Von Matthias Bosenick (07.11.2024)
Emotionen sind hier nicht plakativ sichtbar, aber Thema: Die todkranke Martha bürdet der entfernten Freundin Ingrid auf, sie bei ihrem Freitod zu begleiten – an sich die Basis für haufenweise Wehklagen, doch Pedro Almodóvar inszeniert „The Room Next Door“, die Verfilmung des Romans „Was fehlt dir? (What Are You Going Through?)“ von Sigrid Nunez, als Informationsaustausch auf intellektueller Ebene. Das ist wohltuend, weil man sich weniger manipuliert fühlt. Der Regisseur geht zudem stante pede in medias res und fesselt trotz des zumeist theoretischen Aufbaus über die gesamte Spielzeit die Aufmerksamkeit der Betrachtenden. Außerdem begeistern, wie beim früheren Enfant Terrible gewohnt, die Bilder – und Tilda Swinton ist der nächste Pluspunkt.
Archiv der Kategorie: Kino
Der wilde Roboter (The Wild Robot) – Chris Sanders – USA 2024
Von Matthias Bosenick (23.10.2024)
Die Klaviatur des Kitsch wird hier voll ausgespielt, jede Tränendrüse getriggert, jedes verfügbare Mittel angewandt: Zwar kommt der Animationsfilm „Der wilde Roboter“ aus dem Hause DreamWorks, fühlt sich aber nahezu komplett wie Disney an. Lediglich nahezu, weil hier eine Menge schwarze Gags zum Thema Tod eingebaut sind, die man beim Vater im Geiste eher nicht erwarten würde. Die Handlung klappert die konventionellen kinderfilmgerechten Kernelemente ab: Menschlichkeit, hier gespiegelt im Verhalten eines Roboters, Freundschaft, Frieden, Selbstbehauptung als Underdog (bzw. Undergoose), Selbstvertrauen, all sowas, dargelegt anhand anthropomorpher Charaktere einer von Humanoiden unbewohnten Insel. Wischt man das alles beiseite und konzentriert sich allein auf die Optik, wird man von diesem Film nachhaltig überwältigt. Mit Raumschiffen und Laserkanonen!
In Liebe, Eure Hilde – Andreas Dresen – D 2024
Von Matthias Bosenick (18.10.2024)
Warum sollte man sich ein Ticket für einen Film lösen, in dem die Nazis gewinnen? Nicht nur angesichts gegenwärtiger Wahlergebnisse ist das keine attraktive Aussicht. Aber „In Liebe, Eure Hilde“ ist von Andreas Dresen, das ist ein Argument dafür. Und Dresen löst jede Erwartung ein – im Guten wie im Schlechten: Seine Bildsprache und seine Erzählweise sind rein filmisch betrachtet mehr als sehenswert – und die Geschichte ist in ihrem Ausgang absolut unerträglich und erschütternd. Man begleitet die in der gesamtdeutschen Historie aus dem Blickfeld verschwundene kommunistische Widerstandskämpferin Hilde Coppi parabelartig vorwärts in ihre Exekution und rückwärts in ihre Rolle als Geliebte und antifaschistische Verschwörerin. Und Dresen hält erbarmungslos drauf.
Beetlejuice Beetlejuice – Tim Burton – USA 2024
Von Matthias Bosenick (13.09.2024)
Reboots und Fortsetzungen erfolgreicher Hollywood-Filme der zurückliegenden 20 bis 50 Jahre sind immer Scheiße – oder? Wenn nun also ein Tim Burton auf die Idee kommt, seinem versponnen-fantasievollen 1988er-Hit „Beetlejuice“ über einen „Lottergeist“, der lebende Menschen aus einem von Geistern bewohnten Haus zu exorzieren hat, nach 36 Jahren einen zweiten Teil zu verpassen, darf man bei einem solch fantasievollen und kompromisslosen Regisseur doch etwas Sehenswertes erwarten, oder? Spoiler: nein.
Schirkoa: In Lies We Trust – Ishan Shukla – IND/F/D 2024
Von Matthias Bosenick (30.08.2024)
Hier ist die Methode, wie der Film erstellt wurde, aufregender als der Film selbst, leider: Das Videospiele-Grafik-Tool Unreal Engine ist das Werkzeug, mit dem Regisseur Ishan Shukla seinen Animationsfilm „Schirkoa: In Lies We Trust“ produzierte. Das sparte Kosten und Team, wenn auch nicht Zeit. Dafür Drehbuch: Es fällt schwer, der Motivation der Hauptfigur in diesem – klar – dystopischen SciFi-Film zu folgen, oftmals springt die Darstellung der Geschehnisse abrupt und womöglich basiert alles auf irgendwelchen Indischen spirituellen Kulturbesonderheiten, die man als Nichtinder nicht erklärt bekommt, was das Verständnis nicht vereinfacht. Vielleicht ist das Drehbuch aber auch einfach nur sehr unausgegoren. Das machen die interessanten Bilder leider auch nicht wett.
Nur noch ein einziges Mal (It Ends With Us) – Justin Baldoni – USA 2024
Von Guido Dörheide (24.08.2024)
Der Spoiler zum Film: Nur noch ein einziges Mal (It Ends With Us)
HINWEIS: Ich gebe hier nahezu den kompletten Inhalt des Films wieder. Allen, die den Film unvoreingenommen sehen wollen, um sich ein eigenes Bild zu machen, rate ich, den Artikel erst anschließend durchzulesen.
In der letzten Woche schlug die Liebste mir vor, dass wir uns den Film „Nur noch ein einziges Mal“ ansähen, und ich, der ich noch nichts über den Film gehört hatte, befragte Doktor Google, der mir sagte, dass sich der Film mit Blake Lively in der Hauptrolle mit dem Thema „Häusliche Gewalt“ auseinandersetze. Wichtiges Thema, gute Hauptdarstellerin, also buchten wir gute Plätze im größeren der beiden Lichtspieltheater in der zweitgrößten Stadt Niedersachsens (gleich nach Hannover), wo wir ohnehin am Freitag etwas zu erledigen hatten.
WeiterlesenZwei zu Eins – Natja Brunckhorst – D 2024
Von Matthias Bosenick (01.08.2024)
Einem Ausländer ist es trotz allen Nachlesens und Zeitzeugenzuhörens höchstwahrscheinlich nicht umfassend möglich, das Gefühl nachzuempfinden, das sich bei der Bevölkerung der DDR zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung einstellte, damals, im Hitzesommer 1990. Träume, Zukünfte, Ideologien, Ängste, Gewissheiten stehen infrage oder sind gleich komplett aufgehoben, ein plötzliches Leben zwischen Reisefreiheit und Arbeitslosigkeit macht es nahezu unmöglich, Pläne zu fassen. Fatalismus hilft als Motivator, wenn man plötzlich die Chance hat, der Vernichtung überlassenes DDR-Geld in die Finger zu bekommen und damit den Staaten ein Schnippchen zu schlagen. Aus der wahren Geschichte macht Natja Brunckhorst die Dramödie „Zwei zu Eins“ mit angemessen gebremstem Tempo, tollen Darstellern, guten Dialogen, schönen Bildern und einer überflüssigen Dreiecksgeschichte.
Ich – einfach unverbesserlich 4 (Despicable Me 4) 3D – Chris Renaud – USA 2024
Von Matthias Bosenick (17.07.2024)
Wenn man mit dieser Sorte US-amerikanischen Humors nicht allzuviel anfangen kann und das wesentlich größere Vergnügen darin besteht, Kino-Begleiter einer Elfjährigen Minion-Verehrerin zu sein, hat man umso mehr Gelegenheit, die interessanteren Aspekte am vierten Teil der vermutlich bis ins Unendliche reichenden Animationsfilmreihe mit dem bekloppten deutschen Titel „Ich – einfach unverbesserlich“ inmitten des kreischigen Unsinns wahrzunehmen. Allem voran die neue Figur, Nachbarstochter Poppy, sowie den Mut zum heavy Soundtrack und die grandiosen 3D-Effekte. Damit kann man beinahe vergessen, dass die eigentliche Haupthandlung so gut wie gar keinen Raum einnimmt und dass die Witze reichlich flach sind.
Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Aaron Sorkin – Der Mann für Ideale.
Von Onkel Rosebud
In der Autobiografie des Schauspielers Rob Lowe, „Stories I Only Tell My Friends“, steht, dass Mitarbeiter der Obama-Administration gesagt haben, „We just west-winged“, wenn sie besonders spontan mit dem Mundwerk vor der Presse gewesen sind. Mr. Lowe spielte Sam Seaborn in der Hinter-den-Kulissen-des-Weißen-Hauses-Serie „The West Wing – Im Zentrum der Macht“ (1999–2006), den stellvertretenden Kommunikationsdirektor des künftigen Präsidenten der USA. Er schreibt seine Reden.
WeiterlesenRobot Dreams – Pablo Berger – E/F 2023
Von Matthias Bosenick (12.05.2024)
Überbordend vor Einfällen beginnt diese Begegnung eines humanoiden Roboters mit einem anthropomorphen Hund im New York der Achtziger, vor dem Fall der Twin Towers, und das als Zeichentrickfilm im klaren Cartoonstil ohne gesprochene Worte, aber mit ganz viel Earth, Wind & Fire. Nach der Hälfte ändert sich in „Robot Dreams“ fast alles, Tempo, Opulenz, Humor, es wird balladesk und melancholisch – und mündet in ein Finale, das man ganz anders erwartet, erhofft, vorausgeahnt hätte. Man hat es eben nicht mit Disney zu tun.