Rudi Rauschgifts Retro-Aktive Show 2: Stonehead & Lone Ol‘ Warrior live im Tegtmeyer, Braunschweig, am 20. Februar 2016

Von Matthias Bosenick (21.02.2016) / Auch veröffentlicht auf Kult-Tour | Der Stadtblog

Weil es zu wenig Stoner Rock live in Braunschweig gibt, rief DJ Rudi Rauschgift kurzerhand seine „Retro-Aktive Show“-Reihe ins Leben. Zur zweiten Ausgabe ließ er die Bands Stonehead aus Dresden und Lone Ol‘ Warrior aus Berlin den Sound der Wüste in den großartigen Partykeller des veganen Restaurants Tegtmeyer mäandern. Dort wurde es auch bald so heiß wie in der Wüste, als die Leute zu den schweren Riffs abhotteten. Später legte Nils Krawolitzki, wie Rudi wirklich heißt, seine persönliche Mixtur tanzbarer Partyhits auf. Die „Retro-Aktive Show“ ist zurzeit vermutlich die einzige Veranstaltung in Braunschweig, bei der allein schon die Musik süßlich-lecker riecht.

Den Anfang machen Stonehead, ihr Stoner Rock hat deutliche Anleihen bei Motörhead, und das tut der Musik mal so richtig gut. Der Sound hat ordentlich Fleisch auf den Knochen, das Tempo lädt selbst Eckensteher zum Kopfnicken ein und den großen Rest zum wilden Abrocken. Das sind harte Rock’n’Roll-Bretter im heruntergestimmten im Sound der Wüste. Geiler Mix.

Etwas filigraner und weniger auf dem Gaspedal staubrocken danach Lone Ol‘ Warrior. Ihre Songs ufern stark aus und bauen sich gemächlich auf. Damit erzeugt die Band eine Spannung, die auf die Eruption hin lauert, in der sich die Gäste dann auch austoben. Aus irgendwelchen Gründen legten sich die Berliner ein Indianer-Image zu, das sich auch auf dem Album-Cover wiederfindet – und hier kommt die Brücke: Das Cover gestaltete Nils alias Rudi Rauschgift.

Der legt zwischen den Gigs und als After-Show seine liebsten Songs auf. Rudis favorisierte Genres sind Raw Beat, Funk und Rhythm and Blues – nicht zwingend Northern Soul, wie manche fälschlich meinen. Er kennt sich aus in seinen Fächern und scheut sich auch nicht davor, zwischen die anderen oft unbekannten Floorfiller auch mal die Stones, Elvis oder Canned Heat zu mischen. Ansteckend.

Und à propos fälschlich: Seine Reihe trägt keinen englischen Namen, also nicht „Retro Active Show“, sondern heißt auf Deutsch und vollständig „Rudi Rauschgifts Retro-Aktive Show“. „Das passt besser“, so der Initiator im Tegtmeyer. Sein Konzept ist: „Alles anders zu machen als das, was gewöhnlich passiert.“ Heißt im Grunde, dass er zu einem gewissen Anteil egoistisch vorgeht: „Das herholen, worauf ich Bock habe.“ Zum Vorteil der Gäste, ganz klar. Braunschweig fehle es allgemein an Fassettenreichtum, findet Nils: Es gebe Konzerte in Rock, Punk, Metal, etwas Indie, aber nur ganz wenig Stoner. Die an der Tegtmeyer-Theke Umstehenden pflichten ihm bei dieser Aussage bei, und diese Zustimmung kommt nicht nur als Gemurmel.

Die erste „Retro-Aktive Show“ fand im vergangenen Jahr in der Kneipe im Rebenpark statt, auf Einladung der Kneipen-Gruppe des Silver Clubs. Für den Auftakt hatte Nils die Braunschweiger Band Stripper Cake eingeladen (siehe Bericht), zusätzlich stellte er einige eigene Kunstwerke aus. Eigentlich wollte er damit lediglich die Kneipe verschönern, erzählt er, doch der Silver Club überzeugte ihn dazu, für den Abend eine Ausstellung daraus zu machen. Seine Kunst zeige „überwiegend psychedelische Collagen und Illustrationen, beeinflusst vom Dadaismus, aber auf einer modernen Ebene“, so Nils. Dadaismus sei naturgemäß analog gewesen, sein Anspruch sei aber, die Werke digital-analog erscheinen zu lassen.

Mit dem Auflegen wiederum musste Nils erst einen Umweg über Berlin nehmen: Als er seinen Mix zunächst in Braunschweig ausprobierte, stellte er fest, dass ihm die Szene hier zu klein war. In Berlin entwickelte er dann das Konzept, das er nun hier in der „Retro-Aktiven Show“ auslebt: Er ergänzte seine DJ-Sets um Bands, die oft gar nicht direkt nicht zu seiner Musik passten. „Aber als ich auflegte, hat sich das super ergänzt, die Leute haben bis morgens getanzt“, erzählt er. „Da habe ich gemerkt, es ist nicht wichtig, dass die Live-Musik vorab meiner Musik entspricht.“ Diese sei so eingängig, dass auch Szenefremde dazu tanzen: „Kein totales Kontrastprogramm, aber passend.“ Manchmal sei es sogar dazu gekommen, dass Bands zu seiner Zwischenmusik spontan jammten und sie in ihren Gig aufnahmen.

Nun also darf sich Braunschweig an diesem Konzept erfreuen. Ein drittes Mal der „Retro-Aktiven Show“ soll es auch geben. Nils hat zwar bislang weder Ort noch Datum fest, aber dafür weitgehend das Live-Programm: Raute Kopfkino, eine Krautrockband, die laut Nils ihre Wurzeln an der HBK hat, sowie Jimmy Pistole und Wer schießt auf Ralf Bialla?, die eine Art Ping-Pong-Set spielen, nämlich jeder nur einen Song, und sich dabei die Bassdrum teilen. „Das ist ein Hardcore-Mix mit psychedelischen Komponenten“, erklärt Nils. Ob das Tegtmeyer auch für die dritte Runde der Austragungsort ist, weiß er indes noch nicht, aber: „Ich finde es hier super, hier wird sich noch was tun – die Konzerte sind immer gut, konzeptionell passt es auch.“ Für seine Show will er aber aus der Hüfte reagieren, wenn es um den Ort geht, und sich jetzt noch nicht festlegen. Außerdem muss er jetzt auch wieder an sein DJ-Pult, denn sein Mix ist gefragt. Und wie!