Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Schuld oder nicht Schuld? Das ist hier die Frage.

Von Onkel Rosebud

Von dem Kurzgeschichten-Bestseller „Schuld“ von Ferdinand von Schirach gibt es vierzehn Folgen verteilt auf drei Staffeln (2015 bis 2019, ZDF). Porträtiert werden besondere Kriminalfälle aus Sicht eines Strafverteidigers, die allesamt düster und echte Runterzieher sind. Die Top-Five der Serie meiner Freundin stammen alle aus der dritten Staffel plus die letzte Folge der 2. Staffel, zusammen mit der vorletzten Folge der 1. Staffel. Das heißt, das Beste haben sich die Serienmacher meistens immer für den Schluss pro Staffel aufgehoben und insgesamt wurde diese außergewöhnliche Serie hintenraus immer besser. Das Bedrückende, nahezu niederschmetternde und verstörendste daran ist, dass es sich um echte Nacherzählungen des wirklichen Lebens handelt. Reale Fälle also. Jede Folge dreht sich um ein neues Schicksal und ein neues Urteil. Weil man sich das so nicht ausdenken kann.

Und klar, dass die Hautevolee der deutschen Schauspieler*innen-Garde da mitspielt, macht das Produkt umso sehenswerter. Was hat sich meine Freundin gefreut über die Kurzauftritte von Anna Maria Mühe, Bibiana Beglau, Michael Gwisdek, Tom Wlaschiha („unser Mann aus Heidenau“), Jürgen Vogel (geht immer) und Oliver Masucci – sowie, na klar, Milan Peschel, um nur einige zu nennen. Was nervt, sind der Score und der Off-Text aus der Meta-Ebene am Ende jeder Folge. Das ist aber auch das Einzige. Im Kern geht es um das Spannungsverhältnis von Recht und Gerechtigkeit, um die psychologische Tiefe der Frage nach der menschlichen Schuld, im Sinne von juristischer Vorwerfbarkeit als Straftatbestand. Die Abgründe der menschlichen Seelen werden dabei mit einer lakonischen Leichtigkeit geschildert, dass es eine Freude ist.

Mit das Beklemmendste, was wir je im Öffentlich-Rechtlichen gesehen haben, ist die erste Folge der 3. Staffel mit dem Titel „Der kleine Mann“. David Bennent verkörpert einen leitenden Supermarkt-Angestellten, der an seinem Arbeitsplatz nicht ernst genommen wird. Unauffällig, ohne Ausstrahlung und Autorität, von den Frauen verlacht. Ein ekliger Typ von der kleinen Zehe bis in die letzte Haarspitze. David Bennent? Wir haben länger gebraucht, rauszufinden, wo wir den schon mal gesehen haben. Er war Oskar Matzerath in Volker Schlöndorffs Verfilmung des Grass-Romans „Die Blechtrommel“ (1979) und wurde für diese Rolle zeitlebens auf diesen Film von der Öffentlichkeit festgelegt, obwohl er ein renommierter Theaterschauspieler ist. In „Der kleine Mann“ will sein Charakter wagemutiger sein: Zufällig wird er Zeuge eines Drogengeschäfts und stiehlt den Dealern ihr Kokain. Prompt schnappt ihn die Polizei. Im Gefängnis hält man ihn für einen Drogendealer und hier genießt er die Achtung, die er im Supermarkt nie erreicht hatte. Doch dann kommt alles anders und wie, wird hier mal ausnahmsweise nicht gespoilert.

Wir hätten gern mehr davon gesehen, doch beim irreversiblen Ende der Serie legt Ferdinand von Schirach himself die Gründe für seine beruflichen Erinnerungen dar. Das versöhnt.

Onkel Rosebud