Spezial: Schneider Collaborations

Von Matthias Bosenick (10.11.2022)

Der Mann muss verrückt sein: In nur wenigen Wochen erscheinen gleich sechs Alben mit seiner Beteiligung. Und auch, wenn das Schlagzeugspiel von Jörg Alexander Schneider sowas von einzigartig ist, weil er dabei seinen Kopf ausschaltet und nur seinen Körper walten lässt, was zu verspielten, arhythmischen Klickersounds führt, können diese sechs Alben unterschiedlicher kaum sein. Und stellen zudem trotz ihrer Menge nur einen Bruchteil dessen dar, was Schneider 2022 alles veröffentlichte. Nicht zu laut brüllen: Das Jahr ist noch lang. Hier nun die sechs jüngsten Kollaborationen des früheren Noiserockers aus Hückelhoven, der sich nunmehr vornehmlich im Jazz austobt:

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Athena – Cinéma du banlieue

Von Onkel Rosebud

Diese Ausgabe der Kolumne verdient eigentlich ihren Titel nicht. Es müsste besser Was meine Freundin nicht gerne sieht heißen.Filme oder Dokumentationen über soziale Brennpunkte, Arbeitslosigkeit, Armut, erbärmliche Wohnverhältnisse und gewalttätige Jugendbanden sind nicht ihre Tasse Tee. Wenn dann darin noch postpubertäres Jungmachotum und latent islamistisch gefärbter, manchmal in exzessive Gewalt bis hin zu Gruppenvergewaltigungen, Folter und Mord umschlagender Frauenhass offen zur Schau gestellt werden, dann wendet sie sich mit dem Hinweis ab, dass das mit ihrem Leben ja wohl so gar nichts zu tun hat und wann ich endlich ins Bett käme.

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Jomi – Skråt over marken – Glorious Records 2022

Von Matthias Bosenick (08.11.2022)

So dynamisch, so energetisch: Nur ein Jahr nach ihrem letzten Solo-Album „Lyst“ überrascht Jomi mit einem neuen Mini-Album, das es physisch ausschließlich als 10“ gibt, mit Klappcover sogar. Sechs Songs mit Jazzgrundierung, die erste Seite mit knallenden Klein-Chören, kraftvollen Bläsern – und einem Noiserockhintergrund, den die Kopenhagenerin auch in einem eher rockuntypischen Gewand nicht verbergen kann. Die zweite Seite ist etwas ruhiger als die erste und ebenso bemerkenswert arrangiert; „Querfeldein“ also. „Skråt over marken“ sind sechs neue Lieblingslieder.

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Inside Man – Steven Moffat/Paul McGuigan – Netflix/BBC 2022

Von Matthias Bosenick (07.11.2022)

Wer hat sich denn diesen Quatsch ausgedacht? „Von den Machern von ‚Sherlock‘“, aha. Der – zumindest in den Geschichten von Sir Arthur Conyn Doyle – sympathisch-überhebliche Kriminologe findet charakterlich auch in die Serie „Inside Man“ Einlass, und zwar in Form eines Todeszelleninsassen, der hinter Gittern mittels seiner kleinen grauen Zellen Fälle löst. Ein solcher Fall ist der im fernen England, in dem eine Journalistin ihre Freundin vermisst – die von einem völlig desolaten Pastorenehepaar im Keller festgehalten wird, weil das Drehbuch es so vorsieht und jeder rational denkende Mensch permanent komplett anders gehandelt hätte als diese dubiosen Dummbatzen. Trotz schöner Bilder, guter Schauspieler, einiger spannender Figuren und eines tollen Titelsongs von John Grant fällt es schwer, den Unsinn zu ertragen, den die „Macher“ hier zwischen die guten Einfälle quetschten. Das ist Verarschung.

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Magma – Kãrtëhl – Seventh Records 2022

Von Matthias Bosenick (02.11.2022)

Hamataï! Etwas Neues von Magma ist immer ein Fest, auch wenn man eigentlich seit 30 Jahren von Magma kaum wirklich Neues mehr bekommt. Aber es ist grandios genug, dass die 53 Jahre alte Band des Schlagzeugers und Sängers Christian Vander – mit Unterbrechung – immer noch existiert und komplett eigensinnige Musik fabriziert. Ausgehend davon, seinerzeit von John Coltrane inspiriert worden zu sein, entwickelten die Franzosen schnell ihre eigene Spielart von Jazz, die von anderen aus Ermangelung an passenden Schubladen unter Progrock wegsortiert wird. Nicht davon trifft eigentlich zu, oder alles gleichzeitig – die Musik von Magma ist nach eigener Angabe Zeuhl, in der eigenen Sprache Kobaïanisch bedeutet dies Himmel. Das teilweise auf Aufnahmen aus dem Jahr 1978 basierende „Kãrtëhl“ führt fort, was man seit Ewigkeiten von Magma kennt, auch unter wechselnden Besetzungen: Zappelige, mehrstimmige, verschachtelte, hypnotische, pianobasierte Rhythmus-Musik, die einem keine Ruhe lässt und den Kopf wegsprengt.

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Cryptic Brood – Caustic Fetid Vomit – Lycanthropic Chants 2022

Von Matthias Bosenick (03.11.2022)

Sprach- und Lärmgewaltig präsentieren Cryptic Brood aus Flechtorf (Gemeinde Lehre) ihre neue 7“ „Caustic Fetid Vomit“, die erste Studioveröffentlichung mit ausschließlich eigenen Songs seit drei Jahren. Sprachgewaltig, weil das Trio zum Ausdruck unvorstellbarer Abscheulichkeiten Wörter verwendet, die man selbst als halbwegs verhandlungssicherer Englischnutzer erst nachschlagen muss, und Lärmgewaltig, weil Cryptic Brood einfach die Klaviatur des Death Metal mit allem beherrschen, was angrenzend noch so existiert. Zwei Tracks, zehneinhalb Minuten, Geknüppel, Geschrei, Gemoste und Riffs, Brüche, Brutalität. In ausgewählt unekligen Farben!

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Monovoth – Monovoth – Trepanation Recordings 2022

Von Matthias Bosenick (02.11.2022)

Als Monovoth allein Mucke macht Multitalent Lucas Wyssbrod, um von Buenos Aires aus seine Version von Doom in ein selbstbetiteltes Album zu gießen. Der Gießvorgang dauert, seine Musik fließt zäh, dunkel, sie quillt, unerbittlich, dicht, warm, dick, emotionsgeladen, zerstörerisch, langsam, bedrohlich, leer. Wyssbrod beherrscht vielzählige Stile rund um Doom und er spielt sie allesamt aus. Nicht ganz so allein, wie man es bei einem Ein-Personen-Projekt erwarten würde: Viele Freunde steuerten Details bei, darunter die Covermalerin. Zu dieser metallischen Schwärze kann man bestens entspannen und auf Alptraumreise gehen.

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Das letzte Wort – Danke, Anke

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin wünscht Anke Engelke ein langes Leben. Dass sie absolut großartig ist, gehört natürlich nicht in die Kategorie „bahnbrechende Erkenntnis“. Denn, einerseits ist Anke Engelke seit der Figur „Ricky“ aus der „Wochenshow“ von Sat1 in den Neunzigern das Lustigste, was dem deutschen Fernsehen je passiert ist. Und nun, seit „Das letzte Wort“ darf man sie auch gern als Schauspiel-Ikone bezeichnen.

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Kuhn Fu – Jazz Is Expensive/Live In Saalfelden – Berthold Records 2022

Von Matthias Bosenick (01.11.2022)

Das ist ja das Geile: Man kann eine als E-Musik beinahe verschriene Musikrichtung auch mit Humor angehen, und nicht nur das, man kann dies auch vornehmen, ohne den Ernst zu verlieren – auf das Maß und die Mischung kommt es an. Kuhn Fu nehmen ihre Musik ausgesprochen ernst, man hat es mit einem ausgezeichnet ausgebildeten Sex- bis Septett zu tun, das seine Geradlinigkeit gern mit Freiheit begleitet, Freiheit darin, die Instrumente nicht partiturkonform zu spielen, die Instrumente quäken zu lassen, den Jazz mit allerlei artfremden Genres zu bereichern, sich ein eher atypisches Thema auszusuchen: Kurioserweise befasst sich „Jazz Is Expensive“, die Studio-Seite dieses Doppel-Albums, mit Grimms Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“. Als Begleiter erscheint der Mitschnitt „Live In Saalfelden“, und der Anlass für dieses Paket ist der zehnte Geburtstag von Kuhn Fu. Ja: Man hat Spaß an dieser todernsten Musik!

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Killing Joke – Lord Of Chaos – Spinefarm Records 2022

Von Matthias Bosenick (27.10.2022)

Wieder so ein Vinyl, das ewig nach der Online-Veröffentlichung der entsprechenden Musik auf sich warten lässt. Und das Warten lohnt sich, zum Glück: „Lord Of Chaos“ ist typisch moderne Killing Joke, treibend, riffig, post-heavy, mit einnehmend warmer hymnischer Melodie und verhalten geschrienem Refrain, dazu ein Bonus-Track und zwei Remixe, Dub, Electro, ebenfalls typisch Killing Joke. Fügt sich nahtlos ins Oeuvre ein, was die alten Männer hier machen, sieben Jahre nach dem letzten Studioalbum „Pylon“.

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