Von Matthias
Bosenick (13.08.2019)
Erst nur für den Records Store Day
im April veröffentlicht, nun für alle zugänglich, wenn auch nicht
preisgünstiger: Zwei experimentelle Schallplatten der ätherischen
Postrocker Sigur Rós füllen die Lücke seit dem letzten richtigen
Album „Kveikur“ von vor sechs Jahren. Auf zusammen vier Seiten
der beiden LPs „Variations On Darkness“ und „22° Lunar Halo“
präsentieren sich die Isländer von einer eher ungewohnten Seite,
indem sie auch mal harsche, harte Elemente in ihre Wattewolken packen
und von Songstrukturen jeden nur möglichen Abstand nehmen, dabei
aber in ihren Sounds wiedererkennbar bleiben. Spannend!
Archiv der Kategorie: Vinyl
Pet Shop Boys – Agenda – X2 2019
Von Matthias
Bosenick (31.07.2019)
Als satirischen Kommentar zur
Weltlage veröffentlichen die Pet Shop Boys parallel zu ihrer
Live-DVD „Inner Sanctum” eine 12”-EP mit vier neuen Songs über
Reiche, Social Media, Dummheit und andere globale Probleme, die sie
auf ihrer Kritik-„Agenda“ haben. Haltung und Humor des
Synthiepopduos passen, very british indeed, nur klingt der Synthiepop
sogar für die Pet Shop Boys etwas zu synthetisch. Musste wohl
schnell gehen. Und ist physisch inzwischen auch schon so etwas wie
vergriffen.
Jambinai (잠비나이) – Onda (온다) – Bella Union 2019
Von Matthias
Bosenick (29.07.2019)
Der sicherste Anwärter auf den
Posten „Album des Jahres 2019”: Auf ihrem dritten offiziellen
Album „Onda“ entwickeln Jambinai ihren ohnehin schon
eigenständigen Stil weiter, verfeinern ihn, fordern die Hörer noch
mehr heraus. Einsortiert unter Metal, steuert die Band aus Seoul
heuer vielmehr in Richtung Post Rock – und gibt den traditionellen
Südkoreanischen Instrumenten noch mehr Raum als zuvor. Wer moshen
will, muss zuhören können. Und wer das tut, erlebt ein
musikalisches Abenteuer, wie es kompromissloser ist als so viele
andere.
The Flaming Lips – King’s Mouth – Warner 2019
Von Matthias
Bosenick (24.06.2019)
Gar nicht so freakig wie erwartet,
oder hat man sich lediglich daran gewöhnt? Wayne Coyne, Chef der
Flaming Lips, hatte jüngst eine Kunstausstellung namens „King’s
Mouth“, und unter Mitwirkung von The Clashs Mick Jones legt er nun
im Gewand seiner Band den Soundtrack dazu vor. Natürlich geistert
Coynes Kunstpop über den Wassern, aber das Album hat zusätzlich
diverse wunderschöne Ohrwürmer in petto. Gab’s beim Record Store
Day auf goldenem Vinyl und soll demnächst dem Rest der Welt auf CD
zugänglich gemacht werden.
U2 – The Europa EP – Island 2019
Von Matthias
Bosenick (11.06.2019)
Die große Rockband U2, vermutlich
die derzeit größte der Welt, veröffentlicht seit 2010 ihre einst
so begehrten Singles lediglich zu den amerikanischen
Plattenladensonderterminen. Die neueste, kreativ „The Europa EP“
benannt, erschien zum jüngsten Record Store Day und beinhaltet exakt
null neue Songs. Vielmehr bekommt man den Auftakt zur letzten Tour in
eine ineinanderfließende Liveversion der beiden B-Seiten-Tracks
gesampelt, nämlich die Rede von Charlie Chaplin aus „Der große
Diktator“. Nett, in Summe sogar hörbarer als die beiden letzten
Studioalben, und doch reichlich verzichtbar.
Fixmer/McCarthy – Let It Begin – Planete Rouge Records 2019
Von Matthias
Bosenick (07.06.2019)
Seit elf Jahren kein neues Album,
aber die dritte 12” in drei Jahren: Zwei neue Songs plus jeweils
einen Remix dazu veröffentlichen der französische Techno-DJ Terence
Fixmer und der englische EBM-Mitgestalter Douglas McCarthy als „Let
It Begin“-EP. Kurioserweise haben die Remixe mehr Feuer als die
Originale, und es bestätigt sich, dass das Duo auf Albumlänge mehr
zu sagen hat als in einzelnen Tracks. Wenn der Kontext fehlt, wirken
die Stücke etwas unausgefeilt. Aber die beiden Jungs haben doch Spaß
an der Sache und hören trotz Zeitnot nicht damit auf, miteinander
Musik zu veröffentlichen. Und das ist gut so.
Myrkur – Juniper – Relapse 2018
Von Matthias
Bosenick (23.05.2019)
Es ist nicht mehr so einfach,
sämtliche Songs von Myrkur physisch in die Finger zu bekommen. Die
letzten beiden erschienen kürzlich als 7“, und das nach einer
raren Flexi-Single sowie einem Album, das es in limitierter Fassung
mit einer Bonus-EP gab. Seitdem ist es um Amalie Bruun allerdings
auch reichlich ruhig geworden. So ruhig wie die beiden Songs auf
diesem Stück Vinyl: Black Metal dient hier lediglich der
Gefolgschaft als Orientierungshilfe, zu hören gibt es im weitesten
Sinne Folklore. Damit überrascht die Dänin ihre Verehrer
mitnichten, die Puristen indes gewiss.
Petrolio – L+Esistenze – Petrolio 2018
Von
Matthias Bosenick (20.05.2019)
Industrial alter Schule
widmet sich Enrico Cerrato aus Asti unter seinem Alias Petrolio,
nicht der harschen, plakativen Sorte, sondern der mit Soundscapes,
Atmosphären, Drones und experimentellen Effekten, die allesamt sogar
Raum für songähnliche Strukturen lassen. Mit seiner jüngsten
Veröffentlichung „L+Esistenze“ erfüllt er sich einen Traum,
indem er sechs von ihm verehrte Musiker an seinen Tracks teilhaben
lässt, darunter auch Jochen Arbeit von den Einstürzenden Neubauten
und von Automat. Das Album gibt es auf Vinyl und Kassette mit jeweils
unterschiedlichen Inhalten. Beide Varianten lohnen sich: Cerrato
macht mit Noise etwas Entspannendes, eher dem Black Gaze ähnlich als
dem Harsh Electro.
Der Weg einer Freiheit – Live in Berlin – Season Of Mist/Viva Hate 2019
Von Matthias Bosenick (10.04.2019)
Nach vier Alben in zehn Jahren Bandgeschichte kann man ruhig mal ein Konzert als Doppel-LP veröffentlichen, oder? Die Songs klingen ungefähr ziemlich sehr so wie auf Platte – das kann man gut finden, weil die Band damit belegt, wie gut sie ihr Handwerk beherrscht, oder auch schlecht, weil man die Studio-Platten ja auch schon im Regal stehen hat. Egal: Konzerte von Der Weg einer Freiheit sind kompakt und intensiv, ihr Black Metal trägt das Präfix Post und überhaupt hat man es mit einer herausragenden Band zu tun. Außerdem ist das Vinyl einfach hübsch.
The Young Gods – Data Mirage Tangram – Two Gentlemen 2019
Von Matthias Bosenick (09.04.2019)
Seit 34 Jahren dabei, die Schweizer Erfinder dessen, was in den USA später als Industrial bezeichnet wurde und was die Young Gods selbst schon lang nicht mehr machen: Auf „Data Mirage Tangram“ setzen sie vielmehr ihre drogeninduzierten Soundtrips fort, obgleich mit Gitarreneinsatz, so doch weniger auf Härte ausgelegt als auf ein akustisches Vorankommen. Dringlich und zwingend untermauert auch dieses Album, dass die Young Gods noch nie in ihrer Laufbahn enttäuscht haben. Von solchen Musikern gibt es nicht viele, zumindest mit mehr als ein, zwei Alben im Köcher.