Sylvaine – Nova – Season Of Mist 2022

Von Guido Dörheide (16.11.2022)

Ich muss zugeben, dass ich mit der Post (und deren Tochterfirma Dalsey, Hillblom & Lynn) noch nie Probleme hatte, mit „Thank you for travelling with“ Deutsche Bahn dagegen umso mehr. Von daher freue ich mich umso mehr, wenn ich auf Post-Metal-Acts und nicht auf Bahn-Metal-Acts aufmerksam gemacht werde, die ich bis dato noch nicht kannte. Wie zum Beispiel Sylvaine. Als erklärter Fan von Chelsea Wolfe und Oathbreaker las ich zufällig einen Artikel über Katherine Shepard aus San Diego, die irgendwann mit ihrer Familie ins Heimatland ihrer Mutter umzog und dort eine Karriere als Musikerin startete. Dieses Land ist Norwegen, und so hört sich auch Shepards Musik an, die sie seit 2014 unter dem Namen Sylvaine veröffentlicht. Auf den ersten Alben wurde sie von Neige von der französischen Blackgaze/Postmetal/Postirgendwas-Institution Alcest unterstützt, auf dem vierten Album „Nova“ ist das nicht mehr der Fall.

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Dry Cleaning – Stumpwork – 4AD 2022

Von Guido Dörheide (16.11.2022)

Dry Cleanings Debut „New Long Leg“ war eines der absoluten Großereignisse der alternativen englischen Musik des Jahres 2021. Unglaublich guter, beiläufiger und dennoch unter die Haut gehender und im Kopf bleibender psychedelischer Gitarren-Indierock, kombiniert mit Florence Shaws einzigartiger Art, ihre Lyrik weniger zu singen, sondern eher lesend vorzutragen. Das hat mich im vergangenen Jahr sehr vom Hocker gehauen und umso gespannter war ich, ob es der Band gelingt, dieses Niveau mit dem zweiten Album halten zu können (mit dem ich so schnell gar nicht gerechnet hätte). Zu erwarten, dass Dry Cleaning es gar übertreffen, wäre vermessen gewesen.

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Detectorists – Was fängt man mit dem Leben an oder lässt es aus Trägheit eben bleiben?

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin sammelt gern Steine und Fossilien in der Nähe vom Meer. Zugegeben kein ausgefallenes Hobby, aber eins mit Verlass. Sobald sie einen Strand betritt, geht’s ab in die Hocke und dann siebt sie den Sand nach Bernstein, Donnerkeil und Hühnergott. Andy und Lance dagegen pflegen ein außergewöhnliches Hobby. Sie sind Mitglied im Sondengänger-Verein Danebury Metal Detecting Club (DMDS); zwei exzentrische Metallsucher, die auf dem englischen Land nach Vergrabenem suchen. Klingt als Prämisse für eine Serie langweilig? Mitnichten. „Detectorists“ ist eine höchst spannende Sitcom, quasi ein versteinerter Seeigel im Serien-Seetang, schwer zu finden, dafür melancholisch, witzig, bittersüß, herzerwärmend, aber nicht sentimental und gespickt mit Wortwitz und subtilem Humor.

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Bruce Springsteen – Only The Strong Survive – Columbia 2022

Von Guido Dörheide (15.11.2022)

Oha – ein neues Springsteen-Album und dazu eins voller Coverversionen von Soul-Stücken, also Songs eines musikalischen Genres, mit dem ich mich nahezu nicht auskenne. Eigentlich möchte ich darüber nicht schreiben, aber seit einigen Tagen möchte ich das Album immer wieder hören, weil es sehr gut ist, und so denke ich, ich bin es dem Künstler schuldig, hier die gefühlt 1001. Rezension seit dem Erscheinen von „Only The Strong Survive“ hinzuschreiben.

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Simple Minds – Direction Of The Heart – BMG 2022

Von Matthias Bosenick (15.11.2022)

Ist das noch Punkrock? Nein, spätestens seit 1981 nicht mehr. Mehrmals von sich selbst und anderen zu Grabe getragen, lassen sich die Simple Minds nicht von Schmährufen beirren und bringen 2022 abermals ein Album heraus. „Direction Of The Heart“ ist nicht nur kein Punkrock mehr, sondern eigentlich auch kaum noch überhaupt Rock. Keyboards und Chöre kleistern, die Melodien sind gefällig und eingängig, und was an dem Album gelungen ist, ist es deshalb, weil es die Glasgower in den zurückliegenden 44 Jahren bereits irgendwo erprobten, besser zumeist. Große Gesten, große Gefühle, das Stadion oder die Arena gleich mitgedacht, fügen sich die Songs dieses Albums – den Titeltrack gibt’s übrigens nur in der Deluxe-Edition – in den Singalong-Hitreigen der derzeit als Septett auftretenden Schotten bestens ein. Don’t you?

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Die drei ??? und der dunkle Taipan – Live in der ZAG-Arena in Hannover am 12. November 2022

Von Matthias Bosenick (14.11.2022)

Dreidreiviertel Jahre zwischen Ticketkauf und Veranstaltung, das dürfte Rekord sein: Der dritte Nachholtermin des ursprünglich am allerersten Lockdowntag der Coronapandemie hätte stattgefunden haben sollenden Gigs der Originalsprecher der Hörspielserie „Die drei ???“ ging nun endlich über die Bühne, die zwischenzeitig sogar ihren Namen wechselte, von Tui- in ZAG-Arena nämlich. Routiniert servierten Oliver Rohrbeck als Justus Jonas, Jens Wawrczeck als Peter Shaw und Andreas Fröhlich als Bob Andrews eine eigens für die Tour zum vor drei Jahren begangenen 40. Geburtstag der Hörreihe konzipierte Geschichte, die sie fandienlich in die eigene Vergangenheit führt. „Der dunkle Taipan“ überzeugt mit gelungenem Fall, Meta-Humor und angemessener Bühnenshow – vor mehreren tausend Zuschauern, was bei einem Live-Hörspiel ja nun wirklich den Kopf explodieren lässt. Bei aller Glückseligkeit: Etwas mehr Herzblut hätte gern von der Bühne in den Saal fließen dürfen.

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Decision To Leave (헤어질 결심) – Park Chan-wook – Südkorea 2022

Von Matthias Bosenick (11.11.2022)

Filmfest in Braunschweig! Da läuft „Decision To Leave“, der neue Film von Park Chan-wook, schon vor dem Bundesstart. Der einst Gewalt so unmittelbar auf die Netzhaut drückende Regisseur fährt hier Sex und Brutalität zurück, um eine Geschichte zu erzählen, die im Verlauf mehrmals das Genre wechselt: von humorigem Polizeifilm zu einem Ermittlungsthriller zu einem Liebesdrama. Wundervoll komponierte Bilder, psychedelische Bildwechsel und höchst interessante Charaktere fesseln fast zweieinhalb Stunden lang, bis die Geschichte zuletzt jedoch im Sande verläuft. Dennoch verlässt man das Kino mit bemerkenswerten Eindrücken im Kopf.

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Spezial: Schneider Collaborations

Von Matthias Bosenick (10.11.2022)

Der Mann muss verrückt sein: In nur wenigen Wochen erscheinen gleich sechs Alben mit seiner Beteiligung. Und auch, wenn das Schlagzeugspiel von Jörg Alexander Schneider sowas von einzigartig ist, weil er dabei seinen Kopf ausschaltet und nur seinen Körper walten lässt, was zu verspielten, arhythmischen Klickersounds führt, können diese sechs Alben unterschiedlicher kaum sein. Und stellen zudem trotz ihrer Menge nur einen Bruchteil dessen dar, was Schneider 2022 alles veröffentlichte. Nicht zu laut brüllen: Das Jahr ist noch lang. Hier nun die sechs jüngsten Kollaborationen des früheren Noiserockers aus Hückelhoven, der sich nunmehr vornehmlich im Jazz austobt:

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Athena – Cinéma du banlieue

Von Onkel Rosebud

Diese Ausgabe der Kolumne verdient eigentlich ihren Titel nicht. Es müsste besser Was meine Freundin nicht gerne sieht heißen.Filme oder Dokumentationen über soziale Brennpunkte, Arbeitslosigkeit, Armut, erbärmliche Wohnverhältnisse und gewalttätige Jugendbanden sind nicht ihre Tasse Tee. Wenn dann darin noch postpubertäres Jungmachotum und latent islamistisch gefärbter, manchmal in exzessive Gewalt bis hin zu Gruppenvergewaltigungen, Folter und Mord umschlagender Frauenhass offen zur Schau gestellt werden, dann wendet sie sich mit dem Hinweis ab, dass das mit ihrem Leben ja wohl so gar nichts zu tun hat und wann ich endlich ins Bett käme.

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