Fly Cat Fly – Let‘s Hear It For The Chosen – FCF 2019

Von Matthias Bosenick (14.09.2020)

Auch ein Jahr später noch eine Granate: Ein fehlender Schlagzeuger reißt nicht zwingend eine Lücke, wenn das verbleibende Braunschweiger Duo Fly Cat Fly geile Songs zu schreiben und die ersatzweise programmierte Drummachine organisch einzusetzen weiß. So viel Atmosphäre, so viel Wucht, so viel Emotion, so viel Warmherzigkeit und so viel Tiefe in den neun Songs: Die Lücke bestand eher darin, dass es dieses Album, „Let’s Hear It For The Chosen“, vorher nicht gegeben hat. Experimentelle Indierockhymnen fürs Herz. Gibt‘s auch als Schallplatte!

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Black & Red (Jaz Coleman & Ondřej Smeykal) – On The Day The Earth Went Mad – Cadiz Music 2020

Von Matthias Bosenick (13.09.2020)

Didgeridoo. Das bestimmende Instrument in diesem Slomo-Industrial-Track ist das Didgeridoo. Wer das heraushören kann, verdient ein Indisches Harmonium. Das ist nämlich das zweitwichtigste Instrument auf „On The Day The Earth Went Mad“, dem ersten Lebenszeichen des Projektes Black & Red, zu dem sich Killing-Joke-Chef Jaz Coleman und der tschechische Didgeridoo-Held Ondřej Smeykal bereits 2009 zusammenschlossen. Auf einer roten 10“ beklagen sie kraftvoll, eingängig, schleppend, brachial und, äh, warm den Niedergang der Gesellschaft. Und das soll nur der Auftakt zu einem Album sein. Das ist nach diesem überwältigenden Start nur schwer abzuwarten.

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Tētēma – Necroscape – Ipecac 2020

Von Matthias Bosenick (08.09.2020)

Nur schwer zu fassen ist das zweite Album von Tētēma, „Necroscape“. Mike Patton und Anthony Pateras bündeln darauf eine schier unüberblickbare Vielzahl an Stilen, dass sich schon deshalb kein stringentes Hörerlebnis einstellen kann. Die Stimmungen schwanken zwischen atmosphärischen Merkwürdigkeiten und brutalen Gewaltausbrüchen, jeder Track ist anders instrumentiert und arrangiert – „Necroscape“ ist eine Herausforderung für die Aufmerksamkeit, keine akustische Tapete. Zugänglich geht anders, aber anstrengend ist ja nicht zwangsläufig schlecht. Braucht nur eine Weile, aber dann haut es um.

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Coriky – Coriky – Dischord 2020

Von Matthias Bosenick (11.08.2020)

Erster Eindruck: Wenn jemand so schamlos bei Fugazi klaut, gehört ihm die Existenzberechtigung entzogen. Weil, Fugazi gibt’s ja schon. Erste Recherchen ergeben: Ach, Coriky sind Fugazi! Zumindest Teile davon, Ian MacKaye und Ehegattin Amy Farina nebst Joe Lally. Die dürfen das natürlich! Das selbstbetitelte Debütalbum ist ein schwungvoller Rückgriff auf die eigene Musikhistorie, heißt: Post-Hardcore mit groovenden Singalonganteilen, also gar kein Hardcore mehr genaugenommen, noch und wieder ohne die wild verschachtelten Freejazzelemente der späteren Fugazi, dafür mit Experimenten und mehr Lebenserfahrung. Und hörbar Bock auf so’ne Musik.

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Afsky – Ofte jeg drømmer mig død – Vendetta/Broken Silence 2020

Von Matthias Bosenick (10.08.2020)

Von dem freundlichen Intro mit Akustikgitarre und Cello sollte man sich nicht beirren lassen: Auf „Ofte jeg drømmer mig død“, dem zweiten Album von Afsky, hat man es mit Black Metal zu tun. Mit der postmodernen atmosphärischen Variante, also der, die man sich schmerzfrei anhören kann, die nämlich die Basiselemente mit genrefremden Anteilen zu etwas Gutem transferiert. Die Musik blastbeatet nicht nur, sondern lässt Raum für Atmosphäre – unabkömmlich im Post Black Metal – und Groove. Da Ole Luk – ansonsten bei Solbrud – aber weiß, wo Bartel den Most holt, fällt er zu keiner Zeit in den Verdacht, seine Idee von Black Metal mit Weichspüler durchtränkt zu haben. Sein Debüt „Sorg“ ist damit sogar noch gesteigert.

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Xchnum Miiimiiikry – I – Jems 2020

Von Matthias Bosenick (30.07.2020)

Mit dem Projekt Xchnum Miiimiiikry hebt Jonas Kolb sein künstlerisches Wirken von Machyyre auf das nächstdüstere Level: Die Zweisongsingle ist mit dem Etikett Black Metal beklebt, aber das ist nicht die ganze Wahrheit, denn dafür ist die Musik zu experimentell. Wer Machyyre kennt, hat zumindest eine Ahnung davon, was ihn bei Xchnum Miiimiiikry erwartet: Theatralisch, abgrundtief, dunkeldüster, schmerzvoll, leer, blutig und böse sind die Songs. Zur Nachahmung nicht empfohlen!

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(0) – SkamHan/(0) – Napalm Records 2020/2017

Von Matthias Bosenick (15.07.2020)

Fröhliches Googeln: Für den Bandnamen „(0)“ gibt es eine grandiose Ergebnisauswahl. Sobald man fündig ist, zudem auch noch grandiose Musik: Die Kopenhagener machen Blackmetal, selbstredend modern mit atmosphärischen Passagen, aber auch mit groovendem Indiefresse. Der Spagat überrascht, einerseits die flächigen Ambientdrones, andererseits beinahe holzfällerartiger Deathmetal. Und wer behauptet, die Besetzung des Quintetts sei ein Geheimnis, ist nur zu faul zum Recherchieren.

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Tamikrest – Tamotaït – Glitterbeat 2020

Von Matthias Bosenick (09.07.2020)

Die Wüstenblueser aus Mali gehen konsequent weiter und vertiefen die „westlichen“, mithin US-amerikanischen und europäischen, Einflüsse in ihrer Tuaregmusik. Der Hybrid bleibt als solcher erhalten, lediglich die Schwerpunkte verlagern sich, und so lebt auch „Tamotaït“ von der Mischung aus vertraut und fremd, zugänglich und sperrig. Innerhalb der Lieder sind Experimente gar nicht erforderlich – das ganze Konzept ist bereits ein Experiment. Und „Tamotaït“ klingt melancholischer als die früheren Alben, dem Schicksal der Band geschuldet vermutlich.

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Einstürzende Neubauten – Alles in Allem – Potomak 2020

Von Matthias Bosenick (04.06.2020)

Vom Schrottplatz in die Elbphilharmonie, aber wenn man „Alles in Allem“ hört, stehen die Einstürzenden Neubauten zu ihrem 40. Geburtstag eher dazwischen: Zwar ist silence sexy, aber Lärm auch, und beides zusammen ergibt eine blueslose Schönheit mit Poesie und Humor. Den Aspekt des Berlin-Albums sollte man dabei nicht überbewerten, man darf auch ohne Hauptstadtbonus Gefallen daran finden. Das Ergebnis der vierten Supporter-Phase funktioniert in der überteuren Deluxe-Version mit Bonus-Album am besten – und da tritt leider auch einiges an Kommerzknirschen der Neubauten zutage.

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Automat – Modul Remixes #1 & #2 – Compost 2020

Von Matthias Bosenick (22.05.2020)

Es ist etwas ins Leere gelauscht, wenn man Remix-EPs betrachten will, deren Originale man noch nicht kennt (weil das Album dazu wegen Corona noch unabgeholt im geschlossenen Plattenladen liegt). Dann muss es eben ohne gehen: Auf bislang zwei 12“es reflektieren Remixer vieler Couleur ausgewählte Tracks des vierten Automat-Albums „Modul“. Dabei steht der Dub wie bei den Originalen auch als Remixergebnis ganz weit vorn, das Trippige, Chillige, Repetetive bleibt erhalten und das Elektronische und Technoide halten Einzug in den ansonsten warmen organischen Sound des Trios.

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