Spiritualized ® – Everything Was Beautiful – Fat Possum/Bella Union 2022

Von Matthias Bosenick (25.07.2022)

Ab ins All mit Spiritualized! Der Treibstoff dafür ist wie ehedem synthetisch und der Soundtrack einmal mehr wundervoll psychedelisch. Mit dem neunten Studioalbum „Everything Was Beautiful“ setzt Jason Pierce aus Rugby nicht nur seinen in jeder Hinsicht dichten, dazu epischen, repetetiven, gospelartigen, chilligen, noisigen, warmen Drogenrock fort, sondern auch noch zwei Ankerpunkte zu früheren Alben: Der Titel bildet die erste Hälfte des Kurt-Vonnegut-Zitats, das das Vorgängeralbum „And Nothing Hurt“ (2018) vervollständigt – Zeitparadoxien sind möglich –, und das Cover erinnert an die Pillenpackung des Erfolgsalbums „Ladies And Gentlemen We Are Floating In Space“ (1997). Und das sind wir in der Tat immer noch.

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Die Cigaretten – Emotional Eater – Broken Silence 2021

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Von Guido Dörheide (21.07.2022)

Wie schon mein Großonkel Gerd immer sagt: „Man kann alt werden wie ne Kuh und lernt doch immer noch dazu!“ Onkel Gerd – wenn Du das hier liest: Herzlichen Glückwunsch zu deinem 94. Geburtstag am ersten Juli, ich hatte mehrmals versucht, Dir zu gratulieren, aber Du bist nicht rangegangen.

Seit ungefähr 1987 verbringe ich mit nichts so viel Zeit wie damit, mir gute Musik anzuhören, und seit ungefähr 2019 hatte ich den Eindruck, dass momentan eigentlich nichts, was mir gefällt, unter meinem Radar durchflöge, und ausgerechnet dann kommt mein Freund Frank um die Ecke, schickt mir einen Youtube-Link und sagt, wenn ich darüber mal was schreibe, würde auch er es lesen.

Alsdann, gehen wir es an: Der Link war „Vibe Ride“ (2019) von Die Cigaretten aus Hamburg, von denen ich tatsächlich nie zuvor etwas gehört hatte. Ja klar, von Zigaretten hatte ich schon mal was gehört und habe in der Tat ein Problem damit, widerstehe jetzt dennoch, aber sonst echt: Nichts gehört. Lieber Frank, ich hoffe, Du bleibst hier jetzt trotzdem am Lesen dran, auch wenn ich nicht „Vibe Ride“ rezensiere, sondern das letztjährige Werk „Emotional Eater“.

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Straight Shooter – 4 Alben – Sky Records/Sireena 1978-1983/2022

Von Matthias Bosenick (20.07.2022)

Was buddeln die Leute von Sireena denn jetzt wieder aus? Straight Shooter, eine Hardrockband aus Düsseldorf, die zwischen 1978 und 1984 aktiv war. Vier von fünf Alben veröffentlichen die Bremer nun verteilt auf zwei CDs und lassen offen, warum das zweite Album nicht dabei ist. Man begleitet das wechseln besetzte Quin- bis Sextett chronologisch eigensinnig auf seinem Weg vom tighten Orgelrock zur Discofizierung und mithin zur Auflösung, weil sich dann doch nicht so viele Leute für diese Transformation begeistern konnten. Als Zeitdokument sind diese beiden CDs aufschlussreich und bergen so manche Perle, die offenbar sogar in lokalen Barfußtanzdiscos zu Clubhits wurden. Ah nee, der Song war ja auf dem zweiten Album. Dennoch: Es geht geil los mit ausufernd georgeltem Hardrock, der sich international gar nicht zu verstecken gebraucht hätte.

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NFD – Requiems From The Abyss – Jungle/Gothic Citadel Records 2021/2022

Von Matthias Bosenick (07.07.2022)

Nicht nur Vinyl-Presswerke haben offensichtlich Produktionsprobleme, bei CDs kommt dies ebenfalls gelegentlich vor, wenngleich es sich im Falle der Best-Of- und Raritäten-Box „Requiems From The Abyss“ von NFD („Noise For Destruction“) auch um die Produktion der Verpackung drehen kann: Pappbox mit CD-Slipschubern, Postkarten, Postern, Pin, das ist alles schon aufwändig. Digital kam diese Übersicht schon 2021 heraus, und es stellt sich bei jeder Best-Of die Frage, welcher Fan sie braucht, und die beantworten die englischen Fields-Nachfolger mit Unveröffentlichtem und Rarem. Hier gibt’s Gothic Rock im Geiste Pink Floyds und des Heavy Metal, also von Leuten, die das Genre mit erfanden und seit 20 Jahren unkitschig fortsetzen. Und die geburtshelfenden Fields Of The Nephilim sowie The Nefilim hört man ständig heraus.

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Marc Halupczok & Sarah Quast – Lost & Dark Places Braunschweig – Bruckmann 2022

Von Matthias Bosenick (06.07.2022)

Braunschweig ist dark und lost? Ganz gewiss, und einen nicht geringen Anteil daran hat – wie an viel zu vielen Orten in Europa – die Nazizeit. Marc Halupczok findet dafür erfreulich deutliche Worte, wie er ohnehin zu Deutlichkeit stets neigt, obschon er sich in dieser Auflistung von 33 verwunschenen Flecken im Braunschweiger Land etwas diplomatischer zeigt, als wenn er als Till Burgwächter agiert. Herbstlich-düstere Fotos liefert Sarah Quast dazu; das Wort „kongenial“ möchte hier dennoch vermieden werden, weil es nervt. Halupczok nimmt den Lesenden enorme Recherchearbeit ab und schildert zusätzlich persönliches Erleben, wenn er sich an Kirchen, in Ruinen, auf Friedhöfen oder auch in Tiefgaragen mit Legenden, Spukgeschichten und realem Horror vom Mittelalter bis heute auseinandersetzt. Klassische „Lost Places“, also etwa überwucherte halbverfallene Villen im Wald oder so etwas, hat diese Gegend nur spärlich zu bieten, spannende Geschichten dafür umso mehr. Auch für Einheimische mehr als informativ – und dank Halupczoks lakonischen Schreibstils insbesondere unterhaltsam.

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Miranda Lambert – Palomino – Sony Music 2022

Von Guido Dörheide (04.07.2022)

Egal ob solo oder zusammen mit Ashley Monroe und Angaleena Presley in der gemeinsamen Country-Supergroup Pistol Annies – ein neues Album von Miranda Lambert wird von mir immer mit großer Spannung erwartet und hat mich noch nie enttäuscht – im Gegenteil, sowohl die Pistol Annies als auch Lambert solo werden von Veröffentlichung zu Veröffentlichung immer besser. Der Einstieg in Lamberts Werk war für mich vor einigen Jahren der Song „The House That Built Me“ vom 2009er Album „Revolution“, der in dem Rolling-Stone-Artikel „50 Country Albums Every Rock Fan Should Own“ als möglicherweise bester Country-Song des noch jungen Jahrhunderts bezeichnet wurde und dadurch mein Interesse weckte. „The House…“, einen wunderschönen, sentimentalen Song über Lamberts Elternhaus und ihre Gefühle gegenüber ihren Eltern, habe ich seitdem gefühlt Hunderte von Malen gehört und es niemals geschafft, am Ende nicht zu heulen wie am Spieß.

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Stranger Things 4 – The Duffer Brothers – Netflix 2022

Von Matthias Bosenick (04.07.2022)

Emotional überwältigend in vielen Aspekten: Die vierte Staffel der 2016 als Retro-Kinder-Grusel gestarteten Netflix-Serie „Stranger Things“ macht so viel besser als die dritte, dass man den verlorenen Glauben an die Reihe nicht nur wiederfindet, sondern auch noch verstärkt. Das liegt an der stark emotional ausgeprägten Geschichte, die aufgrund der überzeugenden Figuren und der vorrangig plausibel bis stringent erzählten blutigen und monströsen Weltenrettergeschichte so nachhaltig einschlägt. Und dann rührt es auch noch an, dass man überhaupt im Jahre 2022 als x-te Staffel einer Erfolgsreihe etwas – auch filmisch! – qualitativ so Hochwertiges geboten bekommt, vor allem, nachdem es einmal so eklatant schlecht gelaufen war. Staffel 4 ist ein Einschlag, in Herz und Hirn und Innereien. Man kann nur staunen. Und man behält die Menschen aus Hawkins nachhaltig bei sich.

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Kreator – Hate über alles – Nuclear Blast 2022

Von Guido Dörheide (28.06.2022)

Kreator. Von den großen 4 des Teutonic Thrash Metal die Allergrößten. In meinen Augen größer, als Metallica es je werden können. OK – Metallica haben den (in meinen Augen allereinzigsten) Vorteil, dass sie seit dem Rauswurf des begnadetsten, wenn auch bescheuertesten Thrashmetalgitarristen der gesamten Bay Area ihr Line-up nur einmal gezwungenermaßen geändert haben, und das war, als der Bassist Cliff Burton infolge eines supertragischen Tourbusunfalls verstorben ist. Und durch den wahrhaft großen Jason Newsted ersetzt wurde, mit dem Metallica ihr letztes gutes Album (nein Matze – nicht das Schwarze [der Ansicht bin ich auch gar nicht, Anm. d. Matze]) aufgenommen haben. Der spätere Abgang von Newsted und sein Ersatz durch Rod Gonzales oder wie der heißt läuft m.E. nur noch unter Ferner Liefen. Aber ich schweife ab: Kreator sind natürlich in erster Linie Mille Petrozza. Und das reicht erstmal völlig aus. Und neben Mille klebt der wahnsinnige Ausnahmeschlagzeuger Jürgen „Ventor“ Reil im Line-Up der Band wie eine Tube Pattex – nur in den 90ern war er mal für ca. zwei Jahre nicht dabei. Und das ist der Hammer – normalerweise sind es die Schlagzeuger, die ob ihrer harten körperlichen Maloche am Schnellsten verschleißen (siehe beispielsweise Phil Collins).

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Ben Aaronovitch – Die Silberkammer in der Chancery Lane (Amongst Our Weapons) – dtv 2022

Von Matthias Bosenick (27.06.2022)

Was macht man, wenn eine Buchreihe erfolgreich ist und man gesichert weiß, dass Neuerscheinungen von fanatischen Fantasy-Fans sofort erworben werden? Klar: die Bücher teurer. Heißt zum zweiten Mal in der „Die Flüsse von London“-Reihe von Ben Aaronovitch, dass der deutsche Verlag dtv das Format sinnlos aufbläht und dieses Mal dafür sogar satte sechs Euro mehr pro Buch einstreicht. Genau so sinnfrei ist der Versuch, die deutschen Titel einer Corporate Identity zu unterwerfen, die sie im Original nicht haben – offenbar traut man seiner Leserschaft nicht den popkulturellen Horizont zu, den der Autor hat, denn „Amongst Our Weapons“ spielt, wie so viele Stellen im Buch, allen voran die Zwischenüberschriften, auf Monty Pythons Flying Circus an: „Nobody expects the Spanish Inquisition!“, mit direktem Bezug zum Inhalt dieser neunten Geschichte der Urban-Fantasy-Reihe um Zauberpolizist Peter Grant. Aaronovitch schreibt hier wieder ausufernd, und doch konzentrierter, spannend, humorvoll, sprachlich gewandt und einfallsreich über einen Racheengel, der direkt aus der Epoche der Spanischen Inquisition stammt. Und im Buch werden Monty Python nicht einmal überhaupt erwähnt.

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Santiano – Live open air in Goslar vor der Kaiserpfalz, 23. Juni 2022

Von Guido Dörheide (27.06.2022)

Eigentlich sollte Iron Maiden in FFM gegen Ende Juli mein erstes Konzerterlebnis nach dem Lockdown werden. Aber da hatte ich die Rechnung ohne die zauberhafteste aller denkbaren Konzertbegleiterinnen gemacht, die mir am letzten Donnerstag zwei Karten für Santiano am selben Tag vor der Kaiserpfalz zu Goslar unter die Nase hielt und fragte, ob ich da mit ihr hingehen würde. Ich war zugegebenermaßen baff, da maximal unvertraut mit dem Oeuvre von Santiano, aber dass das eine wunderbare Live-Band sein sollte, hatte ich schon mal gehört, und so stammelte ich, dass ich in es ihrer Begleitung natürlich auch über alle Maßen genießen würde, die Bottroper Fußgängerzone mit einer Zahnbürste vom Staube zu befreien und ansonsten für jede neue Erfahrung offen sei. Und mich total auf das Open-Air-Konzert vor der Kaiserpfalz freue.

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