KMFDM – Let Go – Metropolis Records 2024

Von Guido Dörheide (08.07.2024)

Auf KMFDM ist Verlass, sie hören sich immer so an wie immer und sie liefern und liefern und liefern. Quasi der VW Käfer unter den Deutsch-Amerikanischen Freundschaftsprodukten. Zuerst hörte ich von der Band mit dem merkwürdigen Namen „Kein Mehrheit für die Mitleid!“ in den 80er Jahren auf Super Channel (erinnert sich noch jemand an diesen Sender?) in einem Bericht über das Berliner Atonal-Festival, auf dem KMFDM neben den Neubauten, Die Haut und anderen wundervollen bundesdeutschen Beiträgen zur Weltkultur auftraten. Damals hätte ich nicht gedacht, dass ich im Jahr 2024 ein neues Werk von KMFDM rezensieren würde. Wobei das nicht Wunder nimmt, denn schließlich veröffentlichen KMFDM seit 1984 ungefähr im Zweijahresrhythmus neue Musik, „Let Go“ ist ihr ungefähr 25. Studioalbum. Also eine weitere vergessene Untergrundinstitution, die ihre langjährige Nichtrelevanz hinter blindaktionistischer Veröffentlichungstätigkeit verstecken muss?

Nein!

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Erra – Cure – UNFD 2024

Von Guido Dörheide (07.07.2024)

Ich mag nun mal keinen Metalcore. Dieses Gegrowle, abgewechselt mit Klargesang, und darüber immer der Versuch, so hart wie nur irgendwas zu klingen, nimmt mich nicht mit. Von nirgendwo und keine Stelle nach hin. Manchmal muss ich aber Ausnahmen machen, und Erra aus Birmingham (hihi, wie Sabbath) aus Alabama (OK, doch nicht wie Sabbath) sind so ein Fall. Vielleicht, weil sie in meinen Augen nur sehr wenig Metalcore und sehr viel Prog Metal machen. Also Djent mag ich (jahaa, ich weiß, Djent is not a genre…), und auch diesen kriegt man bei Erra viel zu hören. Der Gesang ist sehr metalcorig, mit den verzerrten Passagen habe ich keine Probleme, aber auch der Klargesang, wie zum Beispiel im zweiten Song des Albums, „Rumor Of Light“, ist erträglich und sogar gut. Die Stimme gefällt und J.T. Cavey am Gesang macht eigentlich alles richtig. Er lehnt sich mit Schmackes rein, und dazu arbeiten sich seine Mitstreiter am modernen Metal ab, dass es eine Freude ist.

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Deicide – Banished By Sin – Reigning Phoenix Music 2024

Von Guido Dörheide (07.07.2024)

Neue Death-Metal-Musik mit no clean singing ist immer ein Quell für Lebensfreude und Daseinsbejahung. Naja, nicht immer, es gibt ja auch noch Sachen für Unterwegs, SFU, Six Feet Under meine ich, die den geneigten Fan eines besseren belehren, was Qualität und Glaubwürdigkeit im Death Metal betrifft. Immerhin sind Chris Barnes und seine Jungs aus Tampa in Sachen Selbstüberschätzung immer in den oberen 5% des vorderen Drittels unterwegs. „Killing For Revenge“ ist auf jeden Fall Scheiße, und das nicht nur, weil es mir nicht gefällt, sondern weil es qualitativ definitiv gegen alles abkackt, was es sonst noch gibt.

Deicide zum Beispiel, ebenfalls aus Tampa, Florida, eine Band, die einem wunderbar auf die Nerven zu gehen vermag, vor allem deren Sänger Glen Benton ist bisweilen eine echte Landplage, mit umgedrehtem Kreuz auf der Stirn und immer für eine satanistisch/antichristliche Provokation zu haben, Gähn!

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Näcken Du Naon – All The Past Horsed Lights – Antibody 2024

Von Matthias Bosenick (05.07.2024)

Schieben wir mal den Fakt beiseite, dass das Brüsseler Duo Näcken Du Naon seine Veröffentlichung „All The Past Horsed Lights“ mit einem Zitat des menschenverachtenden Arschlochs Aleister Crowley begleitet: Die Musik auf diesem kaum halbstündigen Debüt ist nur wenig als solche zu bezeichnen, Eric Desjeux und Alban Mercier experimentieren erstmal mit ihren digitalen Klangerzeugern, Samplern und sonstigen Gerätschaften herum, um düstere Räume zu schaffen, bis sie im dritten von fünf Tracks erstmals einen Rhythmus finden. Unbequem und eindrucksvoll, weit weg von gewöhnlichem Industrial oder gar Synthiepop, eher noch verwandt mit Neunziger-Warp-Acts wie Autechre, nur auf ihre Weise radikaler.

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The Shepherd – The Beguiling Mind Games – Loud Rage Music 2024

Von Matthias Bosenick (04.07.2024)

Es scheppert bei The Shepherd. Milder Name für eine wilde Band, die noch nicht mal eine ist, sondern das Solo-Projekt des umtriebigen Liviu Ionel Gugui aus Bukarest: „The Beguiling Mind Games“ ist eine halbe Stunde auf die Fresse, Death und Thrash Metal, schnell, laut, fett, groovy, gern auch mal melodiös und stets voller Energie. Das gerade halbstündige Album föhnt einem die Haare weg.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Meine 180-Grad-Wende in der Causa AnnenMayKantereit.

Von Onkel Rosebud

Die wichtigsten beiden Frauen in meinem Leben lieben AnnenMayKantereit. Meine Mutter ist nicht dabei. Gemeint sind Freundin und Tochter. Das groovy, melancholisch Heimelige und natürlich Henning Mays Kratzbürsten-Stimme haben es ihnen angetan.

„Pocahontas“ und das ganze erste Album „Alles nix Konkretes“ (2016) hat mich so gar nicht abgeholt, obwohl alle um mich herum es liebten. Der Sänger sang, es tue ihm leid, und unterlag trotzdem dem Irrtum, achtmal in 3 Minuten und 12 Sekunden den Namen Pocahontas zu wiederholen. Ich empfand mich nicht der Zielgruppe zugehörig. Ich bin halt kein Student mehr mit Motivationsproblemen, morgens früh aufzustehen. Ich tat es ab in den Ordner „Banales Dramatisch Besungen“. Diese „Ist-doch-alles-nicht-so-schlimm“-Lyrik aus der Mittelschichtsblase und das „Wir-spüren-wieder-die-Sonnenstrahlen-auf-den-Wangen“-Gefühl empfand ich als schnurzpiepes Langweiler-Gejammer von Großstadt-Privilegierten. Im Nachhinein ist die Platte schlicht bahnbrechend.

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The Shadow’s Gone Out – John Doe/Final Alarm – Bitume Prods 2024

Von Matthias Bosenick (03.07.2024)

Eigentlich ist Industrial Metal ja eine Musikrichtung, die in den Neunzigern mit sagen wir Ministry und Nine Inch Nails sowie zahllosen weiteren Helden und Epigonen auserzählt ist, davon singen Bands wie Filter noch heute traurige Lieder, weil sie sich nicht wie etwa The Young Gods in andere Sphären entwickelten. Wer heute in dem Stil neu beginnt, muss sich schon unterscheiden, wenn er auffallen will. Das beherzigen The Shadow’s Gone Out aus Tours: Ihr Industrial Metal lässt Peinlichkeiten außen vor, schon allein damit, dass Gesang fehlt und also wahlweise dümmliche Inhalte, banale Melodien oder miese Stimmen. Bitume Prods fasst die Debüt-EP „Final Alarm“ mit der Zwischen-Single „Whispering Ghost“ sowie der neuen EP „John Doe“ zu einem Album zusammen, auf dem das Duo elektronisch-tanzbar und gitarrenlastig-aggressiv zugleich vorgeht – indem es die Aspekte progressiv vermengt und dynamisch darbietet. Der alte Gaul Industrial-Metal ist doch noch nicht tot, er riecht nur … anders.

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Spezial: Head Perfume Records

Von Matthias Bosenick (02.07.2024)

Zwei neue LPs bringt René Seim auf seinem Label Head Perfume Records heraus: „Counting Backwards Again“ von Aquarian Blood aus Memphis, Tennessee ist psychedelischer Wüsten-Indie und „Endless Beat“ von Faz Waltz aus Cantù in Italien ist in der Garage gezüchteter Rock’n’Roll.

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Bernhard Wöstheinrich featuring Erik Emil Eskildsen – Rest – Bernhard Wöstheinrich 2024

Von Matthias Bosenick (01.07.2024)

Dieser „Rest“ ist als „Ruhepause“ gemeint, nicht als „Übrigbleibsel“: Mit einer als solcher gar nicht mehr erkennbaren Fender Rhodes experimentieren die Experimentatoren Bernhard Wöstheinrich, bildender und musizierender Künstler aus Herzebrock, und der in Dänemark geborene Erik Emil Eskildsen herum, jagen die Sounds durch unendlich verkettete Effektgeräte und generieren ein zum expliziten Chill-Out aufforderndes Album aus, nun, experimentellen Sounds, ohne Melodien und wiederkehrende Strukturen, also Berliner Schule in noch minimalistischer und langsamer. Hier kommt man automatisch ins Meditieren, und so soll das auch sein. Anderthalb Stunden Zeit lassen die beiden den Hörenden dafür.

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Freida McFadden – The Housemaid Is Watching – Poisoned Pen Press 2024

Von Guido Dörheide (01.07.2024)

Freida McFadden aus New York City ist Besitzerin einer schwarzen Katze und arbeitet hauptberuflich als Ärztin, spezialisiert auf Schädel-Hirn-Traumata. Neben dem Job hat sie schon über 20 Romane geschrieben. Drei davon bilden die „Housemaid“-Reihe, die so heißt, weil deren Heldin Wilhelmina („Millie“) Calloway nach dem Ende einer zehnjährigen Haftstrafe wegen Totschlags verschiedene Jobs als Haushälterin antritt, während derer sie regelmäßig von ihrer Vergangenheit eingeholt wird (wie es zu dem erwähnten Totschlag kam, will ich hier nicht verraten, falls Sie die Bücher noch lesen wollen, auf jeden Fall hatte Millie gute und nachvollziehbare Gründe dafür). Im Zuge der wechselnden Beschäftigungen in verschiedenen Haushalten wird Millie wiederholt Zeugin von Manipulation, Unterdrückung und sexueller Gewalt, wobei nie etwas so ist, wie es zunächst scheint, was in den ersten zwei Bänden immer dann deutlich wird, wenn der erste Abschnitt (erzählt aus Millies Sicht in der Ich-Perspektive) endet und der zweite beginnt (erzählt aus der Sicht einer anderen Person aus deren Ich-Perpektive). Dabei gibt es immer Tote mit ordentlich viel Blut und am Ende fügen sich alle Puzzleteile aufs Wunderbarste und Überraschendste ineinander.

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