Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Aaron Sorkin – Der Mann für Ideale.

Von Onkel Rosebud

In der Autobiografie des Schauspielers Rob Lowe, „Stories I Only Tell My Friends“, steht, dass Mitarbeiter der Obama-Administration gesagt haben, „We just west-winged“, wenn sie besonders spontan mit dem Mundwerk vor der Presse gewesen sind. Mr. Lowe spielte Sam Seaborn in der Hinter-den-Kulissen-des-Weißen-Hauses-Serie „The West Wing – Im Zentrum der Macht“ (1999–2006), den stellvertretenden Kommunikationsdirektor des künftigen Präsidenten der USA. Er schreibt seine Reden.

Die Idee zur Serie hatte Aaron Sorkin, Jahrgang 1961, der bis zu seinem Abgang nach der vierten Staffel auch einen Großteil der Drehbücher schrieb. Sie wurde sein größter Erfolg, dank seines Stiles: Einprägsame Sätze in ausgedehnten Monologen und rasante, messerscharfe Dialoge, anspruchsvoll und humorvoll, oft in atemberaubendes Tempo zu packen. Dazu eine Kameraführung, die hinter den Protagonisten mit langen Fahrten hereilt. Er erfand „walk and talk“, eine Erzähltechnik, bei der sich mehrere Personen unterhalten, während sie sich durch die Kulisse bewegen – ohne Schnitt. Heutzutage kommen keine Politikerin und kein Politiker mehr ohne damit aus. Mit dem Charakter Sam Seaborn hat er sich dabei selbst ein Denkmal gesetzt, weil dieser der größte Idealist im Mitarbeiterstab ist. Meine Freundin und ich haben die 154 Episoden in 7 Staffeln damals förmlich aufgesogen.

Nach diversen großartigen („Der Krieg des Charlie Wilson“) und weniger artigen („Studio 60 On The Sunset Strip“) Projekten fährt Aroon Sorkin den Drehbuch-Oskar für den David-Fincher-Film „The Social Network“, einem Porträt Mark Zuckerbergs als veritables Arschloch, ein. Und man sollte meinen, nun wird es ruhig um ihn.

Denkste. Mit der Hinter-den-Kulissen-einer-Nachrichten-Show-Serie „The Newsroom“ (2012–2014) präsentiert er als Showrunner genau wie in „The West Wing“, wo er ein Weißes Haus und einen Präsidenten zeigte, von dem wir uns nur wünschen konnten, es würde ihn geben, eine TV-Redaktion, nach der wir uns als Zuschauer sehnen, weil diese intelligentes und emotionales Fernsehen macht. Ihr Credo: Mit Mut, Disziplin und angeborener Schlagfertigkeit kannst Du Großartiges erreichen. Der Pilot ist immens spannend, die 75 Minuten vergehen wie im Flug, die Charaktere sind durch und durch liebenswert und am Ende kann man die nächste Folge kaum erwarten. Es gibt kein höheres Qualitätsmerkmal bei einer Serie. Realistisch sind weder „The West Wing“ noch „The Newsroom“. Aber aus beiden Serien quillt der linke Idealismus für eine bessere Welt, wenn auch mit einer gehörigen Portion Pathos.

Im Jahr 2015 wurde Danny Boyles biografisches Drama „Steve Jobs“ veröffentlicht. Wer gewann den Golden Globe für das beste Drehbuch? Und fünf Jahre später für „The Trial Of The Chicago 7“? Na klar, Aaron Sorkin.

Sorkin sagt man nach, ein schwieriger Mensch am Set zu sein, ein detailverliebter Pedant und Workaholic, teilweise vom Ehrgeiz zerfressen. Einer, der überall mitreden will und nichts dem Zufall überlässt. Das nervt sicher, aber die Ergebnisse sprechen für sich und haben den Bechdel-Test bestanden.

Onkel Rosebud