GusGus – DanceOrama – Oroom 2023

Von Matthias Bosenick (21.12.2023)

Der Titel passt, auch wenn er – nun – billig wirkt: „DanceOrama“, mit Binnenkapitale, als wäre es 1995 und das Wort eine Idee des Wolfsburger VW-Marketings. Das Cover des zwölften Albums der isländischen Analog-Deep-House-Soulband GusGus (auch Gusgus, gusgus oder Gus Gus geschrieben und Güsgüs gesprochen) repräsentiert dieses Billige, die Musik gottlob nicht: Man erkennt GusGus am Sound, und doch unterscheidet sich viel von dem, was man von ihnen bereits im Regal stehen hat. Das Kunstvolle und Kathedralige sind etwas zurückgenommen, nur vier der neun Tracks haben Gesang und GusGus wildern in Retro-Anmutungen, die bis ins Cheesige reichen. Nicht drauf ist das mit John Grant erstellte Fancy-Cover „Bolreo (Hold Me In Your Arms Again)“, aber das gab diese neue Richtung schon ganz gut vor. Es bleibt zunächst weniger Musik instant haften als noch beim Vorgänger „Mobile Home“, an diese Häutung muss man sich gewöhnen. Immerhin kann man dazu prima tanzen.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Linie1 – A-Hip-hip-a-hippel-die-hip-hip – Alleinsein, Wein und Bier

Von Onkel Rosebud

Ungelogen, mit einem Text über das Musical bzw. den Film „Linie 1“ quäle ich mich schon eine Ewigkeit. Dabei will ich nur loswerden, wie toll ich den damals fand, und ein bisschen Erinnerungssport betreiben, damit dieses Kulturgut nicht in der Versenkung verschwindet.

Verfilmungen von Musicals sind ja so eine Sache. Auch wenn der Gedanke naheliegt, die Popularität solcher Bühnenspektakel ins Kino übertragen zu wollen, die Ergebnisse fallen doch sehr gemischt aus. Manche werden zu Hits, wie „Les Misérables“. Am anderen Ende des Spektrums findet sich das groteske Debakel „Cats“. Dazwischen tummeln sich zahlreiche Filme, die schnell in Vergessenheit geraten sind. Vor allem Werke, die nicht mit dem Broadway in Verbindung gebracht werden, tun sich zuweilen schwer damit, ein größeres Publikum anzusprechen. Allein deshalb schon war es bemerkenswert, dass „Linie 1“ 1988 in die Kinos kam – auch in der DDR (aber erst im Mai 1989).

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Autómata – Heart Murmur – Atypeek Music/Araki Records 2023

Von Matthias Bosenick (19.12.2023)

Kommt einem Spanisch vor, ist aber aus Paris: In Quartettbesetzung macht die möglicherweise nach einem spanischen SciFi-Film benannte Band Autómata, manchmal AutómatA geschrieben, vorrangig Postrock, also das trödelige Dudelzeug mit den flirrenden Gitarren, das seit Jahren existiert und seitdem Schwierigkeiten hat, sich selbst zu erneuern und zu erweitern. Gerade dann indes, wenn dies geschieht, wird „Heart Murmur“, das zweite Album der Franzosen, interessant: Sie setzen Elektronik nicht als Kleister ein, spielen die Gitarre manchmal wie im Achtziger-Wave und wehren sich nicht gegen Sprachsamples und Scratches.

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Rubber Tea – From A Fading World – Tonzonen Records 2023

Von Matthias Bosenick (18.12.2023)

Wie man dem alten Gaul Progrock noch immer eine neue Gangart abringen kann: Das Quintett Rubber Tea versetzt ihm auf seinem zweiten Album „From A Fading World“ einen Mix aus Jazz und Bigband, hippiesker Folklore und flötenden Lalo-Schifrin-Filmscores, Carsten-Bohn-Hörspielmusik und Streichern. Den Bremern gelingt es, die vielen Komponenten auf eine unaufgeregte, aber doch aufregende Weise zusammenzufügen: Hier entsteht kein Stress, obwohl so viele Bestandteile zu entdecken sind – und die Band groovt dabei auch noch. Kleine Abzüge gibt es für den Gesang: Vanessa Gross ist keine Inga Rumpf, ihre Stimme ist bisweilen etwas dünn.

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Afsky – I stilhed – Vendetta Records 2022

Von Matthias Bosenick (15.12.2023)

Einer der vielen schönen Aspekte am Black Metal ist seine Vielseitigkeit. Gelang es der Kopenhagenerin Amalie Bruun alias Myrkur etwa damit, dass sie Kammerchöre und Folklore in ihre Variante von Black Metal einband, die aufgebrachte Hörerschaft zu verunsichern, legt ihr temporärer Mitmusiker Ole Luk alias Afsky damit nach, dass er mit „I stilhed“ eine EP mit Akustikversionen seiner Black-Metal-Stücke herausbringt. Ja: Er allein an der Klampfe. Die Kompositionen geben es her, dass diese Versionen nicht nah Lagerfeuer klingen, sondern die melancholische Schwärze auch im Minimalismus in sich tragen. Auf der B-Seite rotiert ein augenverdrehendes Muster mit, dem Vinyl liegt ein Heft mit den Akkorden bei. Veröffentlicht bereits im Sommer 2022, liegt es an der Unfähigkeit des Paketzustellers, die Adresse korrekt zu lesen, dass der Rezensent die EP erst jetzt in Händen hält.

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MarsX – MarsX – MarsX 2023

Von Matthias Bosenick (14.12.2023)

Vier altgediente Postpunkrocker aus der Gegend um Bologna tun sich zusammen und machen das, was sie am besten können – und worauf sie den größten Bock haben: Sie gründen die Band MarsX und nehmen ein Album auf, auf dem sie alle Qualitäten bündeln, die sie aus früheren Projekten bis zurück in die frühen Achtziger mitbringen. Hier will niemand Hits haben, deshalb sind die elf Sogs so gut und vielseitig, auch wenn sie im Grunde nix neu erfinden. Darum geht’s nicht, hier liegt Rock’n’Roll vor, kraftvoll, melodisch, ansteckend und mit Ausflügen in Glam und Disco auch gar nicht so dunkel, wie es das Etikett Postpunk und Songtitel wie „Rotten World“ suggerieren.

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Madness – Theatre Of The Absurd Presents C’est la Vie – BMG 2023

Von Guido Dörheide (13.12.2023)

Ich gehe an das neue Madness-Album mal ran, ohne mir nochmal die Vorgänger „Oui Oui, Si Si, Ja Ja, Da Da“ und „Can’t Touch Us Now“ anzuhören, die mir beide gut gefallen, mich aber nicht vom Hocker gerissen haben. Und bin begeistert. Wenn jemals eine Band, die es schon seit über 40 Jahren gibt, deutlich gemacht hat, dass sie a) künstlerisch immer noch über jeden Zweifel erhaben und b) weiterhin relevant ist, dann Madness mit „Theatre Of The Absurd Presents C’est la Vie“ (allein der Titel ist schon Welt, finde ich).

Zuallererst muss man sich mal vor Augen halten, wer eigentlich die sechs Herren waren, die seinerzeit (1979 auf dem Coverartwork von „One Step Beyond“) den Silly Walk performten. Es waren Graham MacPherson („Suggs“, Gesang), Mike Barson („Monsieur Barso“, Keyboards), Chris Foreman (Gitarre), Mark Bedford (Bass), Lee Thompson (Saxofon) und Dan Woodgate (Schlagzeug). Danach kam noch das langjährige Bandmitglied Cathal Smyth („Chas Smash“, Trompete und Bewegungen auf der Bühne) hinzu, der 1980 ein- und 2014 wieder ausstieg.

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Neil Young – Before And After – Reprise Records 2023

Von Guido Dörheide (13.12.2023)

Hier schließt sich ein Kreis: „Unplugged“ war 1993 eins der ersten Neil-Young-Alben, die ich mir (nach „Harvest“ und „Freedom“) als junger Erwachsener zulegte, und damals war ich überwältigt davon, was Young allein mit Stimme, Gitarre und Harmonium auf die Beine stellt. Das war vor 30 Jahren, und mit „Before And After“ legt der Pate des Grunge nun wieder ein rein akustisches Livealbum vor, diesmal auch ohne Publikumsgeräusche. „Mr. Soul“ (im Original vom Buffalo-Springfield-Album „Buffalo Springfield Again“ von 1968) brachte mich damals dazu, zum Buffalo-Springfield-Fan zu werden, und zahlreiche andere Klassiker wie „The Old Laughing Lady“, „Pocahontas“ sowie das damals noch recht neue „Harvest Moon“ veranlassten mich zu einer eingehenden Beschäftigung mit Youngs übrigem Werk. Wie schon damals ist auch auf dem aktuellen Album die Hitdichte nicht sehr hoch (und Young könnte mehrstündige Konzerte geben, ohne auch nur einen einzigen Nicht-Hit zu spielen, aber das macht er nicht), und weiland wie heute steht das den beiden Alben sehr sehr gut. Und dem Guardian war „Before And After“ gleich zwei Rezensionen wert, eine am 08. und eine am 10. Dezember erschienen.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Fra Lippo Lippi – From Nesodden to Manila (and back)

Von Onkel Rosebud

Was haben die Bands Tokio Hotel, Sixto Rodríguez und Fra Lippo Lippi gemeinsam? Sie haben, von ihrem jeweiligen Heimatland aus gesehen, an einem ganz anderen Ende der Welt Kultstatus. Die Loitscher Jungs in Japan, Sixto Rodríguez aus Detroit in Südafrika (der dazugehörige Film „Searching For Sugar Man“ ist eine unbedingte Guckempfehlung) und Fra Lippo Lippi aus Nesodden, Norwegen, auf den Philippinen.

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Yonder Pond – Mole In My Shoe – Sireena 2023

Von Matthias Bosenick (13.12.223)

Die hörbare Ähnlichkeit zu Traffic und anderen hippieesken Beatkapellen versteckt der Schweizer Schlagzeuger mit dem musikalischen Namen Rémy Sträuli gar nicht erst: Er nennt das zweite Album seines Solo-Projektes Yonder Pond „Mole In My Shoe“, was auch dem Humor des Originals noch eines draufsetzt. Mit Schalk im Nacken also, auch erkennbar an den fiktiven Musikern dieses Projektes, macht sich der Mann aus Basel daran, seinen bekifften Vorbildern nachzueifern, und die Pastiche gelingt ihm überzeugend: Beatles, Zappa, Krautrock, Hipperock, Artrock mischt er auf eine Weise zusammen, die es so damals nicht gab – das ist das Glück der Spätgeborenen, die sich bei Bestehendem mehrerer Töpfe bedienen können.

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