Von Matthias Bosenick (10.12.2025)
Wenn sich eine Band heutzutage im Black-Metal-Untergrund verortet, heißt das Dank leicht zugänglicher Technik für den Hausgebrauch nicht mehr, dass man geknüppelten Soundbrei bekommt, und deshalb ist auch „Quintaesencia Nocturna“ des Trios Umbrío aus Valdivia in Chile ein angenehmer Hörgenuss. Nicht nur deshalb: Für diese Band hat der Black Metal keine scharfen Grenzen, was sich in der Zusammensetzung der Spielarten wie im sehr unterschiedlich ausfallenden Gesang ausdrückt. Dies ist das zweite Album der Band und das erste, das physisch auch in Europa zu haben ist.
Archiv des Autors: Van Bauseneick
Francis Cofone feat. Markus Reuter – The Solina Record – Iapetus Media 2025
Von Matthias Bosenick (09.12.2025)
Der Atem … der Unendlichkeit. Sobald man „The Solina Record“ von Francis Cofone und Markus Reuter auflegt, fängt das Gehirn automatisch an, mit der Stimme von Jürgen Kluckert zu denken, dem Erzähler der Hörspielserie „Gabriel Burns“. Die zwei Musiker taten sich eher versehentlich zusammen und improvisierten mit E-Gitarre und dem titelgebenden Instrument ARP Solina String Ensemble, einem über 50 Jahre alten Keyboard, das damals erstmals Streicher nachempfinden konnte. Heraus kommen Soundteppiche ohne feste Strukturen und somit auch ohne absehbares Ende, in Ton gegossenes Licht, akustische Wärme, musikalische Streicheleinheiten für die Seele.
AVTT/PTTN – AVTT/PTTN – Thirty Tigers/Ipecac Recordings/Ramseur Records 2025
Von Matthias Bosenick (08.12.2025)
Von Jello Biafra ist überliefert, dass er seine Kooperation mit Mojo Nixon deshalb einging, um die Jugend nach all dem Punk und Metal mal mit Country zum Satanismus zu führen. 32 Jahre später macht ihm das Mike Patton nach: Der Brüllmeister des verfrickelten Mosh tut sich mit den – anders als Mojo Nixon – eher weichgespülten Avett Brothers zusammen und macht ein Country-Album. „AVTT/PTTN“ hat nun beides, Country und Western, und außerdem darüber hinaus noch zwei unerwartete Perlen. Geht so.
Warren Zevon – Epilogue: Live At The Edmonton Folk Music Festival – Omnivore Recordings 2025
Von Guido Dörheide (05.12.2025)
O’Scheiße – was jetzt hier zuerst schreiben? Dass es sich bei dieser Aufnahme um Zevons letztes Konzert vor über 20 Jahren auf dem wichtigsten kanadischen Musikfestival handelt, dass ich mir das T-Shirt mit dem Aufdruck „Send Lawyers, Guns & Money“ gleich unbesehen bestellen wollte, oder, dass ich gleichzeitig zutiefst berührt und vor den Kopf gehauen bin, dass ich – was ich nie gedacht hätte – ein neues Album eines der größten Künstler des 20. Jahrhunderts, der seit über 20 Jahren tot ist, rezensieren darf?
WeiterlesenMessiness – Messiness – StoneFree Records/Tarla Records 2025
Von Matthias Bosenick (05.12.2025)
Diese milanesichen Psychedeliker eröffnen nach vier Singles ihr selbstbetiteltes Debütalbum gleich mal mit dem ungewöhnlichsten Song: „Feature With A Rapper“ legt völlig falsche Fährten, selbst für eine so wandlungsreiche Band wie Messiness. Der Neunziger-Crossover-Gedanke mit Saxophon inmitten entrückter englischer Sixties-Psychedelik deutet zumindest an, dass man auf „Messiness“ nicht der reinen Lehre folgt, sie mithin höchst attraktiv erweitert. Keine Angst: Puristen finden hier ihrerseits Futter.
Jim Jarmusch & Anika – Father Mother Sister Brother – Sacred Bones Records 2025
Von Matthias Bosenick (04.12.2025)
Wesentlich ruhiger als die Soundtracks, die Regisseur und Sqürl-Bandmitglied Jim Jarmusch für seine früheren Filme machte, ist der zum nächsten Film „Father Mother Sister Brother“, den der Gitarrist mit der Berliner Musikerin und Sängerin Anika aufnahm. Auf die Drones, wie er sie auch gern und grandios mit Jozef van Wissem erzeugt, verzichtet er hier, stattdessen verfällt er maximal auf minimale Soundscapes, auf mitternächtlichen Jazz, auf Ambient. Tom Waits, einer der Hauptdarsteller jenes Films, ist leider nicht zu hören.
Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne (DDR-Spezial): Scheiss Ost-Bands – vom Staat protegierte Mainstream-Combos
Von Onkel Rosebud
Hitparaden nach Verkaufszahlen – so wie wir sie aus der BRD und gesamtdeutsch seit 35 Jahren kennen – gab es in der DDR nicht. Das hatte vielerlei Gründe. Unter anderem war die Begrenzung des Rohmaterials Vinylacetat ein Grund, denn es wurden nicht von allen Platten die gleiche Stückzahl gepresst. Ein schönes Beispiel ist die Platte „Rock’n Roll Music“ von den Puhdys, die insgesamt eine Million Mal über den Ladentisch ging. Die „LP des Jahres“ 1988 mit dem Titel „I.L.D.“ von der Gruppe Rockhaus jedoch nur ca. zwanzigtausend Mal. Außerdem bekam nicht jeder Musiker die Gelegenheit, seine Lieder als Single zu veröffentlichen. Viele Songs wurden über das Radio zu Hits, denn sie wurden als Rundfunkproduktionen im Radio gespielt („Rundfunkauskopplungen“ statt „Singleauskopplungen“), aber nicht auf Platte (oder erst später) veröffentlicht. Da half man sich als Musikfreund mal schnell selbst, legte sich einen Kassetten-Recorder (z.B. „Sonett“, „SKR 700“ oder „Geracord“) zu und schnitt die Musik am Radio mit. Das ging auch ganz prima, denn im DDR-Rundfunk wurden die Lieder „mittschnittfreundlich“ ausgespielt. Das kennt man heute nicht mehr, denn jeder Radio-DJ sabbelt schon am Anfang des Liedes rein und tut das auch am Ende. Darum waren Verkaufszahlen nicht relevant, und die Leute, die sich Lieder am Radio mitgeschnitten haben, ließen sich nicht zählen. Und darum gab es im Radio und im Fernsehen Wertungssendungen wie z.B. „Tip-Disko“ und die „Beatkiste“ oder das „DT Metronom”. Aus allen Wertungssendungen wurden dann die „Hits des Jahres“ bzw. die „Jahreshitparade“ ermittelt.
WeiterlesenAngerseed – Rapture Is Mine … Glory Is Ours – Pest Records/Metal Ör Die Records 2025
Von Matthias Bosenick (03.12.2025)
Der Titel „Rapture Is Mine … Glory Is Ours“ klingt erstmal befremdlich, als hätten die Böhsen Onkelz versucht, Manowar schlecht zu kopieren. Laut Infos bezieht sich dieser Titel auf die Schwierigkeiten, die diese Band aus Debrecen in Ungarn in den zurückliegenden Jahren zu überwinden hatte – das Vorgänger-Debüt erschien 2016, 2019 die letzte EP. Zu hören gibt es hier Death Metal, und zwar amtlich druckvoll und groovend, mit dem einzigen Ziel, die Zwölf zu erreichen, und das kontinuierlich. Würde man sagen: Ziel erreicht.
Kackschlacht – Kackschlacht – Kackschlacht 2025
Von Matthias Bosenick (02.12.2025)
„Endlich alt“, aber trotzdem Punkrock: 14 Songs in gerade 22 Minuten, so geht das auch dann, wenn man die wilden Jahre hinter sich hat, mitten im Leben steht, gewisse Verhaltensweisen einer Gesundheitsförderung unterwirft und die Welt trotzdem nach wie vor Scheiße findet. Wie wenig Bass man braucht, um druckvolle Stromgitarrenmusik hinzubekommen, belegt das ehedem von Braunschweig aus, nun über zwei Bundesländer verteilt agierende Brüderpaar Kackschlacht auf seiner fünften selbstbetitelten Vinylveröffentlichung. Hier gibt’s Power, Melodien, Hymnen, Tempo, Experimente, Party – und Ernüchterung.
Liegengeblieben!
Von Chrisz Meier (26.11.2025)
Hallo. Ich bin Chrisz Meier und arbeite bei einem Bürgerradio in Südwest-Niedersachsen. Der Sender bekommt ständig Promo-CDs zugeschickt, die niemand verlangt hat und um die sich niemand kümmert. Diese CDs landen dann mitsamt ihrem Beipackzettel der Plattenfirma, auf der die jeweilige Band stets als die Neuerfinder der Musik gepriesen wird, in einer schmucklosen Ablage, beschriftet mit „Zum Mitnehmen“. Einige der bei dem Sender ehrenamtlich Tätigen, Betreiber ihrer eigenen Radioshows, bedienen sich daraus, vieles bleibt aber dennoch liegen. Diese Liegengebliebenen durchforste ich in unregelmäßigen Abständen, immer auf der Suche nach unentdeckten Perlen – nicht zuletzt deswegen, weil ich, selbst Teil einer Band, der keinerlei Beachtung entgegengebracht wird, es ungerecht finde, diese mit viel Herzblut und Zeit hergestellte Musik einfach zu ignorieren.
Also werde ich an dieser Stelle hin und wieder ein paar dieser Liegengebliebenen vorstellen. Und heute sollen es diejenigen sein, die es in meine Sammlung geschafft haben und für mich als unverzichtbar gelten.
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