Moon‘s Mallow – Against All Gods/Long Lost – Gioia Coppola 2021/2022

Von Matthias Bosenick (26.09.2022)

Indierock ohne breite Beine, kann man sagen, groovend, spröde, gefühlvoll, gesangsstark, der volklosen Folklore so nah wie dem Anti-Britpop der Auteurs, mit einem Hauch Psychedelik: Moon‘s Mallow sind da, aus Bari ganz im Süden Italiens, wo sich Bandchef Gioia Coppola zunächst mit den brasilianischen Musikern Leila Isaac und Luís Marino sowie dem renommierten Bassisten Michele Rossiello zusammentat, um „Against All Gods“ aufzunehmen. Nachdem die beiden Brasilianer das Land aus beruflichen Gründen verließen, holte sich Gioia als Ersatz Damiano Ceglie und Claudio Colaianni dazu, um „Long Lost“ einzuspielen, das nicht wirklich den Eindruck erweckt, es zur Hälfte mit anderen Leuten zu tun zu haben. Moon‘s Mallow bleiben ohne Posen, eher im Dunkel der Nacht, nicht eben vor Fröhlichkeit sprühend, also überaus vortrefflich genießbar. Und nun gibt‘s beide Alben auf Vinyl.

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Nick Cave – Seven Psalms – Cave Things 2022

Von Matthias Bosenick (25.08.2022)

„Solche Dinge sollten nicht passieren, aber sie passieren“, sagt Nick Cave im sechsten seiner „Seven Psalms“, sieben zur Ambient-Musik von Warren Ellis gesprochene Kontemplationen über „Glauben, Wut, Liebe, Trauer, Barmherzigkeit, Sex und Lobpreis“, wie es Cave selbst bezeichnet. Für jeden Tag der Woche ein Psalm, alle zusammen ein Angebot zur Meditation. Angesichts des Umstandes, dass Cave jüngst auch seinen zweiten Sohn an den Tod verlor, kann man seine Haltung beinahe als stoisch auffassen, mindestens als gestärkt, gesund und zukunftsgewandt. Und der Geist Gottes schwebt über dieser 10“.

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A Secret Revealed – When The Day Yearns For Light – Lifeforce 2021/2022

Von Matthias Bosenick (11.08.2022)

Eigentlich existiert dieses dritte Album von A Secret Revealed bereits seit Oktober 2021, nur dauerte es mit der Vinyl-Veröffentlichung aufgrund bekannter Probleme mit den Presswerken bis ins folgende späte Frühjahr. Jetzt ist es endlich da, und bunt wie das Vinyl ist auch die Musik, wenngleich man jener eine Neigung zum modernen Black Metal zugestehen muss, also der unbuntestmöglichen Spielart des Heavy Metal. Aber, und das ist das Besondere an diesem Würzburger Quintett: A Secret Revealed definieren Metal nicht nach Schubladen, sondern danach, worauf sie Bock haben. Da ist der gebrüllte Gesang eher dem Hard- bis Metalcore entnommen, da ist die Musik drumherum von allem mit heavy verzerrten Gitarren etwas und dabei so wenig genau konkreten Metal-Genres zuzuordnen, dass man allem guten Gewissens ein „Post-“ vorausschicken kann.

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!!! – Let It Be Blue – Warp 2022

Von Matthias Bosenick (16.06.2022)

Es ist bei jedem neuen Album von !!! so, dass man sich nur noch mehr damit arrangieren muss, dass es nicht mehr so klingt wie zu Zeiten des selbstbetitelten Debüts bis zu „Myth Takes“ 2007: Von der einstigen Tanzkapelle mit handgespieltem progressivem und drogeninduziertem Discosound ist so gut wie nichts mehr übrig, die Band ist längst synthetisch geworden und passte sich in Sound und Melodie streckenweise sehr dem Zeitgeist an. Auf „Let It Be Blue“, Album Nummer neun, klingt nichts nach melancholischen Beatles, dafür aber nach zackiger Housemusik und nach Latin-Pop. Es wird sicher wieder eine Weile dauern, bis man hier als Altfan seine Perlen findet. Die gibt es durchaus, es sind grandiose Songs enthalten, nur ein durchgehend überzeugendes Album bekommt man aus Sicht von vor 20 Jahren von !!! leider schon lang nicht mehr.

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Spezial: addicted/noname Label aus Moskau, Teil 12

Von Matthias Bosenick (05.05.2022)

Post und Emails gab es dieses mal aus Moskau, und man freut und wundert sich, dass beides dieser Tage überhaupt durchkommt. Die drei Betreiber des Labels, das wahlweise addicted heißt oder einfach namenlos ist, also auf noname reagiert, bleiben unermüdlich, auch wenn Paypal-Zahlungen aus dem Verkauf bei Bandcamp derzeit aufgrund der westlichen Embargos gegen die Kriegstreibermacht gar nicht ihre auch wohlgesonnenen Ziele in Russland erreichen. Es bleibt zu hoffen, dass es bald ein „danach“ geben wird, in dem die Oppositionellen nicht unter die Räder kommen. Musik gibt es dieses Mal als Download, CD oder 7“, darunter auch vom Bruderlabel Bad Road Records, und zwar mit der Compilation „Addicted Tunes“, neuen Alben von Detieti und Был замечен… sowie Singles von Fistula, Koffinsurfer und Crawl – und zwar nicht nur aus Russland, sondern auch aus der Ukraine.

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Heltekvad – Morgenrødens Helvedesherre – Eisenwald 2022

Von Matthias Bosenick (22.04.2022)

„Medieval Black Metal“ versprechen Heltekvad, „Heldenepos“, auf ihrem Debütalbum „Morgenrødens Helvedesherre“, und diese Selbstbezeichnung führt etwas in die Irre: Erwartet man die Verquickung von Strukturen aus Mittelaltermucke und Schwarzmetall, stellen Heltekvad diese Stile bestenfalls gegeneinander und behandeln ansonsten in den Texten mittelalterliche Themen. Aus diesem Blickwinkel darf man das Album als Enttäuschung auffassen, weil es den erwarteten Crossover nicht bietet. Dafür aber extrem knackigen Oldschool-Black-Metal, mit der genrespezifischen Kälte, hohem Gekeife und flirrenden Gitarren bei aberwitzigem Tempo. Dennoch: Bei Solbrud fehlt Sänger und Gitarrist Ole Luk, die er zugunsten dieser Band und seines anderen Projektes Afsky verließ.

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Sunn O))) – Metta, Benevolence BBC 6 Music: Live On The Invitation Of Mary Anne Hobbs – Southern Lord 2022

Von Matthias Bosenick (24.03.2022)

So schön kann Lärm sein! Und dieser Lärm hier ist wahrhaftig schön. Die Doom-Droner aus Seattle, deren Name nicht Sunno ausgesprochen wird, weil das O))) im Bandnamen den Regler am Verstärker der Marke Sunn symbolisiert, begaben sich Ende 2019 auf Einladung der Journalistin Mary Anne Hobbs bei der BBC ins Studio von John Peel, um für ein Samhain-Special eine Livesession einzuspielen. Als Gästin holten sie sich die begnadete Dunkelorganistin Anna von Hauswolff mit ins Boot. Heraus kommt ein einstündiges Werk aus bedächtig umeinander dröhnenden Sounds, erzeugt mit Gerätschaften aus den Bereichen Saiteninstrument, Blechblasinstrument und Synthesizer, mit dezentem Stimmeinsatz versetzt. Ein prachtvolles Stück Musik!

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Toundra – Hex – Inside Out/Sony 2022

Von Matthias Bosenick (07.03.2022)

Sobald nur die Gitarre einsetzt, ist es wie eine Heimkehr, das gilt für die melancholische Dudelgitarre wie für das episch verzerrte Brett: Toundra ist eine Band, die man am Sound erkennt, einzigartig. Den instrumentalen Postrock der Spanier unterscheidet das Progressive von anderen Vertretern, die Stücke sind komplex und abwechslungsreich. Damit Musik nicht wie in diesem Genre üblich alsbald ins Weinerliche driftet, reichern Toundra sie mit einem kraftvollen Schlagzeug und einer streckenweise unerwarteten Härte an. Auch wenn instrumental hier das absolut aufgehende Konzept ist, wünscht man sich doch zusätzlich eine Rückkehr von Niño de Elche zurück, also die Fortsetzung des vorzüglichen gemeinsamen Flamenco-Projektes Exquirla.

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The Rude Revolution – Stay Rude Stay In Solidarity – Rude Revolution 2021

Von Matthias Bosenick (09.02.2022)

Antifaschistische Bands für antifaschistische Projekte: Das Ska- und Oi!-Kollektiv Rude Revolution mit dem trinkfesten Krokodil als Logo sammelt Songs von Musikgruppen, die mit ihrem Beitrag für den Sampler „Stay Rude Stay In Solidarity“ die Arbeit vom Bündnis gegen Rechts Braunschweig und vom Kulturzentrum Nexus unterstützen, die sich den Erlös aus dem Verkauf dieser Schallplatte teilen. Diese international belegte Auswahl eint, dass sie allesamt Nexus-Bühnenluft in den Lungen tragen und in der breiten Palette zwischen eben Ska und Oi!-Punk nicht nur Haltung zeigen, sondern auch noch gute Laune im Köcher haben.

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Spezial: Head Perfume Records

Von Matthias Bosenick (18.01.2022)

Zwei neue LPs bringt der Dresdener Tausendsassa René Seim auf seinem Label Head Perfume Records heraus, in denen der Fuzz eine wesentliche Rolle spielt: „Always Memphis Rock And Roll – Volume 1“ ist eine Zusammenarbeit mit Robert Wyatt von Black & Wyatt Records aus der titelgebenden Gegend mit Songs, die mehrere Jahrzehnte abdecken und die große Bandbreite lokaler Mucker dokumentiert, und die Compilation „Hotzenplotz“, die den Anschein einer Zusammenstellung diverser Artisten hat, indes ausschließlich den verstorbenen Oldenburger Krachmacher Nils Damage in all seinen Inkarnationen portraitiert. Lärm!

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