Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Es heißt Leben, nicht Liebe

Von Onkel Rosebud

Neulich in London… Mit einem Text, der so beginnt, kann eigentlich nicht mehr sehr viel schief gehen, versprüht er doch Weltgewandtheit und Lebensfreude…

Also, neulich ist mir da folgendes passiert: Auf der Suche nach einem Parkplatz fahre ich mit einem kleinen Auto durch die Innenstadt. Parkplätze sind rar. Am Straßenrand werden gerade Autos abgeschleppt. Ich höre sehr laut einen Song, der mich nicht loslässt: Elegische Pianoläufe mit weltweiser Männerstimme, die davon singt, wie unerreichbar die Liebe und das Leben mal wieder sind. Streicher sind auch dabei. Der Song ist rundum dufte. Ich singe mit. Plötzlich sehe ich einen freien Parkplatz. Ich parke ein, steige aus, blicke triumphierend in die Runde. Mir geht es gut, obwohl ich feststellen muss, dass ich keine Münzen für die Parkuhr habe. Euro ist hier nicht.

Scheiße. Drei Autos weiter verteilt eine Politesse Strafzettel. Mir muss schnell was einfallen, sonst muss ich hier sofort wieder weg. Da werfe ich meine alte Baseballmütze auf den Gehweg und beginne das Lied zu schmettern, das ich vorhin mitgesungen habe. Schade eigentlich, dass ich nicht singen und mich nicht so gut an den Text erinnern kann. Niemand wirft Geld in meine Kappe. Die Politesse schaut mich irgendwie mitleidig an.

Dann naht Rettung. Zufällig – aber solche Zufälle gibt es, gerade hier in London – kommt der Musiker, der das Lied geschrieben hat, des Weges. Er grinst, wirft was in meine Mütze und ruft mir etwas zu. Er korrigiert meine Textfassung: „Es heißt Leben, nicht Liebe.“ Und zack, ist er wieder weg. Ist passiert. Wirklich. Wenn er es nicht gewesen ist, wer dann? Außerdem war ich damals einer der wenigen, die die CD gekauft haben und auch zum Konzert gegangen sind. Super klein und eng. Widerliche Einlasstypen, schlechte Luft. Aber toll. Wahrscheinlich bin ich eh der Einzige, der ihn kennt. Deshalb läuft er hier auch so unbehelligt durch die Straßen. Was im Grunde falsch ist, denn wenn es auf der Welt Gerechtigkeit gäbe, wäre der Mann ein Superstar. Er sieht toll aus und seine Musik ist echt klasse…

Okay, nein, gut. Zugegeben. Das Lied heißt „Feel“, der Musiker, der einfach vorbeikommt, ist Robbie Williams. Man wird doch wohl noch träumen dürfen. Aber, was mir da hätte passieren können, ist keine Geschichte, die wirklich passieren könnte. Dies ist die Nacherzählung der Kinowerbung für ein kleines Auto, die ich im Vorprogramm zu „Herrn Lehmann“ gesehen habe. (Sehr gelungener Film übrigens. Herr Ulmen macht seine Sache wirklich wunderbar und am Ende flitzt auch noch Torsten Ranft durchs Bild.) Die Werbung verkauft eine uralte Utopie des Pop.

Onkel Rosebud

P.S.: Dieser Text erschien erstmals am 14. Januar 2004 in ad-rem, Jahrgang 14, Nummer 2.

Nachtrag 2023: Volksschauspieler Torsten Ranft hat in meinem Buch „Various Artists – Ich Liebe Musik Vol. 2“ (2020, Windlust Verlag) mitgeschrieben. Hihi!