Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Die Wege des Herrn – Beten ist besser als Sex

Von Onkel Rosebud

In der religiösen Pfarrer-Familiengeschichte aus Dänemark geht’s um Glaube und Gott sowie maskuline Konflikte. Damit die Nicht-Christen auch am Ball bleiben, wird auch viel gevögelt. Johannes, der dominierende, alkoholkranke Vater, treibt‘s mit seiner Frau und Ursula, der Geliebten aus der Pfarrei. Elisabeth, die spirituelle Mutter, entdeckt ihre Bisexualität und wird regelmäßig von der norwegischen Untermieterin Liv vernascht. Sohnemann Nummer eins, das schwarze Schaf Christian, pendelt aus Sicht der Penetration zwischen Amira und Nara. August, der hauptdarstellende Drama-Sohn und auch Pfarrer, missioniert in Stellung gerne mal Emilie, seine Frau, die dann später mit ihrem Arbeitskollegen …

Die Serie „Die Wege des Herrn“ auf das physische Liebesleben von Geistlichen zu reduzieren, ist natürlich eindimensional. Denn dem Showrunner von der TV-Serie „Borgen“, dem besseren „House Of Cards“, Adam Price und seinem Team, ist es zu verdanken, dass mit den zwei Staffeln 20 sehr sehenswerte Stunden Charakterbildung auf höchstem Niveau vollgepackt mit brisanten gesellschaftlichen Themen, wie zum Beispiel Migration und Sinnsuche in der ersten Staffel und später Sterbehilfe, zusammengekommen sind. Die Serie entwickelt sich rund um religiöse Themen, aber sie ist so viel mehr als nur Glaube und Gott. Sie zentriert sich um Menschen, Familie, Liebe, Hass, Verzweiflung, Schmerz, Leid und alles, was man sich vorstellen kann, um ein komplexes menschliches Wesen zu sein – und das mit einem subtilen Ton und provokativem Umgang mit den vielen Facetten des Lebens, ob man nun an Gott glaubt oder nicht. Es schmerzt und bewegt, es ist warm und liebevoll. Es zeigt, wie man liebt, wie man hasst. Es zeigt, wie man in Zeiten der Verzweiflung und Einsamkeit verzeiht und weitermacht. Und es ist manchmal auch ziemlich dick aufgetragen.

Die Handlungs-Hauptrollen spielen dabei Vater-Söhne- und Brüder-Beziehungsprobleme. Es geht einerseits um Erwartungshaltungen: Der Vater will, dass seine Söhne so erfolgreich werden wie er. Andererseits versuchen beide Söhne, die Liebe und Anerkennung des Vaters zu erringen, und stehen gleichzeitig im Wettbewerb, sich von ihm zu lösen. Ich kann da ziemlich gut mitreden, weil ich neben einem patriarchischen Vater sowohl einen jüngeren Bruder als auch einen Sohn habe. Ich habe das gleiche studiert wie mein Vater und stehe heute karrieremäßig genau dort in einem mittelständigen, hiesig-verankerten Ingenieurbüro – wie mein Vater damals in meinem Alter heute.

Mein Bruder musste in seiner Kindheit darunter leiden, dass, wenn wir zusammen Scheiße gebaut haben, immer nur ich von unseren Eltern als der Ältere und vermeintlich Vernünftigere zur Rechenschaft und Strafkonsequenz gezogen wurde, weil ich die dann natürlich 1:1 an ihn weitergeleitet habe. Parole: Mandoline. Heute hat er es auch geschafft: Gutmensch mit einer sehr schönen Frau und zwei liebenswerten Kindern im eigenen Haus inkl. Job, für den er gern aufsteht. Meinem 20-jährigen Sohn habe ich mit auf den Weg gegeben, dass es vor allem darum geht, dass im Leben der Weg das Ziel ist und er möglichst glücklich werden soll bei allem, was er tut – was auch immer es ist. Und dass er jeder Zeit anrufen kann, wenn er in der Bredouille steckt. Was macht er? Demnächst wird er anfangen, das zu studieren, was ich studiert habe?

Dass diese Serie so einen erstaunlichen Stoff ausgerechnet aus dem liberalen Dänemark umsetzt und dort ein echter Straßenfeger, was die Einschaltquoten betrifft, gewesen ist, wundert nicht: Adam Price sagte in einem Interview, dass 77% der Dänen Mitglied in der staatlichen Kirche sind und nur 15% davon wirklich an Gott glauben.

Die Besetzung ist dermaßen glaubwürdig, dass man mit fortschreitendem Handlungsstrang auch anfängt, an sie zu glauben. Allen voran Lars Mikkelsen, der Putin in „House Of Cards”, als Johannes, der dafür zu recht diverse Preise abgeräumt hat. Auch sonst sind die Protagonisten erfreulich frisch und überzeugend.

Meine Freundin glaubt nicht an Gott und mag trotzdem die „Die Wege des Herrn“, weil es sehr anspruchsvolles und tiefsinniges Fernsehen ist. Und weil: „Dänen lügen nicht“.

Onkel Rosebud

P.S.: „House Of Cards“: Die erste Staffel ist super, der Rest geht so und macht dann in der sechsten Staffel ohne Kevin Spacey keinen Spaß mehr.