Fly Cat Fly – Live in Harrys Bierhaus, Braunschweig, am 30. Juli 2022

Von Matthias Bosenick (31.07.2022)

Ein Abend voller Liebelingslieder, auch solcher, die man vorher noch gar nicht kennen konnte. Mit Schlagzeug aus der Konserve, diversen Saiteninstrumenten und Megaphon kredenzt das Duo Fly Cat Fly in Harrys Bierhaus eine Sorte Indierock, die viel breiter aufgestellt ist als nur durch das, was man sich unter dem Wort vorstellen mag. Epische Ausmaße nehmen die Songs an, transportieren Dunkelheit und Tanzbarkeit, Leben, Energie, Aufruhr, Widerstand, Resignation und Aufrappeln. Oft zweistimmiger Gesang, viele wavige Gitarrenflächen, sich steigernde Energie und einnehmende Melodien – Bassistin Sina Lempke und Gitarrist Cord Bühring überwältigen ihr Publikum mit eigenständiger, besonderer, großartiger Musik. Um es im Twitter-Deutsch zu fragen: Wann neues Album?

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Iron Maiden live im Frankfurter Waldstadion, 26. Juli 2022 (Support: Airbourne und Powerwolf)

Von Guido Dörheide (27.07.2022)

Irgendwann vor Weihnachten sprach mich Kollege und Freund Christof darauf an, dass Iron Maiden 2022 in Frankfurt am Main auftreten würden und ob wir nicht vielleicht zusammen dahin gehen wollen würden. Christof hat manchmal ziemlich gute Ideen, zum Beispiel dieses Mal, ich sagte voller Begeisterung zu und wenige Tage später lag eine erheblich preisreduzierte Maiden-Karte („mit schönen Grüßen vom Weihnachtsmann“) bei mir auf dem Schreibtisch. Ich habe die Karte seitdem wie meinen Augapfel (Christof ist Hesse – Augapfel, Ebbelwoi, ei gude) gehütet und bereits am Vorabend der Abfahrt nach FFM im kleinen roten Auto deponiert, um ja nicht ohne Ticket vor der Deutsche Bank Arena (formerly known as Waldstadion) zu stehen. Hat sich auch alles ausgegangen – ich stand mehr oder weniger pünktlich (also sagen wir mal pünktlich) samt Ticket und voll geladenem Smartphoneakku auf dem Parkplatz der Luftfahrt-Bundesamt-Außenstelle Frankfurt in Raunheim und los ging es mit der S-Bahn zum Stadion.

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Sacred Son – The Foul Deth Of Engelond – Sacred Son 2022

Von Matthias Bosenick (28.07.2022)

England hat schon wieder die Pest, und der Londoner Dane Cross macht ein Album darüber. „The Foul Deth Of Engelond“ ist das zweite Album seines Projektes Sacred Son, auf dem er mit einer ganzen Band auftritt, und sein vormaliger One-Man-Black-Metal bekommt dadurch eine wohltuende Wärme. Nicht erst seit dem Solo-Debüt des Dawnwalker-Musikers ist klar, dass er mehr zu bieten hat als nur den in Black-Metal-Kreisen provokativen Lacher mit dem Cover, auf dem er mit Sonnenbrille am Strand zu sehen ist. Diese optische Leichtigkeit behält auch die Band Sacred Son bei, die musikalische Wucht und Schwere kommt hier sogar noch viel besser zur Geltung als auf den drei Alben davor. Fassettenreicher Black Metal, der die Genregrenzen gottlob sprengt. Und das pestfaulige England gleich mit.

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Spiritualized ® – Everything Was Beautiful – Fat Possum/Bella Union 2022

Von Matthias Bosenick (25.07.2022)

Ab ins All mit Spiritualized! Der Treibstoff dafür ist wie ehedem synthetisch und der Soundtrack einmal mehr wundervoll psychedelisch. Mit dem neunten Studioalbum „Everything Was Beautiful“ setzt Jason Pierce aus Rugby nicht nur seinen in jeder Hinsicht dichten, dazu epischen, repetetiven, gospelartigen, chilligen, noisigen, warmen Drogenrock fort, sondern auch noch zwei Ankerpunkte zu früheren Alben: Der Titel bildet die erste Hälfte des Kurt-Vonnegut-Zitats, das das Vorgängeralbum „And Nothing Hurt“ (2018) vervollständigt – Zeitparadoxien sind möglich –, und das Cover erinnert an die Pillenpackung des Erfolgsalbums „Ladies And Gentlemen We Are Floating In Space“ (1997). Und das sind wir in der Tat immer noch.

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Die Cigaretten – Emotional Eater – Broken Silence 2021

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Von Guido Dörheide (21.07.2022)

Wie schon mein Großonkel Gerd immer sagt: „Man kann alt werden wie ne Kuh und lernt doch immer noch dazu!“ Onkel Gerd – wenn Du das hier liest: Herzlichen Glückwunsch zu deinem 94. Geburtstag am ersten Juli, ich hatte mehrmals versucht, Dir zu gratulieren, aber Du bist nicht rangegangen.

Seit ungefähr 1987 verbringe ich mit nichts so viel Zeit wie damit, mir gute Musik anzuhören, und seit ungefähr 2019 hatte ich den Eindruck, dass momentan eigentlich nichts, was mir gefällt, unter meinem Radar durchflöge, und ausgerechnet dann kommt mein Freund Frank um die Ecke, schickt mir einen Youtube-Link und sagt, wenn ich darüber mal was schreibe, würde auch er es lesen.

Alsdann, gehen wir es an: Der Link war „Vibe Ride“ (2019) von Die Cigaretten aus Hamburg, von denen ich tatsächlich nie zuvor etwas gehört hatte. Ja klar, von Zigaretten hatte ich schon mal was gehört und habe in der Tat ein Problem damit, widerstehe jetzt dennoch, aber sonst echt: Nichts gehört. Lieber Frank, ich hoffe, Du bleibst hier jetzt trotzdem am Lesen dran, auch wenn ich nicht „Vibe Ride“ rezensiere, sondern das letztjährige Werk „Emotional Eater“.

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Straight Shooter – 4 Alben – Sky Records/Sireena 1978-1983/2022

Von Matthias Bosenick (20.07.2022)

Was buddeln die Leute von Sireena denn jetzt wieder aus? Straight Shooter, eine Hardrockband aus Düsseldorf, die zwischen 1978 und 1984 aktiv war. Vier von fünf Alben veröffentlichen die Bremer nun verteilt auf zwei CDs und lassen offen, warum das zweite Album nicht dabei ist. Man begleitet das wechseln besetzte Quin- bis Sextett chronologisch eigensinnig auf seinem Weg vom tighten Orgelrock zur Discofizierung und mithin zur Auflösung, weil sich dann doch nicht so viele Leute für diese Transformation begeistern konnten. Als Zeitdokument sind diese beiden CDs aufschlussreich und bergen so manche Perle, die offenbar sogar in lokalen Barfußtanzdiscos zu Clubhits wurden. Ah nee, der Song war ja auf dem zweiten Album. Dennoch: Es geht geil los mit ausufernd georgeltem Hardrock, der sich international gar nicht zu verstecken gebraucht hätte.

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NFD – Requiems From The Abyss – Jungle/Gothic Citadel Records 2021/2022

Von Matthias Bosenick (07.07.2022)

Nicht nur Vinyl-Presswerke haben offensichtlich Produktionsprobleme, bei CDs kommt dies ebenfalls gelegentlich vor, wenngleich es sich im Falle der Best-Of- und Raritäten-Box „Requiems From The Abyss“ von NFD („Noise For Destruction“) auch um die Produktion der Verpackung drehen kann: Pappbox mit CD-Slipschubern, Postkarten, Postern, Pin, das ist alles schon aufwändig. Digital kam diese Übersicht schon 2021 heraus, und es stellt sich bei jeder Best-Of die Frage, welcher Fan sie braucht, und die beantworten die englischen Fields-Nachfolger mit Unveröffentlichtem und Rarem. Hier gibt’s Gothic Rock im Geiste Pink Floyds und des Heavy Metal, also von Leuten, die das Genre mit erfanden und seit 20 Jahren unkitschig fortsetzen. Und die geburtshelfenden Fields Of The Nephilim sowie The Nefilim hört man ständig heraus.

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Marc Halupczok & Sarah Quast – Lost & Dark Places Braunschweig – Bruckmann 2022

Von Matthias Bosenick (06.07.2022)

Braunschweig ist dark und lost? Ganz gewiss, und einen nicht geringen Anteil daran hat – wie an viel zu vielen Orten in Europa – die Nazizeit. Marc Halupczok findet dafür erfreulich deutliche Worte, wie er ohnehin zu Deutlichkeit stets neigt, obschon er sich in dieser Auflistung von 33 verwunschenen Flecken im Braunschweiger Land etwas diplomatischer zeigt, als wenn er als Till Burgwächter agiert. Herbstlich-düstere Fotos liefert Sarah Quast dazu; das Wort „kongenial“ möchte hier dennoch vermieden werden, weil es nervt. Halupczok nimmt den Lesenden enorme Recherchearbeit ab und schildert zusätzlich persönliches Erleben, wenn er sich an Kirchen, in Ruinen, auf Friedhöfen oder auch in Tiefgaragen mit Legenden, Spukgeschichten und realem Horror vom Mittelalter bis heute auseinandersetzt. Klassische „Lost Places“, also etwa überwucherte halbverfallene Villen im Wald oder so etwas, hat diese Gegend nur spärlich zu bieten, spannende Geschichten dafür umso mehr. Auch für Einheimische mehr als informativ – und dank Halupczoks lakonischen Schreibstils insbesondere unterhaltsam.

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Miranda Lambert – Palomino – Sony Music 2022

Von Guido Dörheide (04.07.2022)

Egal ob solo oder zusammen mit Ashley Monroe und Angaleena Presley in der gemeinsamen Country-Supergroup Pistol Annies – ein neues Album von Miranda Lambert wird von mir immer mit großer Spannung erwartet und hat mich noch nie enttäuscht – im Gegenteil, sowohl die Pistol Annies als auch Lambert solo werden von Veröffentlichung zu Veröffentlichung immer besser. Der Einstieg in Lamberts Werk war für mich vor einigen Jahren der Song „The House That Built Me“ vom 2009er Album „Revolution“, der in dem Rolling-Stone-Artikel „50 Country Albums Every Rock Fan Should Own“ als möglicherweise bester Country-Song des noch jungen Jahrhunderts bezeichnet wurde und dadurch mein Interesse weckte. „The House…“, einen wunderschönen, sentimentalen Song über Lamberts Elternhaus und ihre Gefühle gegenüber ihren Eltern, habe ich seitdem gefühlt Hunderte von Malen gehört und es niemals geschafft, am Ende nicht zu heulen wie am Spieß.

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Stranger Things 4 – The Duffer Brothers – Netflix 2022

Von Matthias Bosenick (04.07.2022)

Emotional überwältigend in vielen Aspekten: Die vierte Staffel der 2016 als Retro-Kinder-Grusel gestarteten Netflix-Serie „Stranger Things“ macht so viel besser als die dritte, dass man den verlorenen Glauben an die Reihe nicht nur wiederfindet, sondern auch noch verstärkt. Das liegt an der stark emotional ausgeprägten Geschichte, die aufgrund der überzeugenden Figuren und der vorrangig plausibel bis stringent erzählten blutigen und monströsen Weltenrettergeschichte so nachhaltig einschlägt. Und dann rührt es auch noch an, dass man überhaupt im Jahre 2022 als x-te Staffel einer Erfolgsreihe etwas – auch filmisch! – qualitativ so Hochwertiges geboten bekommt, vor allem, nachdem es einmal so eklatant schlecht gelaufen war. Staffel 4 ist ein Einschlag, in Herz und Hirn und Innereien. Man kann nur staunen. Und man behält die Menschen aus Hawkins nachhaltig bei sich.

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