Von Matthias Bosenick (29.10.2024)
Wer außerhalb Londons hat schon mal vom Dream Of Dr. Sardonicus Festival gehört, das alljährlich seit 2015 in The Cellar Bar im Stadtteil Cardigan vor kleiner Runde, nämlich nur ca. 150 Gästen, stattfindet? Man kann sich Ausschnitte dieses Festivals aus dem vergangenen Jahr jetzt – zusätzlich zu Komplett-Mitschnitten fast aller Beteiligten, siehe Text zu London Underground auf dieser Plattform – als Doppel-LP ins Haus holen, herausgebracht vom mitveranstaltenden Label Fruits de Mer Records. Zehn Bands, zwei aus Italien, der Rest aus dem Lande, zehn Genres, von Sechziger-Psychedelik bis Trance-Disco, ein herrliches Spektrum. Die Pläne für das Festival im Jahre 2026 laufen schon jetzt!
Archiv des Autors: Van Bauseneick
Die Müller-Verschwörung: Versuch und Irrtum Vol. 2: Oxymoron und Paradoxie – Die Müller-Verschwörung 2024
Von Matthias Bosenick (29.10.2024)
Wer Die Müller-Verschwörung bisher womöglich eher der Texte wegen verfolgte, dem ist ohnehin eine geringe Aufmerksamkeit zu attestieren; der zweite Teil der „Versuch und Irrtum“-Vinyl-EP-Reihe mit dem Pleonasmus-Titel „Oxymoron und Paradoxie“ belegt eindrücklicher denn je, dass man es bei der Band mit eben einer Band zu tun hat. Alle vier Verschwörer plus Bonus-Flötistin spielen all ihre Fähigkeiten mehr als nur aus und arrangieren diese vier frischen Genre-Hüpfer ausnehmend detailverliebt. Auf die Texte sollte man selbstredend auch wieder hören und sich so seine psychologischen Lehren mitnehmen, dargeboten mal zynisch, mal reflektiert, mal albern, mal dringlich. Scheiße bauen als Chance!
Black Aleph – Apsides – Art As Catharsis/Dunk!Records 2024
Von Matthias Bosenick (25.10.2024)
Dunkel-doomige und ohnehin ungewöhnliche Musik ist auch mit anderer Instrumentierung als Gitarre-Bass-Schlagzeug möglich, zum Beispiel reichen den Australiern Black Aleph Streichinstrumente und Percussion aus, um im Verbund mit einer Gitarre ein dichtes, düsteres, schweres, mächtiges Album wie „Apsides“ aufzunehmen, zwischen Postrock, Drone, Doom und Kunst. „Apsides“ ist das Debüt des Trios, dem Jahre an Entstehungszeit vorangehen – und man hofft sehr, dass es bis zum Nachfolger etwas schneller geht.
Kuhn Fu – Katastrofik Kink Machine – Berthold Records 2024
Von Matthias Bosenick (24.10.2024)
Jazz als Schublade reicht Kuhn Fu bei weitem nicht aus. Fusion, Soundtrack, Avantgarde, Swing, Folk – in „Katastrofik Kink Machine“ steckt viel mehr, insbesondere die Freude daran, die Energie der dieses Mal sieben Musizierenden rund um Quasi-Namensgeber Christian Achim Kühn künstlerisch auszudrücken. Netterweise kombiniert die Berliner Band hier das Entfesselte mit dem Eingängigen, die Bläser bratzen über Mitwippsongs. Wobei es sich um Sogs nicht handelt, hier singt nämlich niemand. Was der Furiosität dieses spannungsreichen Albums außerdem zugutekommt, ist der Umstand, dass Kuhn Fu es anteilig live im Studio einspielten. Ein Miteinander, das ansteckt.
Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Ein Hoch auf die Empathie!
Von Onkel Rosebud
Ob aus dem Berufsleben oder aus dem privaten Umfeld, wie so ziemlich jede und jeder kennt meine Freundin mindestens einen Narzissten. Mal beantwortet er ihre Nachrichten nicht, gibt Anweisungen wider besseres Wissens oder verbreitet Gerüchte. Was aber macht das mit einem? Naheliegend sind schlechte Kommunikation, Missverständnisse oder Mobbing. Was aber als eigentliche Emotion dahintersteckt, ist das Gekränktsein mit Gefühlen von Wut, Verbitterung, Hass und Hilflosigkeit. Wer nun in diesem kränkungsbedingten Gefühls- und Emotionsdschungel ein wenig Ordnung bringen möchte, dem sei das Buch „Die Macht der Kränkung“ von Dr. Reinhard Haller ans Herz gelegt. Oder schaut die gleichnamige Anthologie-Serie. Die besteht aus Staffel 1, „Am Anschlag“, und erzählt die Vorgeschichte eines Amoklaufes in einem Einkaufszentrum und Staffel 2, „Am Ende“, in der ein junger Mann zu früh verstirbt und seine Freunde und Familie müssen sich mit ihren Taten auseinandersetzen, die indirekt zu seinem Tod führten.
WeiterlesenDer wilde Roboter (The Wild Robot) – Chris Sanders – USA 2024
Von Matthias Bosenick (23.10.2024)
Die Klaviatur des Kitsch wird hier voll ausgespielt, jede Tränendrüse getriggert, jedes verfügbare Mittel angewandt: Zwar kommt der Animationsfilm „Der wilde Roboter“ aus dem Hause DreamWorks, fühlt sich aber nahezu komplett wie Disney an. Lediglich nahezu, weil hier eine Menge schwarze Gags zum Thema Tod eingebaut sind, die man beim Vater im Geiste eher nicht erwarten würde. Die Handlung klappert die konventionellen kinderfilmgerechten Kernelemente ab: Menschlichkeit, hier gespiegelt im Verhalten eines Roboters, Freundschaft, Frieden, Selbstbehauptung als Underdog (bzw. Undergoose), Selbstvertrauen, all sowas, dargelegt anhand anthropomorpher Charaktere einer von Humanoiden unbewohnten Insel. Wischt man das alles beiseite und konzentriert sich allein auf die Optik, wird man von diesem Film nachhaltig überwältigt. Mit Raumschiffen und Laserkanonen!
Durchströmungen III: Magnetschweben – Separated Beats 2024
Von Matthias Bosenick (22.10.2024)
Ben Bekeschus dreht auf: Den dritten Teil seiner Compilation-Reihe „Durchströmungen“ mit dem Titel „Magnetschweben“ versieht der vielseitige Berliner Electro-Bastler mit einer Steigungskurve, die von ruhigem, chilligem Ambient aus die Bandbreite seines Spektrums abbildet, an Energie zulegt und über Minimal Electro, Downbeat und Hip Hop bei Big Beat und Techno landet. Als Basis dient ihm dieses Mal, wie beim ersten Teil, sein Alias Aus.Gleich, dem er eigene Tracks sowie Remixe anderer Künstler widmet. Ein Weckruf mit achtzigminütigem Anlauf!
We Fog – Sequence – We Fog/Peyote 2024
Von Matthias Bosenick (21.10.2024)
Das geht zurück in eine andere Art von Neunziger: Noiserock, Stop-And-Go-Riffs, vereinzelt schöne Melodien in Lärm eingebettet, Bock auf geordneten Krawall, übersteuerte Saiteninstrumente, saftiges Schlagzeug, beiläufiger Gesang, unkonventionelle Songstrukturen, alles, wie man es sich wünscht, wenn man auf Sonic Youth, 13th Dye und andere energetische Noiserocker steht. Wer zusätzlich etwas außerhalb dieser Schublade haben möchte, bekommt zuletzt zwei Songs mit Amaury Cambuzat, der das Veroneser Trio We Fog in andere Bahnen lenkt, strukturell und die Atmosphäre betreffend. „Sequence“ ist erst das zweite Album von We Fog, mit 21 Minuten zwar kurz, aber intensiv geraten.
In Liebe, Eure Hilde – Andreas Dresen – D 2024
Von Matthias Bosenick (18.10.2024)
Warum sollte man sich ein Ticket für einen Film lösen, in dem die Nazis gewinnen? Nicht nur angesichts gegenwärtiger Wahlergebnisse ist das keine attraktive Aussicht. Aber „In Liebe, Eure Hilde“ ist von Andreas Dresen, das ist ein Argument dafür. Und Dresen löst jede Erwartung ein – im Guten wie im Schlechten: Seine Bildsprache und seine Erzählweise sind rein filmisch betrachtet mehr als sehenswert – und die Geschichte ist in ihrem Ausgang absolut unerträglich und erschütternd. Man begleitet die in der gesamtdeutschen Historie aus dem Blickfeld verschwundene kommunistische Widerstandskämpferin Hilde Coppi parabelartig vorwärts in ihre Exekution und rückwärts in ihre Rolle als Geliebte und antifaschistische Verschwörerin. Und Dresen hält erbarmungslos drauf.
Chaos Shrine – Shadows Of The Invisible – EEEE 2024
Von Matthias Bosenick (17.10.2024)
Zwei unveröffentlichte Songs und einen Remix kombiniert das Turiner Duo Chaos Shrine, bestehend aus dem klassisch ausgebildeten Komponisten Andrea Cauduro und dem Expermentalmusiker Paul Beauchamp, zu einer EP, bevor es sich an das zweite Album macht: „Shadows Of The Invisible“ ist ein feiner Titel für diese Art von abstrakter Musik, die man leicht in die Industrial-Schublade legen kann, obwohl die viel zu eng für die Musik hier ist. Die beiden ersten Tracks sind überraschend rhythmisch, das Wort Remix hingegen blendet die Erwartungen, denn tanzbar ist der Bonus-Track mitnichten. Rework passt da als Bezeichnung viel besser.