, anstrengend – Werbung für Mescalito ist dieses halbstündige Album jedenfalls nicht. Das ist auch gut so, wer braucht schon im Rock’n’Roll die Empfehlung, Drogen zu nehmen, auch wenn manche drogeninduzierten Kulturgüter so ungewöhnlich sind wie dieses; zur Sommersonnenwende von Bitume auf CD neu herausgebracht.

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Nuclear Power Trio – Wet Ass Plutonium – Metalblade Records 2023

Von Guido Dörheide (11.08.2023)

Alle Welt sucht nach nachhaltigen Energien, die zudem noch sexy sein sollten. Mit Donnie, Vlad und Kim, dem Nuclear Power Trio, gibt es das nun endlich. Auf dem Cover von „Wet Ass Plutonium“ (ja richtig – das spielt auf Cardi B’s „WAP“ aus 2020 an) sehen wir die drei Musikanten sehr hübsch vor, auf und in einem Lamborghini Countach aus den 80ern drapiert, und an Nuclear Power kann nun ja auch wirklich nichts verkehrt sein. Wer nun gespannt ist auf die Texte des Trios, der kann beruhigt aufatmen: „Wet Ass Plutonium“ ist, wie schon sein Vorgänger, die 2020er EP „A Clear And Present Rager“, ein reines Instrumentalwerk. Und was für eins!

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Church Of Misery – Born Under A Mad Sign – Rise Above Records 2023

Von Guido Dörheide (10.08.2023)

Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von „Herr Dörheide schließt seine Bildungslücken“. Ich frage mich, warum ich von Church Of Misery, einer seit über 30 Jahren aktiven Stoner/Doom-/Sludge-Metal-Band aus Tokio, die sich dem Thema „Serienmörder“ verschrieben hat, noch nie etwas gehört habe. Als ich erstmals des Cover-Artworks von „Born Under A Mad Sign“ angesichtig wurde, dämmerte mir bereits, dass ich es hier mit einer eventuell überaus schließenswerten Bildungslücke zu tun habe: Das Cover ist im Stil von Blue Note Records aufgebaut, ganz in Blau- und Schwarztönen gehalten (gibt es überhaupt unterschiedliche Schwarztöne? Oder einfach nur Schwarz?) und besteht außer Text aus dem Foto eines Mannes mit Hut, der den Betrachter nicht unfreundlich anblickt. War weiland bei Blue Note vorwiegend der auf dem Album spielende Musiker nebst Instrument zu sehen, ist es hier Fritz Haarmann aus Hannover, Niedersachsen, der den Betrachtenden anblickt. Auch der Titel machte mich neugierig, schließlich ist „Born Under A Bad Sign“ von Albert King (einem der drei Kings of the Blues Guitar) eines meiner liebsten Bluesalben. Und es unterscheidet sich ja nur in einem Buchstaben von dem hier vorliegenden Werk.

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Petrolio – Respira – Toten Schwan Records 2023

Von Matthias Bosenick (10.08.2023)

Wüsste man nicht, dass es sich bei „Respira“ um den Soundtrack zu einem Kurzfilm handelt, spränge beim Hören trotzdem sofort ein Kopfkino an. Der Film dazu wäre eher verstörend und bedrückend, und vermutlich ist er es in der Realität auch, der Trailer deutet an, was der Titel suggeriert: „Respira“, „Atme“, und dazu eine Person mit einer opaquen Plastiktüte über dem Kopf. Unter seinem Nom de Guerre Petrolio erstellt Enrico Cerrato aus Asti ein Mini-Album, das in seinen Grundzügen das klassische Industrial heranzieht, also harsche Sounds, metallisches Kreischen, monotone Rhythmen, doch wäre das allein für den Künstler viel zu plakativ, daher deutet er diese Ansätze lediglich an und bettet sie in einen elektronisch grundierten Score ein, der Dark Ambient, Drones und Atmosphären den Vortritt lässt. „Respira“ ist eine von sechs Episoden des Experimentalprojektes „Film Fantasma“, und jetzt will man den unbedingt sehen.

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Toleranz ist ein Muskel, den man trainieren muss.

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin mag den Schauspieler Florian Lukas. In der Serie „Die Wespe“ spielt er eine Frohnatur, den gefallenen Dart-Profi, Kleinganoven und Schnurrbartträger Eddie Frotzke, einen Typ, der sich auf keinen Fall mit dem Mittelmaß begnügen will und mit einer ordentlichen Portion verzweifelter Großmäuligkeit ausgerüstet ist, wie schon als Figur Ricco in „Absolute Giganten“. Aus dem Film von 1998 ist ein Zitat überliefert, welches mir tief aus dem Herzen spricht und wie folgt aus meiner Erinnerung abgerufen werden kann: „An der Stelle, wo es am allerschönsten ist, müsste die Platte springen, und Du hörst immer nur diesen einen Moment.“ Meine Freundin würde diese perfekte Vorlage, Szenen aus dem Leben aufleben zu lassen, wo die Platte hätte springen müssen, nutzen, um Yo La Tengo mit dem Song „Autumn Sweater“ als perfekten Hochzeitseinlaufsong zu nominieren.

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Thy Catafalque – Alföld – Season Of Mist 2023

Von Guido Dörheide (07.08.2023)

„Alföld“ klingt ja irgendwie nach „Wackööööön!!!“ Hier ist aber nicht Alfeld/Leine nebst seiner im Bauhaus-Stil errichteten Grillkohlefabrik, sondern die ungarische Tiefebene gemeint. Und aus eben diesem Ungarn kommt Thy Catafalque. Quasi als ein Ein-Mann-Projekt von Tamás Kátai wurde Thy Catafalque 1998 in Ungarn gegründet, mittlerweile lebt Kátai in einer Stadt, die ich jüngst im vergangenen Jahr trotz aller Sabotageversuche durch Deutsche Bahn bereiste, nämlich in Edinburgh. Und das hört man. Aber erstmal eins nach dem anderen – first things first.

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Tangled Thoughts Of Leaving – Oscillating Forest – Bird’s Robe/Dunk! Records

Von Matthias Bosenick (08.08.2023)

Dieses Album lässt sich sowas von gar nicht in eine Kategorie einsperren, und das ist gut so: strukturell eher Klassik oder Jazz, von den Instrumenten her Klassik und Rock, musikalisch auch Ambient, Post Rock, Noise Rock oder Swans-Industrial. Man fühlt sich auf „Oscillating Forest“ eher in ein aufgewühltes Meer geworfen als im Wald ausgesetzt, dabei sind es gerade die rauhen Bedingungen im südwestlichen Australischen Busch, die die Band aus Perth zu diesem einstündigen Instrumental-Album inspirierten. Die Kombination aus Klavier und Rock-Instrumentarium mag an Ben Folds erinnern, doch kann „Oscillating Forest“ kaum weiter entfernt liegen von dessen Songs. Weil es hier keine gibt, sondern Stimmungen, Emotionen, Expressionen.

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