Mushroom Giant – In A Forest – Bird’s Robe Records/Dunk! 2023

Von Matthias Bosenick (12.05.2023)

Schon der Bandname Mushroom Giant lässt eine ungefähre Ahnung aufkeimen, womit man es auf „In A Forest“ zu tun bekommt: irgendwas Verdrogtes. Und das trifft auch zu: Die Australier machen instrumentalen Stoner Rock, schön verschleppt und verdudelt, mit einer mittelkleinen Schippe Dreck und einigen heavy Riffs, progressiv im weitesten Sinne und in ausgewählten Bass-Elementen nahe an Tool, mit hübschen Melodien und auch sonst netten Gimmicks. Mit ihrem vierten Album empfiehlt sich die Band aus Melbourne erstmals in ihrer über zwanzigjährigen Existenz als Live-Act in Europa, und die Gigs sollen, sagt die Info, ein aurales Ereignis sein, mit visuellen Effekten unterlegt zudem. Das Album lässt darauf zu Wetten zu.

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Sam – Ein Sachse

Von Onkel Rosebud (10.05.2023)

Der Herausgeber dieses menschenfreundlichen Blogs, bei dem man was gelernt kriegt, ist der Meinung, dass ich dafür zuständig bin, eine Serie mit dem völlig bescheuerten Titel „Sam – Ein Sachse“ meiner Freundin zwecks Meinungsfindung zu kredenzen.

Habe ich gemacht. Die Mini-Serie (7 Folgen à 45 Minuten von den Machern von „Deutschland 83“) erzählt frei und ohne Anlehnung an reale historische Ereignisse die Lebensgeschichte von Samuel Meffire aus unserer Heimatstadt. Wir mussten sie schauen, weil ich ihn persönlich kennen gelernt habe. Wichtig hier gleich eingangs zu betonen: Vor seiner rechtswidrigen Phase.

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Killing Joke – In Dub Rewind (Vol. II) – Cadiz Music 2023

Von Matthias Bosenick (11.05.2023)

Was ist dieses Dub überhaupt? Eigentlich: In den Sechzigern auf Jamaika doppelten die Produzenten Reggae-Tonspuren, fertigten also einen Dub, eine Kopie, an, und legten sie verschoben zueinander übereinander, sodass eine Art Echoeffekt entstand. In den Achtzigern stand Dub nicht ganz selten schlicht für Remix, und heute verhält es sich damit oft nicht so sehr anders. Die reine Lehre predigt auch Youth nicht, der acht ausgewählte Songs aus 40 Jahren seiner Band Killing Joke unter dem Begriff Dub neu bearbeitet (davon zwei zweimal) und die Postpunkstücke zwar mit viel Echo und Hall versieht, aber auch mit anderen elektronischen Spielweisen, Drum And Bass, Big Beat, Electroclash, Techno, Ambient. Außen vor lässt er Goa und Industrial, obwohl beides gerade bei ihm naheliegen würde. Und mit Rinôcérôse ist sogar ein Fremdmixer dabei. Eine schöne Tanzparty mit eingestreuten Offbeats, diese Doppel-LP!

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Wie man die Unschuld verliert, weil man sie findet

Von Onkel Rosebud / Matthias Bosenick

Zum Geleit: Mit diesem Text geht es mir nicht darum, mich über den Geschmack anderer Leute zu stellen. Vielmehr berichte ich davon, wie mir in Zeiten schlimmster Orientierungslosigkeit ein heller Stern eine neue Richtung wies.

Eine Autofahrt als Beifahrer des Jahrgangsslackers änderte im sommerlichen Frühjahr 1991 alles. Bisher hatte ich in dem festen Glauben gelebt, dass Musik, die nicht in den Charts war, schlecht sei, weil sie ja schließlich ansonsten in den Charts wäre. Den umgekehrten Schluss, dass mir nämlich auch Musik aus den Charts nicht gefallen könnte, ließ ich dabei zu, schließlich traf ich bei meinem Konsum eine Auswahl. Bis 1989 fuhr ich damit auch ganz gut, und noch bis heute mag ich einen großen Teil dessen, was ich damals für mich entdeckte. Allem voran mochte ich den Synthiepop mit seinen ausufernden Maxiversionen. Ein mögliches Ende dieser Ära zog ich nie in Betracht, und doch ereilte es die Musikwelt und damit meinen Musikgeschmack ungefähr 1990, also knapp nach dem Mauerfall.

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Goethes Erben – X – Dryland Records 2023

Von Matthias Bosenick (10.05.2023)

Was für ein Werk! Mit pandemiebedingtem Verzug wirft Oswald Henke unter seinem Haupt-Alias Goethes Erben deren zehntes Studioalbum „X“ in die Fangemeinde, die sich selbstredend für die gigantische Box-Version mit dickem, großem Buch und Doppel-DVD entscheidet, nicht für die einfache CD, die natürlich auch schon geil genug ist. Wie die Besetzung der Band, änderte sich auch die musikalische Untermalung von Henkes theatralisch-lyrisch dargebotener Weltanschauung über die Zeit: Dieses Album startet mit Ambient-Drones, aus denen der Künstler dunkle, schöne, zerbrechliche, opulente, wütende Lieder herausschält. Lässt man sich erst auf die klassisch depressiven Themen ein, bricht Henke einem auf halber Strecke das Genick mit der zu Industrial-Sounds geäußerten Feststellung, „der linke Arm muss weg“ – willkommen bei Goethes Erben. Auf den DVDs gibt es Konzerte und Interviews.

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Richard Kersten & Marcus Ghoreischian – Inspired By The Beatles: Sippin‘ Lemonade In The Sunshine – Bear Family Records 2023

Von Matthias Bosenick (09.05.2023)

Die Beatles, ganz klar, vom ersten Ton an, und zwar die späten Beatles, die mit den Diamanten im Himmel und den Walrössern und den Erbeerfeldern und dem Garten eines Kraken und den gelben U-Booten, sind nicht nur die Inspiration, sondern die Ausgangslage für ein Album, auf dem zwei Musiker den Sound der psychedelischen Fab Four mit den Pilzköpfen aus Liverpool (fehlt noch ein Synonym?) im Hier und Jetzt zu neuen Songs im Beatles-Sound generieren. Das kriegen Richard Kersten und Marcus Ghoreischian recht überzeugend hin, man hört die typischen Spielweisen von John Lennon, Paul McCartney, Ringo Starr und George Harrison heraus, neu zusammengesetzt, mit Sitar, gently weeping guitar und der Aussicht auf Wings am Firmament. Die beiden Protagonisten nahmen diesen Songreigen bereits in den Nullern für sich und Freunde auf, das Label Bear Family bringt ihn jetzt als LP unter die Beatles-Fans. Solche werden daran sicherlich ihre Freude haben, und wer mit den Beatles ohnehin nix anfangen kann – nun: Der erkennt immerhin an, dass Kersten und Ghoreischian ihre Sache gut machen.

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22-Pistepirkko – Kind Hearts Have A Run Run – Bare Bone Business/Johanna 2022

Von Matthias Bosenick (08.05.2023)

Und plötzlich sind sie wieder da. Elf Jahre nach dem letzten Studioalbum klingt „Kind Hearts Have A Run Run“, als wären 22 Pistepirkko – jetzt mit Bindestrich, also 22-Pistepirkko – nie weg gewesen, als gäbe es gar keine Lücke in der Discographie, als wären gar keine Zeit vergangen. Das Trio aus Finnland setzt einfach da an, wo man es erwartet, erhofft gar, bei fluffigem Indierock, mal filigran geklimpert, mal elektronisch verfettet, mal ungestüm, mal introvertiert, immer mit der fast weiblich klingenden hohen Stimme von Hannu Keränen alias P.K., in die man sich so verliebt hat, weil sie einzigartig und ausdrucksstark ist, egal, welche Musik dahinter liegt. Das Album ist oberflächlich unspektakulär, die Verzerrer haben hier nämlich weitgehend Atempause, aber die Details sind wunderschön. Darauf wartet man gern eine Dekade lang.

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Shakin‘ Stevens – Re-Set – BMG 2023

Von Guido Dörheide (05.05.2023)

Wer, wie ich, in den 80ern im Westen aufgewachsen ist, kennt Shakin‘ Stevens aus seiner Kindheit, als er (also Shakin‘ Stevens, nicht ich) mehr Platten verkaufte als die Beatles (was kaum Wunder nimmt, denn damals gab es die Beatles seit über zehn Jahren nicht mehr, Shakin‘ Stevens hingegen umso mehr) und hat ihn zehn Jahre später, als sein (also mein) Musikgeschmack gebildet wurde, nicht vermisst und ihn höchstens mal abschätzig als „Schüttel-Stefan“, ein vergessenes Relikt aus längst verblichenen Erinnerungen an die Kindertage, geschmäht. Inzwischen liebe ich es, guilty pleasures anzuhäufen und Leute wie Lindenberg, Collins und Sting gut zu finden. Und ja, verdammt, ich habe das Alter erreicht, in dem ich das nicht nur darf, sondern beinahe schon muss. Nun also auch (und jetzt wird es Zeit für die Nennung des bürgerlichen Namens) Michael Barrat, mit den elastischen Beinen. Barrat ist kein Brite und kein Engländer, sondern Waliser, was mir damals herzlich egal war – von Tom Jones hatte ich nie gehört –, geboren 1948, nur ein gutes Jahr nach meinem Vater, und zur Zeit seiner ersten Karriere alles andere als ein Jungspund: Als er das noch war, spielte er bei „Shakin‘ Stevens and the Sunsets“ und trat sogar im Vorprogramm von den Rolling Stones (bekannt & beliebt durch den bekannten & beliebten Gassenhauer „The Under Assistant West Coast Promotion Man“) auf. Ab 1980 und schon ein Stück älter als 30 war er als Solokünstler dann ständiger Gast in den Charts. Mein Vater kaufte damals einen Volkswagen Golf I GLS in Indianerrot metallic, was ich ebenfalls toll fand. Leider sind beide schlecht gealtert: Beinahe alle Ier-Gölfe sind komplett weggerostet (hihi, also alle jetzt unfreiwillig indianerrot) und Shakin‘ Stevens ist komplett vergessen. Warum? Beim Golf ist mir das egal (notfalls hat Papa Schuld), aber Shakin‘ Stevens hat derlei Vergessen sicher nicht verdient: Ich habe nochmal in seine alten Hits wie „Marie Marie“ (1981) reingehört und musste feststellen, dass mir das heute noch taugt, auch wenn es mir damals (von sagen wir mal 1987 aus) rückblickend peinlich war, jemals was anderes als The Cure gehört zu haben. So, nun aber hier Exkurs Nostalgie Ende.

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Buchwald – Escape From What Life Is – Sireena 2023

Von Matthias Bosenick (05.05.2023)

Diesen Buchwald bekümmert mehr als lediglich eine Oberschenkelzerrung im linken Fuß, was ihn dazu verleitet, dunkle Musik zu machen: Andreas, nicht Guido, ist Ex-Mitglied der Hannoveraner Wave-Band Remain In Silence und setzt seine musikalischen Ausdruckformen nun erstmals solo fort. „Escape From What Life Is“ lautet der programmatische Titel eines dunklen, synthiebasierten, trippigen, atmosphärischen, percussiven, vielseitigen Albums, das man in den Achtzigern bestimmt ganz regulär unter Pop wegsortiert hätte, da waren solche Sachen ganz normal, heute ist dies komplett Nische. Da kann man beim Hören wirklich dem entfliehen, was das Leben so allgemeingültig sein soll, und das auf eine wundervolle Weise.

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Dead Men Walking – Freedom – It Ain’t On The Rise – Eastersnow Recordings 2021

Von Matthias Bosenick (04.05.2023)

Hymnen! Aus der Zeit des ersten Punk und des ersten Postpunk und des ersten New Wave im United Kingdom, dargeboten von den Protagonisten jener Zeit, also den Erfindern dieser Musik, angereichert mit jüngeren und ganz neuen Songs jener Männer, allesamt in akustischen Versionen und – anders als sonst bei Dead Men Walking – ohne Publikum, sondern coronabedingt im Studio. Verwirrenderweise ist dieses das zweite oder dritte Debütalbum dieser mit Fug und Recht als solche bezeichneten Supergroup. Beteiligt sind: Kirk Brandon (Spear Of Destiny, Theatre Of Hate), John „Segs“ Jennings und Dave Ruffer (The Ruts/Ruts DC) sowie John „Jake“ Burns (Stiff Little Fingers). Und verdammt, ist das wieder gut gelungen, dieses Schwelgen im Früher mit dem Blick von heute!

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