Turnstyles – 2 – Black And Wyatt Records/Head Perfume Records 2023

Von Matthias Bosenick (07.06.2023)

Die beiden haben ordentlich Feuer unterm Hintern. Gitarrist Seth Moody und Schlagzeuger Graham Winchester scheppern sich die Seele aus dem Leib, und dem Hörenden gleich mit. In satten 30 Songs auf diesem Doppel-Vinyl loten sie die wahnwitzig breite Palette zwischen Garage, Surf, Punk, Rock’n‘Roll und diversen Retro-Sounds der Fünfziger bis Siebziger aus. In irgendwas Allgemeingefälliges driftet das Duo aus Memphis trotz eingestreuter hübscher Melodien und wohltönender Akkorde nie ab, dafür hat es zu viel Freude am Krach. Natürlich fehlt hier ein Bass, um den Songs akustisch Tiefe zu verleihen, doch gleichen die beiden beseelten Musikanten das mit versierter Virtuosität aus, will heißen: Sie lassen mit Stimmen, Twang, Groove und Trommelwirbeln keine Lücken entstehen. Volle Energie auf dem schlicht „2“ betitelten zweiten Album.

Gelegentlich wecken die Turnstyles Erinnerungen an eine Art Musik, die man aus der Zeit vor 50, 60 Jahren zu kennen glaubt, belassen es aber nicht dabei. Ein Song wie „Tell Me“ etwa hat so Harmonien, schlageresk beinahe, und dann zergröhlen sie ihn und rumpeln den Refrain weg. Um gleich darauf „So Sad (To Watch Good Love Go Bad)“ von den Everly Brothers zu covern, was in dieser freundlich hingerotzten Version durchaus als Eigenkomposition durchgehen könnte. Das Stück ist eines von nur zwei Covern unter 30 Songs, übrigens: Das andere ist „Seven Little Numbers“ von The Rapids. Bei der großen Stilvielfalt fallen Covers ohnehin nicht auf, die Turnstyles bedienen selbst schon so viel – und sich bei so vielen; der „Uah“-Chor in „Rearrange“ etwa könnte von The B-52’s ausgeborgt sein, „Rock Lobster“, oder die Art, den Gesang beinahe zu schreien, von Mick Jagger damals mit den Rolling Stones.

Hier kommt wirklich alles zum Einsatz, was in einer Garage bestens funktioniert und im Grunde zeitlos ist, sogar ein trashiger Drumcomputer in „Carrion Crow“, Cowbells wie in den Siebzigern, Schellenkranz oder Backgroundsängerinnen, die Petticoats zu tragen scheinen. Weil nun die Reduzierung auf Schlagzeug und Gitarre eine natürliche Limitierung mit sich bringt, von der auch die White Stripes, die Raveonettes und die Abstürzenden Brieftauben schon plattenweise Lieder sungen, liegt es nun an Winchester und Moody, alles aus ihren Gerätschaften und damit aus sich selbst herauszuholen, und das tun sie auch. Es folgen keine zwei Lieder aufeinander, die den gleichen Rhythmus oder dieselbe Genreausrichtung haben, auch wenn sie den Umständen entsprechend gleich klingen, und selbst innerhalb der zwischen anderthalb und maximal dreieinhalb Minuten knappen Lieder variieren die beiden Musikanten gern mal herum, dass es eine Freude und Abwechslung ist.

Turnstyles ist gar nicht die einzige gemeinsame Spielwiese der beiden Rockenroller: Winchester und Moody teilen sich noch Jobs bei Projekten wie der Jack Oblivian Band, Reigning Sound und Cassette Set, alles wilde Stilwunder aus der Garage. Winchester spielt außerdem bei The Sheiks, die ebenfalls mit Jack Oblivian zusammenarbeiten, und Moody ist bei Faux Killas, Summer Set und Teeth Of England involviert sowie als Skeleton Man das einzige Mitglied von Deadly Lo-Fi. Beides sind gutgelaunte Multitalente, die zusammen ihre gute Laune auch prächtig in schlechtgelaunten Rock’n’Roll rumpeln können.

Trotz der großen Songfülle – 30 auf einem Doppelalbum von rund 75 Minuten Länge ist schon beachtlich – bleiben Lücken, so sind die Singles „Paging Dr. Finder“, das wahlweise als „Die Alright!“ (Bandcamp) oder „Die, All Right!“ (Spotify) betitelte The-Hives-Cover und „Party Sushi“ nicht enthalten, immerhin „Don’t Break The Dam“ hat es auf die Platten geschafft. Glaubt man gar nicht, dass das Debüt „Cut You Off“ vor drei Jahren noch mit nur zwölf Songs auskam.