Don‘t Look Up – Adam McKay – USA/Netflix 2021

Von Matthias Bosenick (28.12.2021)

„Jahaha, genau so ist es!“ – Der Film. Der verfilmte Politcartoon aus der Tageszeitung: Einfach mal abbilden, was sowieso klar ist, und „Humor“ drüberschreiben. Das verfilmte Twitter-Meme. Die erste Hälfte von „Der weiße Hai“ – 2021. „So ist die westliche Gesellschaft der Gegenwart“ – für Dummies. Nämlich: Wissenschaftler finden heraus, dass die Erde in sechs Monaten von einem Meteoriten zerstört wird, und alles, was danach passiert, kann man sich so sehr selbst ausdenken, dass der Film überflüssig ist. Die Filmsequenzen mit Überraschung sind so gering, dass man „Don‘t Look Up“ auch gut in einer Viertelstunde erzählt hätte. Macht man aber zweieinhalb Stunden draus. Am Schluss denkt man wie beim Gucken von „Melancholia“: Endlich ist die Qual vorbei, da reißt auch der Dinosaurier nix mehr.

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Der Weg einer Freiheit – Noktvrn – Season Of Mist 2021

Von Matthias Bosenick (23.12.2021)

So geht Weiterentwicklung im Black Metal, bloß kein Stillstand: Der Weg einer Freiheit aus Würzburg können „Unstille“ genau so gut wie „Stille“, und letztere eröffnet das neue Album, das dennoch trve mit „Noktvrn“ betitelt ist. Das Stille an diesem Album ist dabei nicht so sehr am zeitgenössischen Post-Black-Metal orientiert, der sich wiederum bei opulenteren Spielarten wie Shoegaze und Postrock bedient, sondern tatsächlich filigran, zurückhaltend, minimalistisch. Wenn dann die vertraute Energie losbricht, fügt sich beides dennoch überzeugend zusammen. Und wenn dann plötzlich Soul-Passagen erklingen, äh: Ja, man kann den Black Metal ausdehnen, ohne ihn zu verraten, das beweisen auch andere Bands und Künstler ganz ausgezeichnet, Myrkur, Alcest, Solbrud oder eben Der Weg einer Freiheit. „Noktvrn“ hat das Zeug für Jahresbestenlisten. Und das geilste Cover hat die Platte auch noch.

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Annette – Leos Carax – F/USA 2021

Von Matthias Bosenick (22.12.2021)

Streicht man das Brimborium weg, bleibt: ein Drama um Schuld und Nicht-Vergebung, und zwar ein zähes, anstrengendes, langweilig gefilmtes. Dieses Brimborium nun rettet zwar einiges, macht aber leider keinen guten Film aus „Annette“: Die Mael-Brüder Run und Russell, als Pop-Duo seit Jahrzehnten unter dem Namen Sparks weltbekannt und gefeiert, schrieben das Drehbuch für dieses Musical, das „Holy Motors“-Wahnsinnsknabe Leos Carax mit Marion Cotillard und Adam Driver umsetzte. Eine grandiose Ausgangslage, die nach dem brillanten Intro leider verpufft. Viele bemerkenswerte Details retten diese bald zweieinhalb Stunden Elend nicht.

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The Hand Of God (È stata la mano di Dio) – Paolo Sorrentino – Netflix/I 2021

Von Matthias Bosenick (20.12.2021)

Viele üppige Bilder und skurrile Situationen aus „The Hand Of God“ bleiben in nachhaltiger Erinnerung, und doch scheint der Stern von Regisseur Paolo Sorrentino im Sinken begriffen zu sein. Rund um das irreguläre Tor Diego Maradonas strickt er in dieser an seine eigene Biografie angelehnten Mär seine Legende vom im verarmten Neapel aufgewachsenen Teenager in einer bekloppten Familie, laut der „Die Hand Gottes“ höchstselbst ihn vom Tode bewahrte – anders als seine Eltern. Zwar ist man es von Sorrentino gewohnt, dass in seinen Filmen scheinbare oder tatsächliche Willkürlichkeiten ihren festen Platz haben, aber in diesem Film sind sie teilweise etwas unschlüssig aneinandergereiht. Und wenn das wirklich alles autobiografisch ist, weiß man am Ende zu viele Details über seine Sexualität, die man gar nicht wissen will. Einmal mehr gilt: Je älter der Mann, desto frivoler die Kunst.

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Rens Newland & Fuse Bluezz – Blues Indeed – Jive Music 2021

Von Matthias Bosenick (16.12.2021)

Besser kann ein Titel nicht passen: Gitarrist Rens Newland und seine eigens zusammengestellte Band Fuse Bluezz spielen von Wien aus „Blues Indeed“, aber Newland wäre nicht Newland, mogelte er nicht seine anderen Lieblingsgenres mit unter die Songs, solche wie Funk oder progressives Gegniedel. Kann er, können auch seine vier Mitmusiker, und damit wird dieses gediegene Album zur Überraschung. Nur eins fehlt: die Schippe Dreck, die den Blues räudig macht.

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Brösel – Werner Extrawurst 2: Haater Stoff! – Bröseline 2021

Von Matthias Bosenick (14.12.2021)

Wer in den Achtzigern mit „Werner“ aufwuchs, wandte sich ab den Neunzigern von dieser Comicreihe ab, als der Erfolg einzog und sich die Witze und die Zeichnungen veränderten. Solche Altfans spricht Brösel nun mit der zweiten Ausgabe seiner Reihe „Extrawurst“ an, in der der Kieler Zeichner alte Strips aus der Zeit vor und kurz nach der Erfindung von Werner sammelt. „Haater Stoff!“ bietet einen aufschlussreichen Einblick in Brösels Frühwerk, als er noch zwischen Anti-Establishment, Anti-Nazis und Anti-Berufstätigkeit gespickt mit Selbstironie agierte. In dieser Zeit verbesserte der als Rötger Feldmann geborene Autor seine Zeichenfertigkeiten und verfeinerte seinen Humor. Manko: Quellenangaben fehlen, die Überarbeitungen sind nicht gekennzeichnet. Ansonsten ein zum Teil erschreckend aktuelles Zeitdokument.

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Dream Invasion – 6.6.36 – db2fluctuation 2021

Von Matthias Bosenick (09.12.2021)

Ambient und Chill-Out-Musik sind weit gefasste Felder, im Falle von Dream Invasions neuem Album „6.6.36“ heißt das: Soundscapes, die beinahe kopfkinoartige Geschichten erzählen, wechseln sich mit klassischen beatlosen Sequencersequenzen und epischen Flächen ab. Für sein drittes Album in 16 Jahren nutzt Erwin Jadot angenehm oldschooliges Instrumentarium, dessen Sounds wohlig knarzen, wo sie keine glasklaren Pastellflächen ergeben. Der Mann ist hörbar mit dem Synthiepop der Achtziger und der Berliner Schule der Siebziger sozialisiert und hat keine Eile. Kleiner im Titel verankerter Clou: Jeder der sechs Tracks ist exakt 6 Minuten lang.

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The The – The Comeback Special (Live At The Royal Albert Hall) – Cinéola/Ear Music 2021

Von Matthias Bosenick (02.12.2021)

Matt Johnson häufte in über 40 Jahren einen Riesenberg an geilen Songs an, vorrangig in den Achtzigern und Neunzigern, und aus dieser Zeit speist sich nun auch überwiegend „The Comeback Special“, ein zweistündiges Konzert, das der Komponist, Musiker und Sänger mit seiner neu- und reformierten Band The The vor drei Jahren in London gab. Was hat der Mann eine geile Stimme, was haben The The für geile dunkle Hits und Hymnen! Den alten Männern beim Mucken zugucken, kann man machen, die Mucke selbst ist wichtiger als das Bild. Wer indes beides in einer Box haben will, also Bild- und Ton-Datenträger, muss viel Geld investieren, bekommt aber noch haufenweise exklusives Bonus-Zeug dazu. Man darf gespannt sein auf das, was Johnson noch vorhat!

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Daniel B. Prothese – Shades/44.44 II & III – db2fluctuation 2021

Von Matthias Bosenick (30.11.2021)

Da chillt sich der alte Front-242-Soundtüftler Daniel Bressanutti durch mehrere Stunden Ambient: Gleich zwei Doppel-CDs mit nur jeweils einem Track zwischen 45 und 75 Minuten Länge pro Tonträger setzt er unter seinem Alias Prothese ab, „Shades“ sowie zwei Fortsetzungen von „44.44“. Ersteres erscheint im Zusammenhang mit der Online-Ausstellung „Sky Any Colour“ und ist in der ersten Hälfte rhythmischer als Zweiteres, das als Experiment im Geiste der Siebziger aufzufassen ist. Für Daniel B. gilt stets: Seine Chillout-Musik ist gleichzeitig spannend und entspannend.

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