Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: The Devil’s Hour – Schlaflos in der Teufelsstunde

Von Onkel Rosebud

Wenn es um Schlaf geht, dann ist meine Freundin wirklich zu beneiden. Sie kann immer und überall büseln, wie man in Österreich sagen würde. So lang, bis die Augen nicht von allein wieder zu gehen. Ich wiederum kenne das Gegenteil: nachts aufwachen und nicht wieder einschlafen können. Deshalb kann ich die Protagonistin der Serie „The Devil’s Hour“, Lucy Chambers (Jessica Raine), auch gut verstehen. Sie erwacht jeden Morgen zur gleichen Zeit, zur „Teufelsstunde” zwischen 3 und 4 Uhr. Und zwar genau um 3:33 Uhr, jeden, aber auch wirklich jeden Morgen. Die junge Mutter wird von Albträumen geplagt. Verstörende Bilder, deren Bedeutung sie zunächst nicht erkennt, verfolgen sie im Schlaf. Tagsüber schlägt Lucy sich als Sozialarbeiterin mit problematischen Familien herum, kümmert sich um schwierige Fälle, bei denen es um Missbrauch, Vernachlässigung und Drogendelikte geht. Gleichzeitig betreut sie liebevoll ihren achtjährigen Sohn Isaac (Benjamin Chivers), mit dem etwas nicht stimmt. Der schüchterne Junge zeigt keine Emotionen, er weint nicht, lacht nicht, kann keinen Schmerz empfinden. PsychiaterInnen können ihm nicht helfen.

Damit nicht genug. Auch Lucys Mutter (Barbara Marten) benötigt ihre Fürsorge. Die vermeintlich an Schizophrenie leidende Frau spricht mit leeren Stühlen und kommt nicht mehr allein klar. Isaacs Vater Mike (Phil Dunster) wiederum, von dem Lucy getrennt lebt, zeigt kein Interesse an seinem Sohn, von dem er sich komplett entfremdet hat.

An Lucy scheint der ganze Stress nicht spurlos vorüberzugehen. Sie leidet unter wiederkehrenden Wahrnehmungsstörungen. Ein bunter, frischer Blumenstrauß ist plötzlich aus verblasstem Papier, die bildhübsche Nachbarin hat auf einmal üble Brandwunden im Gesicht. Lucys Alltag wird noch chaotischer, als in der Gegend eine Reihe brutaler Morde für Unruhe sorgt und ihr Name mit den Taten in Verbindung gebracht wird.

Der junge, mitfühlende Ermittler Ravi Dhillon (Nikesh Patel), der kein Blut sehen kann, und sein etwas grobschlächtiger Kollege Nick Holness (Alex Ferns) heften sich an die Fersen des Serienmörders. Ein finsterer Einzelgänger, Gideon (Peter Capaldi), der von einer mörderischen Besessenheit angetrieben wird, gerät ins Visier des Ermittlerduos und wird zum Hauptverdächtigen der Polizeifahndung. Der ehemalige Doctor Who, Peter Capaldi, spielt das großartig und sitzt in jeder Szene fest im Sattel.

Und so nimmt die vertrackte Geschichte allmählich ihren Lauf. Der komplexe Plot von „The Devil’s Hour“ besteht aus vielen miteinander verstrickten Strängen. Die verschiedenen losen Fäden, die sich während fünf Folgen immer weiter verheddern, werden in der sechsten und letzten Episode ungewöhnlich gut aufgelöst.

Autor Tom Moran nimmt sich sechs Stunden Zeit für seine Geschichte. Entsprechend erlaubt er sich einen langsamen Einstieg, aber einen, der durchaus seine Berechtigung hat. Denn schon in der ersten Folge sind die vielen kleinen Momente vorhanden, die Bedeutung erlangen, wenn man das Ende erreicht hat. Es gibt viel zu entdecken, das in gewisser Weise vorausdeutet, wie die Geschichte auf die Zielgerade einbiegt. „The Devil’s Hour“ ist keine leichte Kost. Die Serie ist sicher unterhaltsam, und vor allem faszinierend. Weil die gegenwärtige Handlung immer wieder von der Konfrontation von Lucy und dem Killer in einem Verhörraum der Polizei unterbrochen wird und sich erst nach und nach immer mehr aufdröselt, wie es um die Verbindung der beiden Menschen steht. „The Devil’s Hour“ ist keine Serie, die man ohne eine Psychologieausbildung nebenbei gucken kann, aber definitiv nicht verschwendete Lebenszeit.

Onkel Rosebud