Thunderbolts – Jake Schreier – USA 2025

Von Matthias Bosenick (01.05.2025)

Kaum, dass man den Saal verlassen hat, weiß man schon kaum noch, worum es in „Thunderbolts“ – in Eigenschreibweise mit angehängtem Asterisk – überhaupt geht. Ein Haufen zum Abschuss freigegebener verfeindeter Superhelden verbündet sich gegen die Abschießenden und findet Frieden und Freundschaft. Wie originell. Kernthemen sind Depressionen und Traumata, allerdings massenkompatibel oberflächlich aufgetragen. Die Hauptfigur ist weiblich und aus Osteuropa, aber kein Sexsymbol, das spricht indes für den Film, ebenso wie der Umstand, dass etwas aus dem Marvel Cinematic Universe mal nicht in Farben von „Wer wird Millionär“ gehalten ist, sondern eher natürlich-erdig. Ansonsten: Durchschnitt – nicht so Scheiße, dass man sich darüber aufregen muss, aber auch nicht so eindrucksvoll, dass er in persönliche Top-Listen gerät.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: If You Tolerate This Your Children Will Be Next

Von Onkel Rosebud

Der Song steht im Guinness-Buch der Rekorde als Nummer-Eins-Single mit dem längsten Titel ohne Klammern. Das wußte meine Freundin nicht, aber dafür hat sie ja mich. Der Name des Liedes stammt von einem republikanischen Propagandaplakat aus dem Spanischen Bürgerkrieg der 1930 Jahre, das in englischer Sprache verfasst war und das Foto eines von den Nationalisten getöteten Kindes vor einem Himmel voller Bomber zeigte, mit der titelgebenden Warnung am unteren Rand. Erstmals vorgetragen wurde der sehr dufte Song von der walisischen Formation Manic Street Preachers im August 1998. Damals schon ohne Richey Edwards, dem Gitarristen, denn er verschwand 1995 über Nacht. Bis heute ist unklar, was tatsächlich mit dem Musiker geschah. Sein Verschwinden bleibt eine der bewegendsten, mysteriösesten und ungelösten Episoden in der jüngeren Geschichte der Popmusik. Über den vermissten Rockstar wurden jede Menge Bücher geschrieben. Meine Sekundärliteratur für diesen Text ist das empfehlenswerte Buch „Withdrawn Traces: Searching For The Truth About Richey Manic“ von Sara Hawys Roberts.

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Michel Fernandez Quintet – Live au Hot Club de Lyon – Atypeek Music/Hot Club de Lyon 2025

Von Matthias Bosenick (30.04.2025)

Zwei Saxophonisten, ein Pianist, ein Kontrabassist und ein Schlagzeuger stehen im Hot Club de Lyon auf der Bühne, dem ältesten aktiven Jazzclub der Welt, und spreizen den Fächer vom Groove zum Free Jazz mit allerlei jazztypischen bis außergewöhnlichen Fassetten. Chef der Truppe ist Saxophonist Michel Fernandez, der sich mit dem Magnetic Orchestra zusammentat und es kurzerhand als sein Quintet ausgab, um zu fünft einen einstündigen Reigen aus Kompositionen aller Beteiligten in den historischen Saal zu zaubern.

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Amid The Old Wounds – Anticipating You – Time As A Colour 2025

Von Matthias Bosenick (30.04.2025)

Allein mit seiner Akustikgitarre setzt sich Daniel Becker aus Hohenschäftlarn bei München hin und nimmt Songs auf, die er dann als Amid The Old Wounds herausbringt, so wie die neue EP „Anticipating You“. Die vier neuen Stücke des dereinst in Bands aus Emo und Post-Rock aktiven Musikers sind so eher das Gegenteil zu seinen früheren Betätigungsfeldern: reduziert, introvertiert, still. Einzig der Gesang bildet bisweilen eine Hürde zur uneingeschränkten Hingabe.

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Reichenhall – Kollektion Eins – Iapetus Media 2025

Von Matthias Bosenick (29.04.2025)

Erst im Januar veröffentlichte das Berliner Electro-Experimental-Kollektiv Reichenhall sein jüngstes Album, jetzt gibt es mit „Kollektion Eins“ eine Schaffensübersicht – mit neun Tracks aus satten zwölf Veröffentlichungen in kaum drei Jahren. Nicht nur die unterschiedlichen Besetzungen der Aufnahmen ergeben ein ausnehmend diverses Soundbild, die Beteiligten selbst lassen sich ohnehin nicht auf irgendwas festlegen. Von Ambient bis Techno ist erstmal alles dabei, und alles davon sprühend vor jazziger Experimentierfreude. So richtig irgendwelchen gewöhnlichen Strukturen und Sounds folgt das Projekt nämlich nicht, sondern fordert die Hörenden auch im Ruhemodus noch heraus.

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Old Town Crier – Motion Blur – Stinkburg Records 2024

Von Matthias Bosenick (29.04.2025)

Glauben wir ihm diese Geschichte einfach mal: 2004 nahm Jim Lough aus Middleborough oder auch Lakesville, Massachusetts, alias Old Twon Crier diese vier Songs auf, generierte eine einzige Kassette davon und verbummelte diese sofort. Zwanzig Jahre später fand er sie wieder, ließ die Musik darauf remastern und stellt sie nun digital zur Verfügung. Warum man diese Geschichte von „Motion Blur“ anzweifeln könnte? Weil die Musik zeitlos ist – sie hätte ebenso in den Sechzigern wie heute entstanden sein können, oder eben 2004. Zehn Minuten Lo-Fi-Rock’n’Roll aus der Garage!

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Oak – The Third Sleep – Karisma Records 2025

Von Matthias Bosenick (28.04.2025)

Da wären Oak aus Oslo gern nahe an Opeth, klingen aber eher nach Seal, und zwar dem zu Zeiten von „Kiss From A Rose“, insbesondere mit dem mehrstimmigen Gesang zum sanften Kunstpop. Diese Musik hält das vierte Album „The Third Sleep“ 43 Minuten lang durch, bis der Sänger dann endlich mal den schwelgerisch-versunkenen Betäubungs-Prog durchbricht und losgrowlt, eben wie die Jungs von Opeth aus dem Land nebenan. Die sieben neuen Stücke dieses Albums sind fabelhaft komponiert, es gibt einmal mehr viel zu entdecken – doch so richtig hängenbleiben will das alles nicht.

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El Saguaro – Enthusiecstasy – Pink Tank Records 2025

Von Matthias Bosenick (28.04.2025)

Auf psychedelische Rockmusik verlegt sich das Trio El Saguaro aus Portugal, nachzuhören auf der Debüt-EP „Enthusiecstasy“, und zwar auf so ziemlich sämtliche psychedelische Rockmusik, seit sie als erfunden gilt. In den vier Tracks bringen sie also alles unter, was man sich ausmalen mag, von versunken hingeklimperten Kiffersongs bis zu kraftvoll herausgerotzten Rockbrettern, also von Haight Ashbury oder London der Sechziger bis zu modernem Stoner und raviger Tanzbarkeit. Diverse Pedale finden selbstverständlich ihren Einsatz, die Band wird ihrem Genre gerecht, das sie dennoch enorm ausdehnt. Und das ist nur der Auftakt!

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Der Weg einer Freiheit + The Devil’s Trade – Live im Jugendhaus Ost, Wolfsburg, am 26. April 2025

Von Matthias Bosenick (27.04.2025)

„Grüß Gott.“ Wenn man zu einem Black-Metal-Konzert mit diesen dunkel gegrollten Worten begrüßt wird und das auch noch von jemandem, der sich The Devil’s Trade nennt, ist die halbe Messe schon mal gesungen. Kann aber auch daran liegen, dass der ansonsten nicht Deutsch sprechende Ungar einfach eine Menge Zeit mit Würzburgern verbringt, denn er eröffnet für Der Weg einer Freiheit, die auf der Abschlussrunde ihrer finalen Tour zum Album „Noktvrn“ einmal mehr im Wolfsburger Jugendhaus Ost gastieren. Mit ihrer gewürfelten Mischung aus Double-Bass-Geballer und Ambient belegen sie, dass Black Metal durchaus glücklich machen kann. Und das ausverkaufte Ost ist glücklich.

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H. Hilker, A. Pehlemann, A. Ulrich, J. Wagner (Hg.) – Power von der Eastside: Jugendradio DT64, Massenmedium und Massenbewegung – Ventil 2025

Von Matthias Bosenick (25.04.2025)

Wir hörten DT64 damals, im Zonenrandgebiet, obschon zumeist zur Nachwendezeit erst, weil der Sender ein Musikprogramm bot, das man von den renommierten Sendern aus der Gegend nicht mehr kannte, da die sich in Richtung Formatradio verabschiedet hatten. Was wir alles nicht wussten – etwa, was der Name bedeutete, welche Rolle der Sender zu DDR-Zeiten spielte und welche phantasievollen Kämpfe es nach der Wende um den Erhalt dieser wichtigen Einrichtung gab –, das erfährt man nun in diesem Buch, nach einem Slogan des ursprünglichen FDJ-Senders „Power von der Eastside“ genannt. Und man lernt in diesem Kompendium aus bereits 1993 erschienenen und neu angefertigten Aufsätzen auch so einiges über Selbstverständnis und Selbstermächtigung im Unrechtsstaat, deutsch-deutsche Geschichte und Rock’n’Roll. Spoiler: DT64 heißt seit 1993 mdr Sputnik und ist ein Formatradio. Die Erinnerungen an DT64 indes brennen noch immer, wie dieses Buch belegt.

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