Das Vollplaybacktheater interpretiert: Die drei ??? und der heimliche Hehler – Live in der Lindenhalle in Wolfenbüttel am 10. Februar 2024

Text von Matthias Bosenick | Fotos von Andrea Smolka und Matthias Bosenick (11.02.2024)

Endlich kamen auch die Wolfenbütteler in den vergnüglichen Genuss der jüngsten Tour des Wuppertaler Vollplaybacktheaters: Der Termin am 7. Oktober 2023 war unfallbedingt ausgefallen, der Nachholtermin war dann auch gleich der Abschluss der ganzen Tour. Die dem Stück zugrundeliegende Episode aus der Hörspielreihe um die Juniordetektive Die drei Fragezeichen aus Rocky Beach erschien 1985, was das Ensemble zum Anlass nimmt, seinen berühmten Mash-Up mit dem Besten der Fêtenhits der Achtziger zu durchsetzen. Die Tanzchoreos kamen zwar beim Publikum bestens an, doch die wahre Qualität des VPT liegt im assoziativen Überkreuz dubiosester Sprachsamples.

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Ja, Panik – Don’t Play With The Rich Kids – Bureau B 2024

Von Guido Dörheide (11.02.2024)

„In meinem Schritt ließ ich Dämonen wohnen?“ Wäh? OK, nein, nochmal genauer hingehört: „In meinen Schritten“ singt Andreas Spechtl auf „Lost“, dem ersten Stück des neuen Albums der innerhalb sämtlicher Texte nicht nervig, sondern irgendwie in sich logisch zwischen Deutsch und Englisch hin- und herspringenden Burgenländer mit Wohnsitz in Berlin. Das beruhigt mich, und auch Anneliese Braun, Agathe Bauer und Lady Mondegreen atmen hörbar erleichtert aus und auf.

Und wieder einmal mehr habe ich mir mal wieder mehr Einleitungen ausgedacht als andere Textbausteine, daher hier gleich die zweite:

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Solbrud – Live im DR Koncerthuset, Koncertsalen, Kopenhagen, am 10.02.24

Von Pernille Sørensen (11.02.2024)

Eure betreute Rezensentin hat sich in Solbrud verliebt vor vielen Jahren her. Und das Konzert gestern war einer der größten Venues wo ich sie gesehen habe. Und eine, kann man Kulmination sagen?!
Wenn man nie im DR Koncertsalen war muss ich kur davon erzählen. Das Raum hat Platz für 1800 Zuhörer. Es ist von Jean Nouvels Hand und ähnelt einem Meteor in einem Eisblock. Und alles ist in den Farben Orange. Beeindruckend und auch intim.
Die Bühne ist central und man sitzt herum in verschiedene Erdgeschossen.

Aber jetzt zum Konzert…
Solbrud würden zum ersten und letztes Mal die neue LP „IIII“ durch spielen live.
Es war also ein one-off Erlebnis.

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New Model Army – Unbroken – Ear Music/Attack Attack/Edel 2024

Von Matthias Bosenick (08.02.2024)

Justin Sullivan, einziges verbliebenes Gründungsmitglied von New Model Army, wird im April 68 Jahre alt. Seiner Stimme mag man die fortgeschrittene Lebenszeit bisweilen anhören, seiner Musik zu keiner Zeit: Die aus Folk Rock und Post Punk hervorgegangene Indierock-Instanz ist, der Titel des 16. Studioalbums verrät’s, „Unbroken“, sie drängt nach vorn, sie erzwingt die Auseinandersetzung, sie fordert Aufmerksamkeit ein, und das nicht mit punkiger Härte, zumindest nicht allein – ja, die Songs sind ruppig, doch sind es die Kombination aus Vortragsart, gebrochenen Rhythmen und in der Instrumentierung aufgestauter Energie, die hier den Eindruck von Inbrunst und Dringlichkeit omnipräsent halten. New Model Army ist eine der wenigen Bands dieses Planeten, die ewig existiert und noch nie enttäuscht hat.

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Poor Things – Yórgos Lánthimos – GB 2023

Von Matthias Bosenick (07.02.2024)

Wer Emma Stone gern ständig nackt und beim Sex sehen möchte, ist bei „Poor Things“ genau richtig. In diesem Film spielt sie eine Frau, die nach ihrem erfolgreichen Suizid das Gehirn ihres ungeborenen Kindes eingepflanzt bekommt, wieder zum Leben erweckt wird und zum Zwecke der Selbstermächtigung damit beginnt, herumzuvögeln, unter anderem als Prostituierte – und damit die patriarchisch eingerichteten Männer, bei denen es sich vermutlich um die titelgebenden „Poor Things“ handelt, auf den Kopf stellt. Viel Story bleibt abseits einiger punktgenauer psychologischer Dialoge nicht haften, dafür aber die Ausstattung: Optisch grob Ende des 19. Jahrhunderts angesiedelt, behält man aus 140 Minuten Film die futuristisch an Seilen über den Dächern von Lissabon schwebenden Straßenbahnen am längsten im Gedächtnis.

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Steel Pole Bath Tub – The Skull Tapes – SPBT/No Coast 1987/2023

Von Matthias Bosenick (06.02.2024)

Kaum erheben sich die Noiserockhelden Steel Pole Bath Tub nach rund 20 Jahren Pause wieder von ihren Sofas, erinnern sie sich an kurz nach wie es damals begann, 1987, als Dale Allan Flattum, Mike Morasky und Dorothy Kent alias Darren K. Mor-X alias Darren Kent Morey ihre zweiten Demos als „We Own Drrrills“ auf Kassette herausbrachten, und schicken diese fünf Songs nun überarbeitet als vielfach divers gefärbte 12“ mit Original-Artwork von Flattum alias Tooth zurück ins Weltgeschehen. Der Sound ist sowas von vertraut, man fühlt sich sofort zu Hause: schräge Gitarren, ungenaue Melodien, Gequatsche aus dem Fernseher, mitreißende Rockmusik zwischen Space, Psychedelic, Surf und dem, was dereinst sowohl den Indierock als auch den Grunge zutiefst beeinflussen sollte. Jetzt fehlt noch das allererste Demo aus dem Vorjahr und eine Compilation mit allen 7“es und Raritäten!

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Jaufenpass – Cloud’s Eye – Jaufenpass/Shimmering Moods Records 2023

Von Matthias Bosenick (05.02.2024)

Mein Teekesselchen zieht über den Himmel, mein Teekesselchen speichert Daten: Aus der sprachlichen Vieldeutigkeit der Cloud macht der anonyme italienische Musiker mit dem Pseudonym Jaufenpass ein Album, auf dem er musikalisch beide Bedeutungen miteinander verwischt. Weitestgehend handelt es sich bei „Cloud’s Eye“ um Ambient. Zumeist ist die Musik abstrakt, Beats gibt es keine, Takte ergeben sich maximal dadurch, dass Jaufenpass die aus der Cloud heruntergeregneten Daten bisweilen hinreichend wiederkehrend loopt, ansonsten besteht das Album aus sanften Drones, warmen Soundscapes, gesampelten Einzeltönen, behutsamen Noises und anderen Verfremdungen. Damit, so das künstlerische Ziel, wird Organisches mit Digitalem in Verbindung gesetzt. Selbst wenn dies beim Hören ohne diese Info nicht klar wird, bekommt man ein kunstvolles Ambient-Album, das entspannt, überrascht und herausfordert.

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Peter Missing and Hackbert – Remove The Shadows – Separated Beats 2024

Von Matthias Boosenick (02.02.2024)

Zum zweiten Mal tun sich der New Yorker Multikünstler Peter Missing und der Berliner Industrial-Techno-Produzent Hackbert alias Bert Olke für eine EP zusammen. „Remove The Shadows“ überrascht auf allen Ebenen: das gesprochene Wort hat etwas Manisch-Beschwörendes, die Musik dazu vermengt Rock’n’Roll-Instrumentarium und Electro-Dub zu einem ausgebremsten, aber kraftvollen Industrial-Rock-Trip. Auf der B-Seite dieser digitalen Veröffentlichung erneuern sie gemeinsam den Acid House und reduzieren abschließend den Titeltrack um die Gitarren, ohne an Wucht einzubüßen. Davon darf es gern mehr geben!

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: „Oh boy, ich zerfick dir dein Gesicht“ – Brutalismus 3000

Von Onkel Rosebud

Hin und wieder fragt mich meine Freundin, ob ich ihr nicht mal was vorspielen kann, das bei der Generation Z angesagt ist. Meine Reaktion ist dann meistens Augenrollen. Wäre das eine olympische Disziplin, ich wäre im Kader, aber neulich konnte ich bei ihr mit einem Tipp aus dem Musikfeuilleton von Deutschlandfunk Kultur punkten: Brutalismus 3000. Das ist ein Ballerbeat-Duo aus Berlin, das man irgendwo zwischen Hardcore-Techno, Gabber und Elektropunk einordnen kann. Also übersetzt für uns GenXler: D.A.F. trifft Atari Teenage Riot, nur in jung, weiblich und hip, dazu bissig, respektlos und schnell. Ihr 2023er Debüt-Longplayer „Ultrakunst“ (Live From Earth) ist ein wildes und selbstbewusstes Album, ein abwechselnd beängstigendes und rotziges Feuerwerk aus Wut und Humor, das wie eine richtig gute Party klingt, die aus den Fugen geraten ist. Und bei dem Thema kenne ich mich aus, auch wenn ich noch nie im Berghain war (und auch nicht da rein will). Vor dem Album hatten Dingsbums 3000 in den Corona-Years drei EPs rausgebracht: „Amore Hardcore“, „Liebe in Zeiten der Kola“ sowie „Eros Massacre“. Allesamt Perlen der guten Laune.

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