Von Matthias
Bosenick (24.03.2020)
Wer überhaupt ist Robby Müller?!
In jedem Fall verdient er einen chilligen Soundtrack: Das
Drone-Noise-Duo Sqürl, eigentlich die Filmmusik-Hauskapelle von
Regisseur Jim Jarmusch, webt transzendentale Teppiche aus den
vertrauten Lärmzutaten, nur ohne die Dissonanzen. Also eher Ambient
als Drone, eher Schwermut als Zorn. Was man mit herkömmlichem
Rockmusikinstrumentarium alles so hinbekommt! Ein traumhaftes
Traueralbum für – nicht nur – Jarmuschs früheren Kameramann
Robby Müller, der 2018 verstarb.
Archiv der Kategorie: Vinyl
Schneider Collaborations – (Z)erpent/Corder – Jörg A. Schneider 2020
Von Matthias
Bosenick (13.03.2020)
Nach dem Viererschlag 2018
veröffentlicht Schlagzeuger Jörg A. Schneider nun zunächst zwei
neue Alben seiner Reihe Schneider Collaborations gleichzeitig auf
Vinyl: eines mit dem Gitarristen (Z)erpent aus Taipeh und eines mit
dem Gitarre- und Elektro-Experimentatoren Nathan Corder aus Oakland.
Beide Zusammenarbeiten wurden auf verschiedenen Kontinenten getrennt
aufgenommen – und beide drücken das Gefühl der Freiheit aus, die
die Beteiligten sich damit erfüllen, dass sie sich im Grunde an
keinerlei musikalisches Regulatorium halten. Schwere Kost, keine
Hintergrundbeschallung, aber zutiefst beeindruckend.
The Sandmen – Himmelstormer – 500% Records 2019
Von Matthias
Bosenick (11.02.2020)
Helden der Hymne! Auf
„Himmelstormer“ greifen The Sandmen zurück in die Vergangenheit,
aber nicht in ihre eigene: Die Rockband aus Dänemark integriert
Sounds und Strukturen aus den Achtzigern in ihre Songs, die sie
selbst zu der Zeit gar nicht verwendeten. Nicht nur damit
emanzipieren sie sich von ihrer eigenen Historie: „Himmelstormer“
ist das zweite Album auf Dänisch und das erste auf ihrem eigenen
Label 500% Records, benannt indes nach einem Song auf ihrem Album
„Western Blood“ von 1988. „Himmelstormer“ ist wie ein
attraktives Radioprogramm: unterschiedliche Stile, mal rockend, mal
tanzbar, mal balladesk, und immer mit Ideen im Sound, die andere an
der Stelle nicht gesetzt hätten. Gelungen!
A Secret Revealed – Sacrifices – Lifeforce Records 2019
Von Matthias
Bosenick (28.01.2020)
Wenn eine Doppel-LP schon so geil
beginnt, ist der Zugang leicht, und wenn sie dann auch noch viel
geiler weitergeht, ist die Platzierung in der Jahrestopliste
gesichert. Ausgehend von einem staunend verfolgten Konzert, war die
Neugier auf A Secret Revealed groß, und das zweite Album
„Sacrifices“ der Würzburger ist weit mehr als das, was sie
selbst mit dem Etikett „Post-Metal“ bekleben. Da stecken Black
Metal, Hardcore, Djent und Achtziger-Thrash mit drin. Ein Fest!
Alcest – Spiritual Instinct – Nuclear Blast 2019
Von Matthias
Bosenick (02.01.2020)
Drei Jahre nach „Kodama” klingt
das Nachfolgealbum nicht nach seinem Titel, „Spiritual Instinct“:
Alcest kehren dem melodiösen Pop-Postrock häppchenweise den Rücken
und wenden sich wieder dem Metal zu. Die Genrebezeichnungen Blackgaze
oder gar Black Metal mag keiner der beiden Franzosen, doch sind sie
nicht ganz von der Hand zu weisen. Ein paar Pfund mehr auf den Rippen
stehen dem Sound jedenfalls gut. Spannend sind überdies die drei
Bonus-Tracks der Vinyl-Buch-Version: Da hält plötzlich industrielle
Elektronik Einzug.
Sqürl – The Dead Don’t Die – Sacred Bones Records 2019
Von Matthias
Bosenick (14.11.2019)
Wahrscheinlich liegt es daran, dass
man den Zombie-Film auch schon nicht so gut fand, dass einen dieser
Soundtrack ebenso wenig überzeugt. Es wäre vielleicht sogar anders
ohne die zwischengestreuten Dialogschnipsel, denn die Musik der Band
von Regisseur Jim Jarmusch ist an sich ganz akzeptabel, aber auch
sehr anders als das, was man von Sqürl ansonsten kennt: weniger
Drones, mehr elektronisches Geplucker. Ganz nett insgesamt, und das
ist schon beinahe eine Abwertung.
Anuseye – 3:33 333 – Vincebus Eruptum Recordings 2019
Von Matthias
Bosenick (04.11.2019)
Wenn das erste Hören des Albums im
Laden des Labelbetreibers von der Vinyl-Vorabpressung erfolgt, hat
man ohnehin eine ganz spezielle Verbundenheit zu dieser Musik. Das
allein macht „3:33 333“ aber nicht so hörenswert: Die
Süditaliener aus Bari ordnen sich im Heavy-Psych-Rock ein, was
bedeutet, dass man die Rauchschwaden ganz gut heraushört, die
musikalische Grundstruktur auf massiven Blues-Fundamenten fußt und
das Quartett nicht nur melodieverliebt gniedelt, sondern
zwischendurch auch fröhlich experimentiert. Auch beim dritten Album
bleibt der Bandname Anuseye zwar scheiße, ist die Musik aber im
Vergleich zum Vorgänger ein erhebliches Stück gereift.
Transparentes gelbes Vinyl!
Deflore & Jaz Coleman – Party In The Chaos – Subsound Records 2019
Von Matthias
Bosenick (24.10.2019)
Jaz Coleman ist also schwerst
begeistert vom römischen Industrial-Duo Deflore, was ihn nun dazu
trieb, eine gemeinsame EP einzuspielen. Seine erste Kollaboration,
wie gern kolportiert wird, und dabei geraten unter anderem Anne
Dudley, Shihad und Þeyr in Vergessenheit. Die EP nun klingt
lediglich partiell wie Killing Joke, und wenn, dann nicht zuletzt
wegen Colemans durchdringend röhrendem Gesang; musikalisch leistet
sich das Duo mehr elektronische Feinheiten als Colemans Hauptband.
Das Vinyl ist zweifarbig bunt und geetcht und nicht zuletzt den Kauf
wert.
!!! – Wallop – Warp/Rough Trade 2019
Von Matthias Bosenick (29.09.2019)
Man kann !!! nun definitiv nicht vorwerfen, dass sie sich in den vergangenen 22
Jahren nicht entwickelt haben. Vorwürfe hätten da ganz andere Grundlagen, denn
nicht jeder Altfan kann der Entwicklung folgen und wohl nicht jeder Neue dem alten
Werk etwas abgewinnen. Da ist Anpassungsfähigkeit gefragt, wenn man nicht einfach
abspringen will. Auf „Wallop“ erhalten bleibt der Tanzzwang, der von der Musik
ausgeht; geändert hat sich eben diese Musik, vom Funk-Punk-Handgemachten zum
Synthetisch-Clubbigen. „Wallop“ ist partiell eingängig, aber nicht gefällig,
und damit erleichtern es die fünf New Yorker den Skeptikern, sich auch der
neuen Ausrichtung zu öffnen.
Thom Yorke – Anima – XL Recordings 2019
Von Matthias
Bosenick (30.08.2019)
Wenn der Soundtrack deutlich länger
ist als der Film dazu, hat Thom Yorke etwas geschafft, was ihm mit
„Suspiria“, der Veröffentlichung davor nicht gelang, obwohl es
sich dabei sogar um ein Doppel-Album handelte. Das liegt aber auch
daran, dass „Anima“ nur eine Viertelstunde lang ist, und es ist
auch gut so, dass das auf das Album nicht zutrifft: Yorke extrahiert
den Electro-Anteil aus seiner Rockband Radiohead und erzeugt daraus,
ergänzt durch ein Orchester, eine intelligente, warme, künstliche
und künstlerische Musik. Der Netflix-Film dazu von Paul Thomas
Anderson ist auch ganz reizvoll.